Das Bundeskartellamt hat 2022/2023 eine zeitlich begrenzte Kooperation der vier in Deutschland herstellenden Zuckerunternehmen Cosun Beet, Nordzucker, Pfeifer & Langen sowie Südzucker zugelassen. Die Vereinbarung sah vor, dass sich die Unternehmen im Falle einer Kappung der Gasversorgung und einem eventuell daraus resultierenden Produktionsstillstand in den betroffenen Fabriken gegenseitig Produktionskapazitäten zur Verfügung stellen, um die Verarbeitung der heimischen Zuckerrüben zu sichern.
Ernstfall nicht eingetreten
Der Ernstfall trat nicht ein. Wissenschaftler haben jedoch immer wieder geäußert, dass die Energieversorgung von Deutschland im vergangenen Winter nicht so gefährdet gewesen sei wie im nun bevorstehenden. Doch eine Wiederholung der Kooperation ist aktuell nicht angedacht, sagen die Unternehmen und der Verein der Zuckerindustrie (VdZ). „Die Zuckermarktkooperation war einmalig bis 30. Juni 2023 begrenzt. Ob die Beteiligten einen neuen Antrag stellen und die Bedingungen wieder ähnlich sind, ist eine nicht beantwortbare Frage, zu der wir nichts sagen können“, so Jonas-Severin Frank vom Bundeskartellamt. Das klingt schon vorsichtiger, abwartender.
Mega-Baustelle Energietransformation
Feststellen lässt sich aktuell, dass die vier Zuckerhersteller massiv an ihrer Energietransformation arbeiten, um Abhängigkeiten abzuschaffen. Am Beispiel Pfeifer & Langen wird klar, wie vielfältig und kostenintensiv das ist. „Für die anstehende Kampagne haben wir uns durch interne Maßnahmen vorbereitet und gegen mögliche Ausfallrisiken abgesichert“, sagt Michael Schaupp, Geschäftsführer bei Pfeifer & Langen. Um unabhängig von Erdgas zu werden, passt das Unternehmen seinen Energiepfad an: Bis spätestens 2040 soll die Zuckerproduktion ohnehin komplett CO2-neutral sein. „Wir haben begonnen, unseren Energiebedarf und die erzeugten Emissionen aus dem Verbrauch von Brennstoffen zu reduzieren. Zudem investieren wir in erneuerbare Energieträger und modernste Technik“, so Schaupp.
Seit Juli ist zum Beispiel der erste unternehmenseigene Biogas-Lkw im Einsatz. Er übernimmt die jährlich etwa 1.000 anfallenden Transporte zwischen der Zuckerfabrik in Jülich und dem Warenlager in Elsdorf. So werden pro Jahr rund 28 Tonnen CO2 eingespart; der Ausstoß fällt also um circa 90 Prozent geringer aus als beim Diesel-Lkw, der dort bisher gefahren ist. Nach der Testphase sollen weitere Biogas-Lkw angeschafft werden. Noch tankt der Biogas-Lkw an einer Tankstelle auf seiner Route, künftig aber unternehmenseigenes Biogas, das aus den eigenen Zuckerrübenschnitzeln gewonnen werden soll. Die in den extrahierten Schnitzeln steckende Energie reiche aus, um zudem die Zuckerfabriken CO2-neutral zu betreiben.
Rübenschnitzel nutzen
In Planung sind mehrere Bio-Methan-Anlagen, in denen aus Rübenschnitzeln, dem Reststoff der Zuckerherstellung, Bio-Methan hergestellt wird. Die Verfeuerung der Rübenschnitzel ist eine weitere Option. „Ergänzend kommt künftig eine Kombination von Wind- und Solarenergie zum Einsatz, die wir auf unseren eigenen Flächen, soweit möglich, generieren wollen“, so der Manager. Wie ernst das Thema Kreislaufwirtschaft bei Pfeifer & Langen genommen wird, zeigt ab September auch die Verpackung des Diamant-Zuckers für Endverbraucher: Ihr Papier besteht zu 20 Prozent aus Zuckerrübenfasern und reduziert den ökologischen Fußabdruck der Verpackung um 16 Prozent.
Dass die Energietransformation ein jahrelanger Prozess ist, der immer wieder angepasst werden muss, etwa an technische Innovationen, ist allen klar, aber der Weg wurde eingeschlagen, und erste Schritte sind getan: 2021 ist der Standort Jülich aus der Kohleverbrennung ausgestiegen, was den dortigen CO2-Ausstoß halbiert hat. 2022 wurde am Standort Könnern ein Kessel auf Biomasse umgestellt. In der anstehenden Kampagne – so wird die Erntephase genannt – werden als alleiniger Brennstoff dort Holzpellets eingesetzt. Im Werk Euskirchen kommt seit diesem Jahr, wenn auch nicht ausschließlich, Biomasse zum Einsatz. „Ab der Kampagne 2024/25 werden wir keine Kohle mehr in unseren Kraftwerken verfeuern“, sagt Schaupp. Außerdem sei er zuversichtlich, die CO2-Emissionen der Werke bis 2025 im Vergleich zu 2019 halbieren zu können.