Herbaria Für Krisenfälle vorgesorgt

Bio-Gewürz-Spezialist Herbaria hat früh damit begonnen, sich für mögliche Gas- und Rohstoff-Engpässe zu wappnen. Mit welchen Maßnahmen, erklären Herbaria-Geschäftsführer Erwin Winkler und Einkaufschefin Annette Haugg im Gespräch mit der Lebensmittel Praxis.

Dienstag, 27. September 2022 -
Bettina Röttig
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Bildquelle: Herbaria

Raus aus der Preisdebatte und Abhängigkeiten abbauen: Immer wieder geht es im Gespräch mit Erwin Winkler, Geschäftsführer der Herbaria Kräuterparadies GmbH, um diese zwei Punkte. Der Hersteller und Vermarkter von Gewürzspezialitäten, Tees und Kaffee in 100-prozentiger Bio-Qualität gehört zur Salus-Gruppe und vertreibt die Produkte der Traditionsmarke Herbaria über den Bio-Fachhandel, konventionellen Lebensmitteleinzelhandel, Küchenhäuser sowie online.

Die breite Aufstellung erweist sich in der aktuell herausfordernden Zeit als umso bedeutender. Während der ersten zwei Pandemie-Jahre hatte Herbaria „eklatante Umsatzsprünge“ über alle Vertriebsschienen hinweg verzeichnet. Im Herbst 2021 ließ der Boom dann etwas nach, erzählt Winkler. Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine herrscht die nächste Krise, die für Rohstoffengpässe, steigende Preise und Verunsicherungen sorgt und sich besonders negativ auf die Umsätze im Bio-Sektor auswirkt. „Wir erleben im Bio-Fachhandel Einbrüche von 20 bis 30 Prozent je nach Warengruppe. In dem Dilemma stecken auch wir drin“, erzählt Winkler. In den konventionellen Supermärkten sei die Nachfrage stabiler.

Anstatt ins Jammern zu verfallen, ging Herbaria früh in die Offensive, um den vielfältigen Herausforderungen zu begegnen. „Wir haben durch die vorherige Krise die Lagerkapazitäten und Bestände hochgefahren. Das kommt uns jetzt zugute.“ Zwar ist auch Herbaria zum Teil von der allgemeinen Logistikproblematik betroffen – Kubebenpfeffer aus Indonesien etwa kam mit rund 6 Monaten Verspätung. „Das konnten wir jedoch abpuffern“, so Winkler.

Produktion wurde hochgefahren
Das Unternehmen aus Fischbachau nahe dem Schliersee bereitete sich bereits im vergangenen Frühjahr darauf vor, dass im Herbst/Winter 2022 zu wenig Gas verfügbar sein könnte. „Wir haben in den vergangenen Monaten so viel produziert wie nur irgend möglich, um mindestens bis April 2023 lieferfähig zu sein“, erklärt der Geschäftsführer. Dafür wurden zusätzliche Lager angemietet – eine Zusatzinvestition.

Sicher aufgestellt sei auch der Rohwareneinkauf, ergänzt Einkaufsleiterin Annette Haugg. Der Hersteller kauft so nah wie möglich und bezieht so gut wie keine Rohwaren aus der Ukraine. Ein Garant für zuverlässige Warenströme seien die engen Verbindungen zu den Lieferanten. „Man muss seine Produzenten sehr, sehr gut pflegen“, betont Haugg. Herbaria habe viele Vertragslandwirte über lange Jahre mit entwickelt, ihnen Sicherheiten gegeben.

Die enge Zusammenarbeit habe sich vor allem in den ersten zwei Corona-Jahren ausgezahlt, in denen der Absatz von Bio-Produkten nach oben schoss und Rohwaren knapp waren. So war es kein Problem, die erhöhte Nachfrage zu bedienen. Auch in der aktuellen Krise seit Beginn des Krieges in der Ukraine musste Herbaria nicht um die Rohwarenversorgung bangen, obwohl bei Senfsaat die Mengen aus Osteuropa fehlen. „Wir haben es geschafft, bei unserem Lieferanten für Bio-Senfsaaten ganz oben auf der Liste zu stehen“, betont Haugg.

Rohstoffkosten im Griff behalten
Höhere Kosten erhöhen jedoch den Druck auf Herbaria. „Wenn wir Preiserhöhungen, auch moderate, durchsetzen müssen, dann hält der LEH die Rote Karte hoch. Wir müssen sehen, wie wir gemeinsam mit den Handelspartnern zu Lösungen kommen“, so Winkler.

Bei Kaffee habe Herbaria steigende Kosten lange abgepuffert, aber bei Rohstoffen und bei der Rösterei Dinzler, mit der das Unternehmen kooperiert, seien die Kosten so stark explodiert, dass der Bio-Hersteller gezwungen ist, die Kaffee-Preise zu erhöhen. „Bei den Gewürzen leben wir davon, dass wir über die Rohstoffe hinweg mal günstiger, mal teurer einkaufen, diese Mischkalkulation funktioniert normalerweise, wenn keine großen Ausreißer wie zuletzt bei Vanille darunter sind.“

Wenn Herbaria die Preisexplosion allein schlucken und viele Gewürzmischungen mit hohen Vanille-Anteilen verkaufen würde, wäre man nächstes Jahr pleite, verdeutlicht Winkler. So wurden stattdessen Rezepturen überarbeitet, um die Preisexplosionen abfedern zu können. Nun schlagen jedoch drastisch erhöhte Verpackungspreise zu Buche. Allein für die Gewürzdosen aus Weißblech haben sich die Kosten verdoppelt. „Wir überdenken unsere Verpackungen, aber ohne Preiserhöhungen schaffen wir es nicht“, sagt er. Genau jetzt gehe es darum, zusammenzustehen in der Branche – auch wenn es darum gehe, Abhängigkeiten abzubauen, appelliert er.

Abhängigkeiten reduzieren
Jedoch: „Es wird zu viel über Preise diskutiert und zu wenig darüber, was vor- und nachgelagert erreicht werden könne, wenn die Ernährungswende gelänge.“ Abhängigkeiten zu verhindern und abzubauen sei auf der Bio-Ebene leichter zu erreichen als in der konventionellen Landwirtschaft, führt der Geschäftsführer den Gedanken aus. Also je mehr Bio-Landwirtschaft, desto weniger Abhängigkeit von chemischen Düngemitteln und Pestiziden, die in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt werden, seit Ausbruch des Ukraine-Krieges jedoch knapp geworden sind. Auch resilientere Böden und mehr Artenvielfalt, die eine bessere Anpassung an das sich verändernde Klima gewährleisten, tragen zu mehr Unabhängigkeit bei. „Hier sehen wir auch den Verbraucher in der Pflicht.“ Vor dem Hintergrund der aktuellen Dürre und der schon erlebbaren Folgen des Klimawandels müssten Verbraucher auch in der aktuellen Krise sagen: Jetzt greifen wir erst recht zu Bio.

Zum Unternehmen

Die Herbaria Kräuterparadies GmbH wurde 1919 als Tee- und Heilmittelfirma gegründet. Seit Anfang der 1980er-Jahre werden Öko-Produkte an den Naturkostfachhandel geliefert.
Heute wird die Marke Herbaria auch über den konventionellen LEH, online und über Küchenhäuser vertrieben. Herbaria ist seit 1997 EMAS-zertifiziert, seit 2019 nach EMASplus. Die Zertifizierung steht für ganzheitliches Nachhaltigkeitsmanagement.

Weiterentwickeln will Herbaria Projekte zum heimischen Bioland-Anbau von Kräutern. Auf Mengenbasis sind zwischen 5 und 8 Prozent der eingesetzten Rohwaren regionaler Herkunft. Viel mehr sei leider nicht möglich, „es sei denn, wir machen noch viele Gartenkräuter-Produkte“, so Haugg. Ein zartes Pflänzchen gedeiht aktuell auf den Flächen eines experimentierfreudigen Landwirts, der bereits bayerischen Koriander an Herbaria liefert.

Experimente beim Gewürzanbau
Er testet aktuell den Bio-Anbau von Szechuan-Pfeffer in einem Agroforstprojekt. Als Dauerkultur zwischen den Reihen anderer Feldfrüchte angebaut, soll dieser Erosion vorbeugen, Wasser besser im Boden halten und ab der ersten Ernte auch in den asiatischen Herbaria-Gewürzmischungen verwendet werden.

Auch direkt am Schliersee will Herbaria den Anbau von Kräutern anstoßen, um Bioland-Bauern ein Zubrot zu ermöglichen und zur regionalen Wertschöpfungskette beizutragen. Winkler: „Wir haben hier eigentlich nur Milchwirtschaft und Grünland. Die Milchbauern jammern immer über den niedrigen Milchpreis und einer nach dem anderen gibt auf, weil die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben ist. Daher stellte sich mir die Frage, ob wir den Milchbauern zusätzliche Umsätze bescheren können, wenn sie zusätzlich Kräuter für uns anbauen, und wenn es nur Löwenzahn ist für Tee oder Blüten für Mischungen.“