Kaffee Die gläserne Lieferkette

Mit Farmer Connect bringt Segafredo als erstes Unternehmen in Deutschland einen Kaffee auf den Markt, der die Lieferkette vom Strauch bis in die Tasse transparent macht. Michael Chrisment (Foto), Geschäftsführer von Farmer Connect, über den Versuch höherer Wertschöpfung.

Sonntag, 18. April 2021 - Sortimente
Elena Kuss
Artikelbild Die gläserne Lieferkette
Bildquelle: Farmer Connect

Transparenz! Das ist eine wichtige Forderung der Verbraucher weltweit. Fast alle großen Kaffeeanbieter nutzen verschiedene Siegel, um ihrem Engagement Nachdruck zu verleihen. Axel Kampmann, Vorstand von J. J. Darboven, setzt auf doppelte Zertifizierung, also Bio und Fairtrade. Aldi Nord bietet einen Bio-Kaffee aus der Fairtrade-Kooperative „La Florida“ an. Dallmayr hat mit Gran Verde im Juli 2020 ein Produkt eingeführt, das beide Siegel trägt. Segafredo krönt nun die Siegel Bio und Rainforest Alliance mit der Möglichkeit, über einen QR-Code auf der Packung die gesamte Lieferkette zurückzuverfolgen.

IBM-Blockchain-Technologie
Das ganze funktioniert mithilfe von Farmer Connect, einer App, die die Blockchain-Technologie von IBM einsetzt. Die Kaffeebohnen für die neue Produktlinie von Segafredo werden von 51 ausgesuchten Farmern in Honduras geliefert. Ein QR-Code auf der Packung macht Herkunft und Geschichte der Menschen hinter dem Kaffee für die Konsumenten transparent.

In Deutschland wird die neue nachhaltige Linie Segafredo Storia zunächst für den Konsumenten online und im Außerhausbereich über den Segafredo-Direktvertrieb erhältlich sein.

Nachhaltigkeit bleibt Trend
Während in den USA die Nachverfolgbarkeit mittels Blockchain bereits bei Supermarktriesen wie Walmart zum Einsatz kommt, halten sich deutsche Unternehmen zurück. Vielleicht, weil die meisten Unternehmen die Forderungen der Anspruchsgruppen nach Transparenz, Nachhaltigkeit, Lebensmittelsicherheit, Tierschutz und Null-Toleranzen auf ihrer Agenda haben und glauben, größtenteils sehr gut oder gut (82 Prozent) auf unbequeme Fragen und öffentliche Kritik vorbereitet zu sein. So das Ergebnis einer Studie der Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie.

„Transparenz bedeutet nur, dass man durchsichtig ist, vielleicht unsichtbar“, sagt Michael Chrisment, Geschäftsführer von Farmer Connect. Deshalb ist es eigentlich ein unpassendes Wort und obendrein eine schwierige Angelegenheit. Jede Information zu teilen ist nicht der richtige Weg. Chrisment erklärt diesen Gedanken mit einem Beispiel: „Wenn Sie einen Kaffee für 5 Euro kaufen, dann gehen im besten Fall 5 Cent an den Bauern. Wenn Sie diesen Betrag verdoppeln, ist das ein großer Zuwachs. Zugleich sind 10 Cent immer noch sehr wenig. Es ist wichtig, die Daten für den Verbraucher verständlich zu machen. Er braucht also die ganze Geschichte, um die Rückverfolgbarkeit zu verstehen.“

Die App Farmer Connect zeichnet deshalb auf einer Karte die komplette Reise des Kaffees vom Anbaugebiet über den Transport und die Rösterei bis hin zum Verpacken des fertigen Kaffees nach. Zusätzlich gibt es Informationen zu Nachhaltigkeitsprojekten in Honduras, die direkt über die App unterstützt werden können.

Die dafür notwendigen Informationen werden in der Blockchain hinterlegt und machen die Lieferkette auf diese Weise nachvollziehbar. Und vielleicht genauso wichtig: Die eingepflegten Daten sind nicht veränderbar. Nachträgliches Löschen ist nicht möglich.

„Für sich genommen, ist Blockchain nicht die Lösung für alles. Sie funktioniert am besten in Verbindung mit anderen Technologien sowie guter Governance und Standards. Wir sind ein Technologieunternehmen. Wenn es eine bessere Technologie gibt, werden wir sie nutzen und einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen“, stellt Chrisment klar. Im Moment gibt es aber keine bessere. „Wir wollen auch bestehende Kontrollmechanismen nicht ersetzen, sondern durch einen ständig aktualisierten Datenstrom ergänzen“, erklärt der Farmer-Connect-Chef. Bei der App geht es weniger darum, Risiken zu minimieren, als vielmehr darum, den Kaffeekonsum menschlicher zu gestalten – mit dem Ziel einer höheren Wertschöpfung.

Corona als Beschleuniger
Die Nachhaltigkeit sei auf dem deutschen Markt schon immer besonders wichtig und beliebt gewesen, sagt Claudia Brück, Vorstandsmitglied von Fairtrade. Auch Axel Kampmann von J. J. Darboven sieht hier einen Trend, der durch die Corona-Pandemie noch verstärkt wurde. Die Verkäufe im Lebensmitteleinzelhandel haben sich sehr positiv entwickelt – das gelte für biologischen Fairtrade-Kaffee, aber auch für fairen Kaffee ohne Biosiegel. 2020 waren knapp drei Viertel des Fairtrade-Kaffees auch biozertifiziert, so Brück.

„Wir sehen außerdem einen Trend, dass mehr und mehr Single-Origin-Kaffees angeboten werden oder Single-Issues-Kaffees, also zum Beispiel die Frauenkaffees von La Florida“, beobachtet der Fairtrade-Vorstand.

Lavazza gehört zu den wenigen Röstern, die mit der Untermarke Tierra lieber einen eigenen Weg gehen. Man sei hier im Distributionsaufbau, den Lavazza verstärkt kommunikativ begleiten wolle. In den letzten zwölf Monaten sei der Absatz mit der Tierra-Range mehr als verdoppelt worden. Doch ganz ohne Siegel will die Subbrand auch nicht auskommen und trägt das EU-Bio-Siegel sowie die Rainforest-Alliance-Zertifizierung.

Nichts schlägt Promotions
Zur Realität gehört jedoch auch, dass Kaffee ein Segment ist, das sehr promotiongetrieben ist. Nadine Filips von Rewe Filips in Dortmund sagt: „Es verkauft sich immer noch der Kaffee am besten, der gerade im Angebot ist.“ Das unterstützen Untersuchungen von Nielsen, die den Absatzeinbruch im Frühjahr 2020 mit den ausgebliebenen Promotions erklären.

Johannes Dengler, Mitglied der Geschäftsleitung Alois Dallmayr Kaffee, bestätigt dieses Ergebnis für das eigene Unternehmen nicht: „Unsere Marken im Lebensmittel-Einzelhandel gerieten preislich leider unter Druck, sodass wir bewusst auf Promotionaktivitäten verzichtet haben. Dennoch hat sich der Absatz im Lebensmitteleinzelhandel zum Vorjahr erhöht.“

Dengler fordert deshalb einen Paradigmenwechsel. „Der Handel muss erkennen, dass alte, eingestaubte Marken-Preis-Architekturen nicht mehr zeitgemäß sind“, sagt der Geschäftsleiter. Marken, die nur über den Preis funktionierten, müssten insbesondere im Röstkaffeebereich entkoppelt werden.

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