Quetschbeutel Mit 25 groß und stark

Der Quetschbeutel feiert Jubiläum. Weil das Angebot wächst und wächst, wird die Ordnung im Regal immer wichtiger.

Freitag, 02. Februar 2024 - Sortimente
Dagmar Schumann
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Bildquelle: Getty Images

An Quetschies scheiden sich die Geister: für die einen ein Segen, ist doch das Breichen für die Kleinen fertig zubereitet zur Hand. Löffel braucht man nicht. Und die Kleinen können die Quetschies unterwegs fast kleckerfrei eigenständig verzehren. Da ist die Zufriedenheit bei Eltern und Kind gesichert. Für die anderen ist das alles unnötiger, überteuerter Quatsch mit viel zu viel Zucker, ergo ungesund, zudem viel Plastikmüll erzeugend. Das sagen vor allem Ernährungsexperten, Verbraucherzentralen und Kinderzahnärzte. Wie auch immer: Seit Einführung vor mehr als 25 Jahren haben sich die Quetschies rasant entwickelt und die Supermarkt-Regale erobert.

Wie alles begann …
In Frankreich entstand 1998 die Idee des Quetschbeutels. Damals fing der zu Danone gehörende Kompott- und Fruchtmushersteller Materne an, Apfelmus in kleine Beutel mit Mundstück und Schraubverschluss zu füllen, Pom’potes genannt. Sie wurden aber noch nicht als Kindernahrung vermarktet.

Die Quetschies, wie man sie heute kennt, erfanden acht Jahre später ein Engländer und ein Amerikaner: Paul Lindley und Neil Grimmer. Lindley, ursprünglich beim Kindersender Nickelodeon angestellt, gründete in Oxfordshire das Unternehmen Ella’s Kitchen, benannt nach seiner Tochter. Nach zwei Jahren Tüftelei brachte er 2006 die ersten Quetschies auf den britischen Markt. Grimmer verzweifelte etwa zur gleichen Zeit daran, dass seine Tochter den gebackenen Kürbis nicht essen wollte. Er pürierte ihn und füllte ihn in einen nuckelbaren Plastikbeutel. 2007 gründete er Plum Organics. Binnen vier Jahren stieg der Jahresumsatz von Plum Organics auf 93 Millionen Dollar und der von Ella’s Kitchen (heute Hain Celestial) auf über 50 Millionen Pfund. Heute gehört Plum Organics zu Campbell Soups.

Aktuell sind Quetschies für Kinder verschiedener Altersstufen nicht mehr aus dem Speiseplan wegzudenken. Obst in Brei verwandeln kann man leicht selbst. Aber Eltern schätzen den Griff auf fertig portionierte und verpackte Nahrung manchmal als große Erleichterung. Daran hat weder die Mitte 2019 gestartete Petition „Stoppt Quetschies“ etwas geändert noch die Initiative der Babynahrungsmarke Löwenzahn Organics, die fordert, Quetschies aus dem Babynahrungsregal zu entfernen und bei den Süßigkeiten zu platzieren.

Auch Sportler und Senioren kaufen Quetschies
Der Markt für das pürierte Obst in den knallbunten Verpackungen ist mittlerweile riesig geworden. Dabei greift nicht nur die ursprüngliche Zielgruppe auf die Quetschbeutel zurück. So stellt etwa die Firma Yamo aus der Schweiz fest, dass die Produkte, die eigentlich für Babys ab sechs Monate gedacht sind, auch bei Kindern bis ins Grundschulalter beliebt sind. Die Firma Erdbär, die mit Freche Freunde den Quetschbeutel vor rund elf Jahren in Deutschland einführte, konstatiert, dass die Produkte für Kita-Kinder auch von Erwachsenen als zweites Frühstück und sogar von Sportlern und Senioren konsumiert werden.

Holle Baby Food hat Demeter Bio-Frucht-, Gemüsepürees und Getreide seit rund zehn Jahren im Sortiment und stellt fest, dass die Quetschies sich auch als Zwischenmahlzeit für Kleinkinder sowie Sportler eignen, als „Pausenbrot“ für größere Kinder und sogar für die Zubereitung von Kuchen und Desserts eingesetzt werden. Die Eignung als „Pausenbrot“ unterstreicht auch Jufico mit der Marke Fruchtbar, ursprünglich (2010) im Bio-Fachmarkt, seit 2011 auch im Drogeriebereich vertreten. Einige Hersteller haben daher ihre Produktpaletten in den letzten Jahren stark erweitert. Neben Quetschies für Kinder ab dem vierten Monat oder ab dem ersten Jahr sind nun auch Quetschies für andere Zielgruppen auf dem Vormarsch, wie etwa Hipps Sportsfreund als „gesunde Zwischenmahlzeit und schneller Energielieferant für Sportler“, das „gesunde Plus“ von dm als Immun-Smoothies oder Hilli Fruits, Fruchtpürees und Smoothies für Erwachsene.

Von der Vielfalt überfordert?
Laut IRI-Handelspanel wurden für den Zeitraum MAT November 2023 im Verlaufe der vergangenen zwölf Monate 136 Millionen Quetschbeutel verkauft, davon 116,7 Millionen als Singlepack und 19,2 Millionen im Multipack. Das Quetschbeutel-Segment repräsentiert mit einem Umsatz von 144 Millionen Euro 22 Prozent des Gesamtumsatzes der Kategorie Baby- und Kindernahrung mit einem Wachstum von 16 Prozent (Umsatz) beziehungsweise 8 Prozent (Absatz) gegenüber dem Vorjahr. In den Drogeriemärkten, der Haupteinkaufsstätte für die Kategorie, liegt das Wachstum gegenüber dem Vorjahr sogar bei 20 Prozent (Umsatz, 12 Prozent Absatz).

Das Angebot ist mittlerweile so breit, dass man schon mal die Orientierung verlieren kann, meint Anna Brunstein aus dem Markt- und Portfoliomanagement bei Erdbär (Freche Freunde): „Shopper sind von der Fülle eher überfordert. Die Auswahl fällt ihnen zunehmend schwerer. Das führt zu Frust, Stress und Zeitverlust beim Einkaufen.“

Die Strategien der Hersteller
Was tun? „Hersteller können durch die Gestaltung der Verpackung für Orientierung am PoS sorgen. Das Produkt sollte sofort verstanden werden“, erläutert Anna Brunstein hierzu. Um den Kundennutzen zu erhöhen und den Einkauf zu erleichtern, sollten Handel und Hersteller eng zusammenarbeiten. Denn auch die Regalgestaltung sei entscheidend. Durch ein kooperatives Kategorie-Management und Shopper Insights ließe sich mehr Ordnung initiieren.

„Deshalb machen wir den Anfang“, so Brunstein. „Freche Freunde räumt am Quetschie-Regal auf und kategorisiert sein Sortiment. Wir haben untersucht, nach welchen Kriterien Eltern Quetschbeutel kaufen und festgestellt, dass sie gezielt nach Rezepturen für verschiedene Anlässe suchen: Wenn Eltern ihrem Kind etwas zum Naschen geben möchten, wählen sie oft einen fruchtig-süßen Quetschbeutel anstelle von Schokolade. Wenn das Kind mehr Gemüse probieren soll, suchen Eltern gezielt nach einem Produkt mit Gemüseanteil. Wenn der Hunger mal größer ist oder ein etwas längerer Zeitraum überbrückt werden soll, greifen sie zu einem Artikel mit Getreideanteil.“ So sind mithilfe von Farbcodes und Icons drei Kategorien für das mittlerweile 25 Sorten umfassende Portfolio entstanden: Viel Frucht, Obst und Gemüse, Obst und Getreide. Neben Platzierungsempfehlungen wird es Displays und Werbemittel für den PoS geben.

In Kategorien denkt man auch bei Jufico (Fruchtbar). „Unser Bio-Quetschie-Sortiment ist so bunt wie die Welt von Obst und Gemüse. Es lässt sich in drei Kategorien einteilen: Bio-Quetschies mit Frucht, mit Gemüse sowie mit Getreidebrei“, erklärt Marketing- und Kommunikationsmanagerin Elisa Eckstein. „Wir legen großen Wert auf eine optisch ansprechende Darstellung der Zutaten und auf die Kommunikation zu Rezepturen und Nährwerten. So können sich Eltern und ihre Kinder am Regal gut entscheiden.“

Die Firma Yamo aus der Schweiz will „frischen Wind in die Regale bringen“, sagt Sabine Wiederkehr, Category Head, Yamo AG. „Unsere Quetschies sind die einzigen und ersten frisch hergestellten Quetschies. Dass heißt, Yamo-Produkte werden schonend mit Hochdruck kalt gepresst anstatt mit Hitzesterilisation haltbar gemacht und werden am Verkaufspunkt im Kühlschrank angeboten, wo sie einige Wochen lang haltbar sind, ganz ohne Zusatzstoffe. Die Hochdruckbehandlung hat den Vorteil, dass natürliche Vitamine, der frische Geschmack und die originalen Farben der Zutaten erhalten bleiben. Und für Konsumenten ist die Differenzierung anhand des Kühlers im Regal ersichtlich.“

Mit klarem Packungsdesign und einer Vielzahl optischer Elemente schafft man bei Holle Baby Food, ebenfalls Schweiz, Orientierung am Regal. „Beispielsweise sind unsere Joghurt-Quetschies optisch gut an dem weißen Deckel und dem weißen Packaginghintergrund erkennbar. Das gilt auch für unsere weiteren Sorten“, verdeutlicht Karin Henke, Brand Building & Communications bei Holle Europe. „Je nach- dem, ob wir nur Früchte, eine Kombination aus Früchten und Getreide, Früchten mit Gemüse oder nur Gemüse verwenden, ist die Deckelfarbe eine andere. Auch sind die Verpackungen farblich so gestaltet, dass sie gut unterschieden werden können und auch auf die enthaltenen Zutaten anspielen. Zum Beispiel verwenden wir beim Deckel ein dunkles Rot für unseren Quetschbeutel Zebra Beet, bei welchem Rote Bete enthalten ist. Bei der Front achten wir darauf, dass die enthaltenen Zutaten gut durch die Abbildungen erkennbar sind. Eine weitere Orientierung am Regal bietet die Altersangabe auf der Front. Durch diese wissen die Eltern, ab wann die Produkte geeignet sind.“ Das Demeter-Zeichen und das Bio-Label auf der Front seien ein Qualitätsversprechen, ganz nach dem Firmenmotto „Groß werden mit dem Besten aus der Natur“.

Schnelldreher

26 Sekunden braucht das fünfjährige Kind, um den Quetschbeutel direkt hinter der Kasse aus dem Einkaufsberg des elterlichen Einkaufswagens zu greifen, ihn aufzudrehen, den Quetschie an seinen Mund zu setzen und mit hektisch-begeisterten Kinderschlucken tief einzusaugen. Diese „Sozialstudie im Miniformat“ lässt sich so oder ähnlich regelmäßig beobachten. Da bekommt der Begriff Schnelldreher gleich eine doppelte Bedeutung. Denn schnell, gar rasant, hat sich der Quetschbeutel entwickelt, seit er vor 25 Jahren in Frankreich das Licht der Welt erblickte und über Großbritannien und die USA schließlich zum Hit im Baby- und Kindersortiment wurde.

Mit dem Handel Hand in Hand
Auch im Handel beobachtet man das kaum überschaubare Angebot an Quetschies und sorgt sich um Übersichtlichkeit im Regal. Marcel Rieser, dm-Bereichsverantwortlicher Sortiment: „Bei Quetschies beobachten wir weiterhin eine starke Nachfrage. Durch die Platzierung in Markenblöcken versuchen wir, unseren Kunden Orientierung zu geben. Bei der Gestaltung des Regals arbeiten wir daher im engen Austausch mit unseren Partnern zusammen.“
Das wird auch bei Budni so gehandhabt. „Bei der Platzierung der Quetschies arbeiten wir eng mit den führenden Industriepartnern zusammen“, so eine Unternehmenssprecherin. „Als Drogeriemarkt ist uns dieses Segment sehr wichtig, und wir optimieren Sortiment und Platzierung regelmäßig und nach neuesten Erkenntnissen sowie in Abstimmung mit Industriepartnern. Aufgrund der noch relativ jungen Historie dieser Kategorie sind die Entwicklungen spannend und dynamisch. Wir schauen uns Themen wie Bio, Markenblöcke, Geschmacksrichtungen oder Inhaltsstoffe an.“ Außerdem achte man kritisch auf nachhaltige Aspekte dieser Kategorie, wie den Bedarf und die Art des Verpackungsmaterials.

Quetschies, so wird immer wieder bemängelt, sind Müllbringer pur – 170 Quadratzentimeter Aluplastikgemisch pro Quetschbeutel entsprechen 15 Gramm Müll – hat mal jemand ausgerechnet.

Mehr Müll als nötig?
Auf diese Thematik angesprochen, erklärt Sabine Wiederkehr von Yamo: „Wir haben das gesamte Sortiment im Frühjahr 2023 konsequent auf recycelbares Monomaterial umgestellt. Aktuell ist dies die nachhaltigste Lösung, die am Markt verfügbar ist. Leider ist es noch nicht möglich, bei unseren Quetschies auf Plastik zu verzichten, da für die schonende Haltbarmachung mit Hochdruck eine flexible Verpackung benötigt wird.“

Anna Brunstein, Erdbär, ergänzt: „Regelmäßig betrachten wir unterschiedliche Stellschrauben und arbeiten tagtäglich an der Reduzierung von Verpackungsmaterial sowie dem Einsatz von Alternativen. Gleichzeitig stellen wir immer sicher, dass die hohen Standards für Produktsicherheit von Baby- und Kindernahrung gewährleistet werden. All unsere Quetschies werden im Zuge der neue Kategorien auf ein sehr gut recycelbares Monomaterial umgestellt.“ Durch Zertifizierungen könne sichergestellt werden, dass die Verpackung der Kreislaufwirtschaft zugeführt werden könne.

Ein Thema auch bei Holle Baby Food: Karin Henke: „Bei unseren Quetschbeutel-Verpackungen verzichten wir generell auf den Einsatz von Aluminium. Bei unseren Joghurt-Quetschies verwenden wir Polypropylen-Monomaterial, das sortiert und sehr gut recycelt werden kann.“ So finde das Verpackungsmaterial wieder seinen Weg zurück in den Kreislauf. Bei allen weiteren Quetschbeuteln arbeite man an einer Umstellung, um weiter zu optimieren.

Einen Schritt weiter ging man bei Jufico bereits 2011 mit einem Upcycling-Programm, um den Produktlebenszyklus der Quetschbeutel zu verlängern: „Unsere Kunden können leere Quetschies an uns zurücksenden. Wir bereiten sie auf und lassen daraus in einer Förderwerkstatt schöne neue Produkte wie Taschen, Mäppchen, Rucksäcke nähen. Dieses Programm erfreut sich bis heute großer Beliebtheit, wird aber im Laufe des Jahres eingestellt, da wir nur noch recycelbare Quetschbeutel anbieten, die in der gelben Tonne entsorgt werden“, erklärt Elisa Eckstein. Das Sortiment sei komplett auf recycelbares Monomaterial umgestellt, gekennzeichnet durch das „Made for Recycling Interseroh“‘-Siegel. Durch das wellenförmige Einschneiden des Bio-Quetschie-Deckels sei es zudem gelungen, 15 Prozent Plastik einzusparen.

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