Recycling Kaffee ohne Bohnen

Ersatzkaffees waren und sind eigentlich nichts Neues. Nun soll ein Produkt aus recycelten Zutaten die Welt des Kaffees revolutionieren.

Sonntag, 23. April 2023 - Sortimente
Dagmar Schumann
Artikelbild Kaffee ohne Bohnen
Bildquelle: Adobe Stock, Getty Images

Das US-Unternehmen Atomo Coffee hat ein Verfahren zur synthetischen Herstellung von Kaffeemolekülen entwickelt, das ohne kommerziellen Pflanzenanbau auskommt. Der Kaffee wird in einem Labor hergestellt und konzentriert sich auf Zutaten wie unter anderem Traubenhaut, Dattelkerne und Zichorienwurzel, deren Bestandteile in die im Rohkaffee enthaltenen Verbindungen umgewandelt werden.

Hintergrund dieser Erfindung, so Andy Kleitsch, CEO des 2019 gegründeten Start-ups, sei der Klimawandel, der verheerende Schäden in der globalen Kaffeeindustrie anrichte. Die Mission sei es, Wissenschaft und Technologie zu nutzen, um Kaffee auf nachhaltige Weise durch die Verwendung von Upcycling-Pflanzen nachzubilden. Dazu musste zunächst rekonstruiert werden, was dem Kaffee seine Charakteristik verleiht und welche Moleküle für Körper, Geschmack, Aroma, Farbe und Bioaktivstoffe verantwortlich sind. Seit Mitte 2022 sind die bohnenlosen Kaffees Classic Black und Ultra Smooth im Markt, die laut Unternehmen mit 93 Prozent weniger Kohlenstoffemissionen und 94 Prozent weniger Wasser hergestellt werden. In Zusammenarbeit mit Beratern von Nestlé und der Food-Innovations-Firma Mattson will Atomo Coffee in Zukunft auch Sorten in weiteren Geschmacksprofilen anbieten, die nach äthiopischen, kolumbianischen und kenianischen Bohnen schmecken.

Laborbohne – ein Erfolgsmodell?
Werden sich Kaffeeliebhaber für einen Kaffee interessieren, der statt aus echten Bohnen aus natürlichen Aromen und Abfallprodukten der Lebensmittelindustrie besteht? Laut Euromonitor: im Prinzip ja, aber. Einerseits könne das Produkt vom wachsenden Markt für trinkfertigen Kaffee profitieren, der 4,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 erreicht hatte. Auch gebe es Chancen in dem noch jungen Markt für Kaffeealternativen.

Die Popularität von pflanzlichem Protein könnte dem Molekularkaffee den Weg ebnen und Verbraucher, die auf gesündere und umweltfreundlichere Produkte setzen, würden erwarten, dass Unternehmen Technologien entwickeln und einsetzen, um ebendies zu ermöglichen. Andererseits sei der nachhaltige Anbau von Kaffeebohnen für die lokalen Gemeinden der Kaffeeanbauländer eine wichtige Einkommensquelle, Kaffeebohnen komplett zu ersetzen mithin ein Nachteil. Nachhaltiger Kaffeeanbau könne zur Biodiversität beitragen.

Wenig experimentierfreudig
Und im deutschen Markt? Der Kaffeereport 2022 bescheinigt, dass die Deutschen bei ihrem Lieblingsgetränk wenig experimentierfreudig sind. Die Befragten lieben vor allem seinen Duft bei der Zubereitung (82,9 Prozent), kaufen in der Regel im Supermarkt und achten auf Qualität. Wenn neue Sorten probiert werden, dann vor allem wegen des Geschmacks. Bei der Blindverkostung des Molekularkaffees im amerikanischen Markt wurde insbesondere der Cold-Brew-Charakter gelobt. Ein Nischenprodukt, worauf laut Kaffeereport 2022 in Deutschland gerade einmal 2,4 Prozent der Befragten zurückgreifen. Etwas anderes könnte hierzulande der Einführung des Molekularkaffees im Wege stehen: die deutsche Kaffeeverordnung, in der festgelegt ist, dass Kaffee aus 100 Prozent Kaffee bestehen muss.

„Dieses Kaffee-Reinheitsgebot schätzen Konsumenten sehr“, so der Deutsche Kaffeeverband. Das äußere sich unter anderem dadurch, dass Kaffee, der zu 100 Prozent aus Kaffeebohnen bestehe, weiterhin das meistgetrunkene Getränk in Deutschland sei – Tendenz der Literzahl pro Kopf seit Jahren steigend. „Es gibt somit keine Abkehr des Konsumenten vom Originalprodukt“, betont der Verband. Wichtig sei in diesem Kontext also hervorzuheben, dass Kaffeeersatzprodukte nach deutschem Recht in der Bundesrepublik nicht als „Kaffee“ deklariert werden dürfen.

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Bild öffnen Moleküle für Geschmack und Farbe wurden im Labor entschlüsselt.

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