Pleite der TSC Neue Abfluss-Fee gesucht

Ralf Dümmel und Georg Kofler: Ihre „Löwenhochzeit“ sollte nach dem Börsengang Milliardenumsätze bringen. Jetzt ist The Social Chain AG pleite. Dümmel arbeitet am Reset seiner DS Holding.

Mittwoch, 16. August 2023 - Sortimente
Matthias Mahr
Artikelbild Neue Abfluss-Fee gesucht
Bildquelle: Netto

Für die Nonfood-Branche ist es schon jetzt die Meldung des Jahres: The Social Chain AG (TSC) ist pleite. Am 25. Juli stellte das Social-Commerce-Unternehmen Antrag auf Insolvenz. Eine geplante Kapitalerhöhung scheiterte in letzter Minute: Der Ex-Hertha-Mehrheitsgesellschafter Lars Windhorst wollte nicht schon wieder Geld verbrennen. Eigentlich sollte 2023 ein neues „Einhorn“ entstehen, TSC sollte erstmals 1 Milliarde Euro Umsatz schreiben. So jedenfalls hatten es Georg Kofler und Ralf Dümmel vor 21 Monaten kundgetan.

Rückblick: Im Oktober 2021 feiern die beiden Vox-Größen ihre „Löwenhochzeit“. Koflers Social Chain übernimmt Dümmels DS Produkte zu 100 Prozent. Der Gang an die Frankfurter Börse folgt kurze Zeit später im November. Eine neue Volksaktie entsteht, prognostizieren der Ex-Premiere-Vorstand und der passionierte Nonfood-Importeur. Inzwischen ist die Aktie nichts mehr wert. TSC scheint klinisch tot, Geschäftszahlen wurden von der Bankenaufsicht gerügt. Doch DS Produkte ringt ums weitere Dasein. Möglich macht das ein in Bankenkreisen gerne gewähltes Konstrukt, das sogenannte Ringfencing. So werden Geschäfte separiert, die ein unterschiedliches Risikoprofil aufweisen. Deshalb greift hier die Analogie zum richtigen Leben: Die Tochter (Dümmels DS Produkte) ist vitaler als die Mutter (TSC) und überlebt deren Untergang womöglich auch.

58,4

Mio. Euro hat der TSC-Konzern im 1. Quartal 2023 umgesetzt.
Quelle: Quartalsbericht TSC

15,8

Mio. Euro des links genannten Erlöses erzielten die DS-Brands Landmann und Beem.

25,1

Mio. Euro Umsatz entfielen im 1. Quartal auf die Maxx Group. Besonders Lidl und die Löwenprodukte brechen aktuell weg.

DS Produkte muss sich neu erfinden
Egal wie – wenn Dümmel DS Produkte wieder in eigener Regie fortführen will, braucht er Geld, viel Geld. 100 Millionen haben er und sein Kompagnon Hanno Hagemann von Koflers Social Chain auf die Hand bekommen, das dazugehörige Aktienpaket in Höhe von einst 120 Millionen Euro ist pulverisiert. Und natürlich braucht es auch künftig Kunden: Der Handel muss DS mitsamt seinen Produkten die Stange halten, die Verbraucher weiterhin bereitwillig ihren Geldbeutel öffnen. Hier beginnen die Probleme. Es geht um Vertrauen und Glaubwürdigkeit, übrigens auch bei Banken. Das Fernost-Geschäft wird mittlerweile von Zahlungszielen der chinesischen Trader getragen, die empfindlich reagieren, wenn sich Bankenratings verschlechtern. Die Erwartungen im Nonfood-Business sind derzeit sehr getrübt. Das wissen auch die Finanziers: Gebrauchsgüter gehen nicht, weil die Verbraucher inflationsbedingt weniger Geld in der Tasche haben und sich nur eingeschränkt zu Impulskäufen verleiten lassen. Das Geschäftsmodell mit den Produkten aus der „Höhle der Löwen“ leidet darunter spürbar. Bedeutsamer ist jedoch in diesem Bereich, dass es immer weniger Top-Seller-Produkte gibt. „Dieser Markt ist satt“, sagt ein Händler der LP. Der Lack der „Höhle der Löwen“ sei ab, fügt er hinzu und fragt: „Kann Dümmel denn jetzt überhaupt noch glaubhaft Fernsehinvestor sein?“

Kein rosiger Ausblick für Nonfood
Da selbst Aldi und Lidl die Abverkäufe bei Nonfood-Aktionsware nicht stabilisiert bekommen, scheint der Social-Chain-Niedergang für DS Produkte zur gänzlich falschen Zeit zu kommen. Wie es in der Branche heißt, ist Dümmel derzeit noch bei Netto mit Rückgaberecht des Discounters gesetzt – jede Woche mit einer Seite im Handzettel. Mit 20 Prozent der Artikel werden hier 50 Prozent des Umsatzes gemacht. Rund 50 Millionen Euro netto bewege er damit. Angeblich verdient er mit diesem Deal derzeit kein Geld, selbst Top-Renner sollen nicht mehr wie früher laufen, und die Retourenquote sei sehr hoch. Die Edeka-Discountsparte habe diesen Tender für 2025 neu ausgeschrieben.

Media Shop, das österreichische Pendant zu DS Produkte, dränge in das Geschäft, heißt es im Markt. Auch Media Shop kämpft dem Anschein nach aktuell mit einem Absatztief. Bereits im Juni habe das durch Teleshopping bekannt gewordene Unternehmen auf der ERA Global Conference in Malta Überhang-Artikel zu Einkaufskonditionen angeboten, erzählen zwei Branchenkenner unabhängig voneinander. Eigentümerin und Gründerin Katharina Schneider ist wie Dümmel im Fernsehen als Investorin im Nachbarland eine Größe. Ist auch ihr Geschäftsmodell in der Krise? Ein Nonfood-Experte berichtet der LP: „Media Shop verkleinert gerade das Deutschland-Büro in Norddeutschland. Nach dem Weggang des Vertriebsleiters im Frühjahr trennen sich die Teleshopping-Experten gerade von einem Key Account aus ihrem Team.“

Es steht schlecht um die Nonfood-Deals im TV: Das schnelle Geld ist nicht mehr zu machen. „Die Branche muss wieder nachhaltiger denken und auf Rendite setzen“, betont ein Händler. Dümmel bleibt auf der Jagd nach Top-Sellern. Er sucht eine neue Abfluss-Fee. Die ging wie Rokitta’s Rostschreck einst ab wie die Post.

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