Wenn die Trendforscherin Karin Tischer einmal im Jahr ihren Bericht „Food Zoom“ präsentiert, spitzen auch Verantwortliche des Lebensmitteleinzelhandels gerne die Ohren. Schließlich entsteht der Bericht in Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der Fachmesse Internorga in Hamburg.
Was Karin Tischer jüngst zum Verbraucherverhalten geschildert hat, lässt sich ebenfalls auf das LEH-Feinkost-Segment münzen. „Besonders in diesen Zeiten“, sagt die erfahrene Expertin, „ist es wichtig, für die Menschen attraktiv zu bleiben, Neues anzubieten und durch internationale Booster Begehrlichkeiten zu schaffen.“ Die LEH-Kunden möchten, ähnlich wie die Gäste in der Gastronomie, überrascht werden und „einen Mehrwert erleben“.
Auf diesen internationalen Booster setzt auch das Unternehmen Heinrich Kühlmann. Dessen Marketingleiterin Frauke Sych verrät LP: „Für uns wird die Kategorie Hummus in diesem Jahr eine große Rolle spielen“, ohne dass die Feinkostsalate ihre Relevanz verlieren sollten. Hintergrund sei die wachsende Popularität der Levante-Küche in Deutschland. Die eigentliche Heimat dieser Küche, zu der eben auch Hummus als Püree aus pürierten Kichererbsen zählt, ist der Raum östlich des Mittelmeeres. Mit Ländern wie etwa Libanon, Syrien oder Israel. Die Levante-Küche hat den Charakter von „Social Food“: Viele ihrer Gerichte sind für mehrere Personen oder zum Teilen angelegt. Das passe zur Gegenwart, findet Kühlmann-Managerin Sych: „Gerade in krisengeprägten Zeiten gewinnt das Zusammenkommen mit Familie und Freunden an Bedeutung.“
Feinkost mit klarer Optik
Wird Levantinisches zelebriert, ist der vorgekochte Weizen Bulgur oft nicht weit. Die Deutsche See unternimmt mit dem Bulgursalat ihrer Feinkostmarke Beeck einen Ausflug in den Orient, der sich nach Einschätzung von Andreas Kremer im Zuge des Länderküchen-Trends an der LEH-Bedientheke gut vermarkten lässt: Dieser Salat mit roter Paprika und Frühlingszwiebeln wird mit Petersilie und einer klaren Vinaigrette mit leichter Currynote verfeinert. Kremer ist Direktor Unternehmenskommuni-kation beim nationalen Marktführer für Fisch und Meeresfrüchte. Gegenüber LP stellt er fest: „Die Verbraucher greifen gerne mal zu vegetarischen Alternativen zu Fisch und Fleisch. In Bezug auf Feinkost sind sie experimen-tierfreudiger geworden.“ Statt des klassischen Nudel- oder Kartoffelsalates dürfe es dann ab und zu eine Variante mit Couscous oder Quinoa sein, so Kremer. Oder mit Bulgur. Das Kundeninteresse an „Feinkost mit klarer Optik“ sei tendenziell hoch, fügt er hinzu. Bei Feinkost mit klarer Optik denkt er an viele Zutaten und wenig Dressing sowie frisches Gemüse und Kräuter in kräftigen Farben.
Laura Englert, Juniorchefin der Feinkostmanufaktur Englert, zeigt auf der Weltkarte auf eine andere Ecke als den Orient. In Japan ist die Nudelsuppe Ramen fester Teil des Alltags. Und auch in Deutschland haben inzwischen zahlreiche Ramen-Bars eröffnet. Wer sich nicht in der Gastronomie bekochen lassen möchte, hat allerdings ein gewisses Problem: Die Herstellung der Brühe – und sie ist für die Suppe das Nonplusultra – gilt als besonders aufwendig.
Hier möchte sich Englert als Retter in der Not betätigen. Zusätzlich zu mehreren veganen und vegetarischen Fertiggerichten und Eintöpfen wurden nun vier Sorten Ramen-Brühen gelistet. „Wir nehmen den Kunden den hauptsächlichen Aufwand ab“, schildert Laura Englert. „Die klassisch gekochten Brühen aus Fleischknochen, asiatischem Gemüse und Wurzelgemüse köcheln stundenlang bei Niedrigtemperatur im Kessel.“ Durch Zugabe von Fleisch, Gemüse und beispielsweise Ei könne sich der Kunde das Gericht bequem, schnell und preisgünstig „zu Hause selbst zaubern“.
Dolce-Vita-Momente im Sommer
Die Karte des internationalen Boosters zücken zwar ebenfalls die Firmen BonRill und Wolfram Berge Delikatessen mit ihren Feinkost-Angeboten. Aber sie konzentrieren sich auf den europäischen Kontinent. BonRill aus Belgien hat über seinen deutschen Vertriebspartner Uplegger Food Company eine Charmeoffensive gestartet. Die rückt die neuen, pflanzlichen Sea-Food-Salate von BonMush in den Fokus: Statt auf Meeresfrüchten basieren sie auf Austernpilzen. BonRill verwandelte sich in der fünften Generation von einer Metzgerei zu einem vegetarisch-vegan ausgerichteten Unternehmen: In den ehemaligen Schweineställen in Flandern wachsen seitdem Austernpilze.
Italien hat es Wolfram Berge angetan (siehe auch Seite 68). Neu im Sortiment des Familienbetriebes sind neben einem Paprika-Gelee eine am Firmensitz im Oberbergischen abgefüllte Bruschetta-Gewürzzubereitung und die Gewürzmischung Fleur de Sel Tomate-Mozzarella. Angestrebt würden „Dolce-Vita-Momente“ vor allem für den lang ersehnten Sommer.
Lust wecken bei Jung und Alt
Bei allem Streben in die große weite Welt: der Drang nach Regionalität, wie er sich in Studien und Umfragen genauso zeigt wie in den Verkaufszahlen – er spiegelt sich ebenfalls deutlich im Feinkost-Bereich wider. Regionale Verankerung, vielleicht auch eine Traditionslinie als Tüpfelchen auf dem i– schön und gut, aber darauf ausruhen sollte man sich wohl nicht. Beispiel Schamel: Bei dem 1846 gegründeten Lebensmittel-Pionier, der 1914 erstmals Meerrettich im Glas angeboten hatte, sei genau diese unternehmerische Denke ein wichtiger Konzeptbestandteil. Geschäftsführer Matthias Schamel auf LP-Anfrage: „Wir wollen bei Jung und Alt Lust auf Meerrettich wecken.“ Die Zeiten, in denen das Produkt nur zu Klassikern wie Tafelspitz und Lachs gepasst habe, seien vorbei.
Inzwischen sind im Schamel-Sortiment unter anderem zusätzlich exotische Sorten mit Mango, Feige oder Preiselbeere zu finden. Was jedoch geblieben ist und bleiben soll: Noch heute werden jeden Tag in der Produktionsstätte im bayrischen Baiersdorf handverlesene Wurzeln gerieben und nach uralten Rezepten zu Feinkost veredelt.