Weizenanbau Was bringt der grüne Dünger?

Wer bei der Brot-Produktion Treibhausgase sparen will, der muss aufs Feld. In einem Pilotprojekt wollen Harry-Brot, Düngemittelhersteller Yara und die Müller von Bindewald & Gutting wissen: Was bringt der grüne Dünger?

Dienstag, 26. September 2023 - Sortimente
Susanne Klopsch
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Bildquelle: Getty Images

Das Projekt hat absoluten Pilotcharakter. Harry und seine Partner schlagen damit völlig neue Wege ein.“ Es schwingt Stolz mit, wenn Frank Kleiner, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb Harry-Brot, von der jüngst besiegelten Kooperation berichtet. Das Projekt hat einen hohen praktischen Nutzen. Nicht nur für Harry-Brot und die anderen Beteiligten. Sondern für die gesamte backende Branche. Denn es will die Frage beantworten: Wie viel CO2 lässt sich entlang der Wertschöpfungskette Brot durch grünen Dünger sparen? Fakt ist: Den höchsten CO2-Eintrag bei der Herstellung hat die vorgelagerte Wertschöpfungskette, sprich der Anbau des Getreides und die Behandlung auf dem Feld.

Kooperationspartner sind neben Großbäcker Harry-Brot aus Schenefeld der Düngemittelhersteller Yara sowie die Bindewald & Gutting Mühlengruppe. Bereits in der jetzt gestarteten Anbausaison werden 15 Vertragslandwirte beim Weizenanbau auf rund 1.600 Hektar sogenannten grünen Dünger von Yara einsetzen. Diesen stellt Yara im Werk Rostock aus grünem Ammoniak her. Das Ammoniak stammt aus Norwegen und wird laut Yara mittels Wasserenergie produziert. Er gilt damit als grün. Der für die Ammoniaksynthese notwendige Wasserstoff seinerseits wird durch Elektrolyse gewonnen. „Das Ergebnis sind Düngemittel mit einem bis zu 90 Prozent geringeren CO2-Fußabdruck“, sagt Marco Fleischmann, Geschäftsführer der Yara GmbH. Derzeit haben die nitrathaltigen Dünger, die Yara in der Europäischen Union und Norwegen herstellt, bereits einen um 55 bis 60 Prozent niedrigeren CO2-Fußabdruck als die meisten vergleichbaren Nicht-EU-Düngemittel. Unterm Strich ermögliche es der grüne Dünger, den CO2-Fußabdruck des Getreides um bis zu 30 Prozent zu reduzieren, so Fleischmann. Wie viel genau, das soll das Projekt herausfinden.

Die Landwirte erhalten Hilfe beim Düngemanagement: Themen sind die Pflanzenernährung, die Wahl der effizientesten Stickstoffnormen sowie die bedarfsgerechte Stickstoffdüngung. Unterstützt wird dies durch digitale Mess- und Regeltechnik. Dabei entstehende Kosten tragen die Projektpartner, nicht die Landwirte.

Partner Bindewald & Gutting Mühlengruppe geht es laut Michael Gutting (geschäftsführender Gesellschafter) bei diesem Pilotprojekt vor allem darum, „den CO2-Fußabdruck des Getreides zu berechnen sowie die Nachverfolgung des Produkt-CO2-Fußabdrucks zu bewerten“.

Bis zu 12.000 Tonnen Weizen könnten die 15 Vertragslandwirte nächstes Jahr ernten, aus denen etwa 9.000 Tonnen Mehl gewonnen werden könnten: Grundlage für bis zu 297 Millionen Brötchen, die bei Harry-Brot gebacken würden. Norbert Lötz, Geschäftsführer für Produktion und Technik beim Großbäcker, hofft auf „eine Sogwirkung, sodass der gemeinsame Ansatz zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks im Getreideanbau viele Nachahmer findet“.

Das Projekt ist zunächst auf ein Jahr angelegt, also bis zur Verarbeitung der ersten Ernte. „Sollte das Projekt die gewünschten Ergebnisse zeigen, ist eine Fortführung denkbar“, sagt Frank Kleiner.

Mit dem auf Basis des „grünen Düngers“ produzierten Brot wird Harry-Brot eine Alleinstellung in den Regalen des Handels haben. Was aber, wenn der derzeit sehr preisbewusste Kunde am PoS anders entscheidet, als er es oft in Umfragen angibt, nämlich das für die Umwelt bessere Brot nicht kauft, weil es ihm zu teuer ist? Für Frank Kleiner ist die Frage zum falschen Zeitpunkt gestellt: „In der frühen Phase des Projekts geht es vor allem darum, zu prüfen, welche Eigenschaften und Qualitäten das Getreide und später das Mehl aufweisen.“ Zum jetzigen Zeitpunkt lasse sich noch keine Prognose abgeben, ob und, wenn ja, bei welchen Harry-Broten das Mehl auf Dauer zum Einsatz kommt. „Harry versteht sich hier als Innovationstreiber“, sagt der Geschäftsführer Marketing und Vertrieb.

Mehrwegkisten und Gigaliner
Harry-Brot setzte 2022 etwa 1,215 Milliarden Euro um. Es gibt 10 Produktionsstandorte und 35 Vertriebsstellen hierzulande. Nachhaltigkeit ist wesentliche strategische Säule. Alleinstellungsmerkmal des Großbäckers ist der Frischdienst. Für den Handel sind die Vorteile klar: eine tagesgenaue, stückgenaue, absatzorientierte Belieferung mit frischen Produkten aus der nächstgelegenen Harry-Großbäckerei, auf Wunsch auch mit Regalbefüllung als Full Service. „Diese flächendeckenden Strukturen garantieren kurze Lieferwege, im Schnitt nur 137 Kilometer“, sagt Frank Kleiner. Das spare CO2, die passgenaue Produktion vermeide Food Waste. Ein weiterer wesentlicher Baustein des Nachhaltigkeitskonzepts sind die roten, recycelbaren Mehrweg-Transportkisten: Diese haben sich seit den 1970er-Jahren im Frischdienst als „robuste Leistungsträger bewährt“, sagt Kleiner. Derzeit sind täglich etwa 4,5 Millionen von ihnen bei der Belieferung von rund 12.000 Outlets im Einsatz. Sie lassen sich platzsparend im Lkw stapeln, sind mehr als fünf Jahre im Umlauf, lassen sich anders als Pappkartons nach Gebrauch hygienisch reinigen. „So sparen wir pro Tonne Brot rund 23 Prozent Treibhausgasemissionen im Vergleich zu Einwegkartons“, sagt Frank Kleiner.
Jährlich investiert Harry-Brot rund 10 Millionen Euro in seine Flotte. Die Fahrzeuge sind auf eine Höchstgeschwindigkeit von 85 km/h abgeregelt. In Eco-Schulungen gibt es Tipps für die Fahrer, wie etwa durch frühes Hochschalten der Treibstoffverbrauch im Griff gehalten werden kann. Dadurch sei der Kraftstoffverbrauch in den vergangenen Jahren um 15 Prozent gesunken. Auch die vier Gigaliner helfen beim Sparen: „Pro transportierter Palette kann der CO2-Ausstoß um 20 Prozent reduziert werden“, sagt Kleiner. Es gibt also viele Stellschrauben für mehr Nachhaltigkeit beim Großbäcker. Vielleicht kommt mit dem neuen Projekt eine weitere hinzu.

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