Abendbrot Altbekanntes neu gedacht

Hersteller von Brot- und Backwaren sowie Feinkostsalaten sehen in sich verändernden Essgewohnheiten beim Abendbrot keine Gefahr, sondern viel eher neue Chancen. Die Kundenansprache hat sich angepasst.

Dienstag, 18. Januar 2022, 11:08 Uhr
Robert Schmidt
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Wie macht sich der Wandel am neu gedeckten Abendbrot-Tisch bei den klassischen Brotmarken bemerkbar? Prof. Dr. Ulrike Detmers, geschäftsführende Gesellschafterin der Mestemacher Management GmbH und Sprecherin der Mestemacher-Gruppe, blickt positiv auf die Marktentwicklung: Das gesetzte Netto-Umsatzziel von 152 Millionen Euro konnte erreicht werden, die Produktionskapazitäten sind voll ausge‧schöpft. „Brotvielfalt ‚Made in Germany‘ zieht quasi die gesamte ‚Welt‘-Bevölkerung zum Genuss an“, betont Detmers. Food-Blogger kreierten mithilfe der Mestemacher-Brote klassische, vegane und vegetarische Snacks, die das Mestemacher-Marketing anschließend über soziale Medien verbreitet – „emotionalisierend und erlebnisorientierend“ sind Detmers zufolge zentrale Attribute des neuen Brot-Marketings. Derweil wird inhaltlich Wert auf die Bewerbung von High Protein, wertvollen Omega-3-Fettsäuren, Ballaststoffen sowie Broten ohne Mehl und Hefe gelegt.

Auch der Trend zum Selberbacken vermag Mestemacher nicht Wind aus den Segeln zu nehmen: „Die Nachfrage nach den Portfolios lang haltbarer Brote, von Tiefkühlkuchen und Knäckebroten sind auf einem hohen Niveau stabil.“ Das erreichen die Gütersloher durch die Vermittlung hoher Standards beim Brotbacken: Frisch gemahlenes Roggenschrot, reich an Mineralien und Vitamin B, werde in der heimischen Mühle verarbeitet und das Endprodukt durch das traditionelle Pasteurisieren – ohne Zusatz- und Konservierungsstoffe – haltbar gemacht. „Die Erwerbstätigen bevorzugen gesundheitsorientierte und kreative Köstlichkeiten zum zeitsparenden Zubereiten“, beobachtet Detmers. Auch in Zukunft will Mestemacher zur Stelle sein, um die Nachfrage nach hochwertigen Brotwaren zu bedienen: „Wir fahren mit voller Kraft voraus.“

Gesund und convenient zugleich
Felix Neuberger, Abteilungsleiter Marketing der Lieken Brot- und Backwaren GmbH, berichtet ebenfalls Positives: „Die Corona-Pandemie hat das klassische Abendbrot wieder mehr in den Fokus gerückt. Besonders die Segmente Sandwich und Aufbackware entwickeln sich sehr erfolgreich.“ Mit Schnittbrot, Toast und Sandwich, die den Hunger nach „flexiblen, mobilen und spontanen“ Snacks stillen, liege Lieken weiter im Trend. Auch Gesundheits- und Fitnesstrends bedient Lieken mit einem breiten Dinkelsortiment. „Hier sehen wir auf Konsumentenseite eine sehr große Nachfrage, zuletzt konnten wir mit dem ‚Lieken Urkorn Lieblingsbrot‘ aus 100 Prozent Dinkel ein erfolgreiches Produkt am Markt platzieren“, so Neuberger. Es habe sich mittlerweile eine regelrechte „Foodie-Szene“ in den Social-Media-Kanälen etabliert, die den Herstellungsprozess und den Genuss von Brot-Snacks wie denen von Lieken in Szene setzt. „Das Auge isst bekanntlich mit“, sagt Neuberger. „Brot ist schon lange nicht mehr ‚nur‘ Abendbrot.“

Vom Selbstback-Trend profitiert der Backkonzern aus der Lutherstadt Wittenberg auch durch die steigende Nachfrage nach Aufbackware. „Wir sind uns der Relevanz dieses Segmentes sehr bewusst und arbeiten beständig neue Konzepte aus, um diesem Verbraucherbedürfnis zu entsprechen“, sagt Neuberger und verweist darauf, dass dieser Trend weiter anwachsen dürfte. Dafür sorge der Wunsch nach Convenience und handwerklich anmutenden Produkten, ebenso das Bedürfnis zur Bevorratung, das gerade durch die Pandemie Verbraucher stark geprägt habe. Neuberger beobachtet darüber hinaus unterschiedliche Aspekte, die die Marke Lieken im Blick behalten müsse: etwa faire und transparente Lieferketten, Ursprünglichkeit und Umweltfreundlichkeit. „Wir sind uns der Konstanz – aber auch der Volatilität – der Verbraucher- und Handelsinteressen bewusst und beobachten die Märkte genau“, unterstreicht Neuberger.

Der Feinkost-Siegeszug
In der Pandemie konnte auch Popp, der deutsche Marktführer im Feld der Feinkostsalate, weiter zulegen. Lag Popps Umsatz 2019 noch knapp unter der Marke von 100 Millionen Euro, steigerte sich dieser 2020 auf 126, 2021 gar auf über 146 Millionen Euro. Alexander Schmolling, Marketingleiter der Popp Feinkost GmbH, sieht den einstigen Hidden Champion dank erfolgreicher Marktpositionierung in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Mit viel Auswahl im mittleren Preissegment vermochten die Feinkostsalate aus Kaltenkirchen sogar Kunden der Premiummarken für sich zu gewinnen, so Schmolling. Die Mahlzeit Abendbrot und die Marke Popp seien eng miteinander verbunden: „Wir sind Förderer des Abendbrots, es ist Teil unserer Mission. Hier finden wir statt.“ Diese Mission trägt Popp auch in die sozialen Medien – schnell findet man auf der Popp-Webseite etwa eine Verlinkung zum „Abendbrot-Magazin“.

Wie eine 2020 durchgeführte Studie der Marktforschungsberatung Mafowerk aufzeigt, werden Wurst und Streichwurst am Abendbrottisch zunehmend durch herzhafte Brotaufstriche ersetzt. In diesem Segment konnte Popp gegenüber der Erhebung von 2017 stark zulegen: War da nur knapp fünf Prozent der Befragten der Name Popp als Marke bekannt, wurde er drei Jahre später bereits von 29 Prozent spontan genannt – ein Aufstieg von Platz zehn auf Platz eins. Weiterhin will Popp mit seinen „Veganen Klassikern“ neue, jüngere Zielgruppen erreichen, ebenso aber auch ältere Konsumenten durch die Nachahmung der klassischen Fleisch- und Eiersalate. „Wir wollen nicht auf jeden Zug aufspringen“, wendet Schmolling ein. Die Kaufbereitschaft bei veganer Feinkost sei noch überschaubar, eine Marktbereinigung daher wahrscheinlich. Die gestiegene Nachfrage nach Convenience bewertet Schmolling schließlich als weitere Chance für die Marke Popp: Feinkostsalate seien flexibel und eben nicht nur als klassischer Aufstrich genießbar. „Wir haben den Nerv der Zeit getroffen.“