Backstation statt Bäckerei Der Preis bleibt heiß

Die Bundesbürger sparen beim frischen Brot. Davon profitieren auch die Vollsortimenter. Selbst wenn die Discounter wieder Terrain wettmachen.

Dienstag, 21. Februar 2023 - Sortimente
Susanne Klopsch
Artikelbild Der Preis bleibt heiß
Bildquelle: Adobe Stock

Da gibt es nichts dran zu rütteln: Seit Jahren kaufen die Bundesbürger immer weniger Brot- und Backwaren. Auch im Lebensmitteleinzelhandel (LEH). Ein Blick auf die Marktzahlen für den LEH von NielsenIQ belegt: Der Absatzrückgang ist sowohl in Packungen als auch in Kilogramm deutlich vorangeschritten. Die Mengenverluste bei den Packungen sind sogar größer als bei den abgesetzten Kilogramm (Entwicklung LEH und Drogeriemärkte, Vergleich der letzten 52 Wochen bis 4.12.2022).

Im vergangenen Jahr brachten die Folgen des Ukraine-Krieges eine ganz neue, zusätzliche Dynamik in den Markt. Vergessen wir nicht: Auch 2020 und 2021 waren die Preise für Saaten, für Butter, Energie, Weizen und Co. schon stark gestiegen. Durch den Ukraine-Krieg noch stärker. Hinzukamen Inflation und hohe Energiepreise. Die Reaktion der Verbraucher: Sie guckten wieder viel stärker auf die Preise. Die Discounter eroberten sich übers Jahr gesehen die in der Pandemie verlorenen Marktanteile zurück. Gleichzeitig sank auch die Einkaufsfrequenz der Bundesbürger. „Insgesamt kaufen weniger Haushalte weniger häufig“, sagt NielsenIQ-Expertin Silke Schmitt. „Und pro Einkauf landet weniger im Einkaufskorb.“

Dr. Susanne Eichholz-Klein (Projektleiterin des Bereichs Marketing Insights beim Institut für Handelsforschung in Köln, IFH Köln) kommentierte bereits Ende 2022 gegenüber der LP: „Die Kunden kaufen überlegter. Es wird wirklich nur das gekauft, was aktuell benötigt wird.“ Und es wandert eher das Weizenbrötchen in den Einkaufskorb als das etwas teurere Körnerbrötchen. Insgesamt zeichnete sich im zweiten Halbjahr aber laut NielsenIQ-Expertin Schmitt ab, dass „die Mengenverluste in LEH und DM trotz fortlaufend hoher Preiserhöhungen kleiner werden“. Gleichzeitig wurde auch wieder mehr in Promotionaktivitäten investiert.

Hoher Conveniencegrad
Der häufigere Einkauf beim Discounter führt zudem dazu, dass es übers Jahr auch ein deutliches Plus für Ab- und Umsätze an den Backstationen gab (s. S. 48). Eine zum großen Teil discountgetriebene Entwicklung. „Discounter haben in der Regel keinen Vorkassenbäcker, daher gewinnen die Backstatio-nen“, sagte Eichholz-Klein.

Schaut man sich die Nielsen-Zahlen an, die eine zum Teil deutliche Steigerung bei den kleinen Supermärkten und den Verbrauchermärkten sehen, wird die Absatzverschiebung weg von den Handwerksbäckern oder denen in der Vorkassenzone deutlich. Brote, Brötchen, Laugenstangen und Co. werden nun eher frisch an den Backstationen des Handels gekauft.

Gute Chancen also für Vollsortimenter, Kunden mit einem interessanten Angebot anzusprechen und zu halten. „Der Back- und Präsentationsqualität kommt noch mehr Bedeutung zu, um den Kaufimpuls auszulösen“, sagt Steffen Göhringer, Director Marketing Aryzta Deutschland. Generell gehe der Trend zu Produkten mit einem höheren Conveniencegrad. Göhringer nannte die neuen Pide-Snacks mit sichtbaren Füllungen oder den Käsekrainer-Snack von Aryzta als Beispiel.

Auf französische Klassiker wie Croissants (ungefüllt und gefüllt) oder Schokobrötchen für die Backstation setzt Délifrance Deutschland auch für 2023, da „die Nachfrage ungebremst ist“, wie Christina Köstler (Marketing) sagt. Verbraucher griffen zudem trotz höherer Preisstellung bei handwerklich rustikalen Brotprodukten zu. Robert Maaßen, Country Commercial Manager DACH bei Vandemoortele, sieht für die Backstationen generell Produkte mit Mehrwert als Erfolgsbringer: „Der Verbraucher bleibt auch nach der Pandemie an einer bewussten und gesunden Ernährung stark interessiert.“

Gerade in Zeiten teurer Energie und des Personalmangels liegt es im Interesse der Hersteller von Produkten für die Backstation, dem Handel Problemlösungen zu bieten. Vor allem Letzteres verlangt ein einfaches und gelingsicheres Handling. Vandemoortele gelang es laut Maaßen, diese Voraussetzungen durch neue Produktkonzepte zu erreichen. Konkreter wird Steffen Göhringer von Aryzta: „Wir prüfen, wie wir bei bestehenden und neuen Produkten mit einer Verkürzung der Antauzeit und fertig gebackenen Produkten den Aufwand für unsere Kunden reduzieren können.“

Abwechslung für Hersteller Pflicht
Toast und Sandwiches legten im SB-Regal vergangenes Jahr ordentlich zu (s. auch S. 45 sowie Tabelle S. 47). Und das trotz einer doch signifikanten Preissteigerung, die die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) für das Jahr 2022 auf 14 Prozent beziffert (Consumer Index 12/2022). „Dennoch bleibt Toastbrot das günstigste Brotangebot.“ Ein weiterer Trend laut GfK: Es werde mehr Brot als Brötchen etc. gekauft. „Der Preis pro Kilogramm ist für Kleingebäck zweieinhalbmal so hoch wie für Brot, sodass die Haushalte hier viel Geld sparen können.“ Übers Jahr verloren frische feine Backwaren (Kuchen, Torten) etwa 14 Prozent Umsatz, frisches feines Kleingebäck (süße Teilchen, Plunder) fast 8 Prozent.

Dabei will der Verbraucher aber immer auch Abwechslung. Auch bei Toast und Sandwich. Lieken launchte erst jüngst die Golden-Toast-Sandwiches in den Varianten Bio-Weizen sowie Bio-Hafer (je 375 Gramm) und spricht schon jetzt von einem Erfolg. „2023 werden wir noch weiter in Richtung bewusster Genuss gehen mit Zutaten in Bio-Qualität für Produkte, die sowohl preiswert als auch hochwertig sind“, sagt Felix Neuberger, Head of Marketing Lieken. Unter der Marke Golden Toast werde zudem das „preissensible Einstiegssegment mit einem natürlichen Sattmacher-Sandwich“ bedient. Für die Schnittbrotrange Lieken Urkorn Lieblingsbrot kündigte Neuberger zudem eine Variante Dinkel-Roggen an.

„Das Markenbewusstsein ist bei Verbrauchern nach wie vor vorhanden“, sagt Frank Kleiner, CEO Harry-Brot. Verbraucher schätzten die Werte, für die die Marke steht, wie etwa Frische und Qualität. „In diesem Jahr werden wir zum Beispiel im Bereich Fertigbacken neue Produkte mit attraktiver Preisstellung und Trendzutaten auf den Markt bringen“, sagt Kleiner. Stark nachgefragt sei weiterhin die mit klassischem Sauerteig gebackene Anno-1688-Range.

Immer noch besser als 2019
Aufbackprodukte waren zu Hochzeiten der Corona-Pandemie Topseller, garantierten sie doch in den Lockdowns frisches Brot und Brötchen. Das Ende der Beschränkungen dämpfte nun die Absätze wieder. „Dennoch liegen wir über den Zahlen von 2019“, sagt Lena Sinnack aus der Geschäftsleitung des Handelsmarkenspezialisten Sinnack Backspezialitäten. Sehr zufrieden sind die Bocholter mit der Entwicklung der Bio-Landbrötchen: „Mit unserem Angebot, Bio-Aufbackbrötchen in einem sehr guten Preis-LeistungsVerhältnis zu bieten, getreu dem Motto ‚Bio darf kein Luxus sein‘, haben wir genau den Nerv getroffen.“ Besonders stark entwickelt haben sich während und nach der Pandemie die Tortillas – auch befeuert durch Reels auf TikTok und Instagram. „Zum Glück konnten wir 2022 durch den Ausbau unserer Produktionskapazitäten die steigende Nachfrage bedienen“, sagt Sinnack.

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