Sie haben in Großbritannien zu E-Commerce promoviert. Welche Bedeutung hat das Thema für Arla in Deutschland?
Marcel Hahne: Man muss zwischen verschiedenen Ansätzen unterscheiden. Auf der einen Seite haben wir Händler wie Rewe, die sowohl stationäre Geschäfte als auch Online-Shops betreiben. Das Sortiment unterscheidet sich hier deutlich von Anbietern wie Flink, die auf On-Demand-Lieferungen spezialisiert sind. Verbraucher sitzen bei schönem Wetter im Park und möchten innerhalb weniger Minuten beispielsweise zehn Starbucks-Eiskaffeebecher oder Milka-Schokoladenmilch-Drinks bestellen. In diesem Bereich sind wir sehr aktiv und können viele Erkenntnisse gewinnen. Diese Test- und Lern-Szenarien lassen sich möglicherweise auch auf den gesamten Lebensmitteleinzelhandel und das reine Offline-Geschäft übertragen.
Flink sprachen Sie schon an. Mit welchen weiteren Partnern arbeiten Sie aktuell zusammen?
Flink ist einer von vielen Partnern. Wir arbeiten mit allen großen Anbietern zusammen. Flink ist sicherlich einer der bedeutendsten Pure Player, aber jeder hat eine unterschiedliche Käuferschaft. Bei Amazon zum Beispiel kaufen die Kunden eher in größeren Mengen ein. Deshalb wollen wir das gesamte Spektrum abdecken. Das ist auch der Kern unserer Reorganisation im Vertrieb: Wir denken mehr in Kanälen als in einzelnen Kunden, weil die Kanäle für uns extrem wichtig sind. Das hätte ich in der Molkereibranche nicht gedacht, aber es ist so.
Und wie bespielt Arla den Kanal Lebensmitteleinzelhandel?
Hier machen wir viel Instore-Brand-Activation, beleben also das Regal und platzieren Innovationen gut. Ein spezieller Fokus liegt auf dem Bereich milchbasierte Getränke, also Convenience-Produkten wie unseren beiden Lizenzmarken Milka-Schokoladenmilch-Drinks und Starbucks-Eiskaffee. Mit Milka als neuer starker Lizenzmarke neben Starbucks sind wir im Convenience-Bereich sehr gut aufgestellt. In diesem Kanal sehen wir noch enormes Wachstumspotenzial, besonders im On-the-Go-Bereich. Und obwohl unsere neuen Milka-Schokoladenmilch-Drinks erst seit Juni in den Regalen sind, ist die Resonanz sehr positiv.
Können Sie das in Zahlen ausdrücken?
Bis wir die Nielsen-Zahlen haben, dauert es noch ein bisschen. Aber wir sehen jetzt schon, dass die ersten Bestellungen unsere Erwartungen übertreffen. Milka ist da wirklich ein Zugpferd. Auch die Händler bestätigen uns, dass Milka eine starke Marke ist, die zieht.
Wettbewerber im To-go-Bereich setzen auf die trendige Dose. Warum Arla nicht?
Wir haben bereits unsere Erfahrungen mit Dosen gemacht und festgestellt, dass diese nicht so gut funktionieren wie andere Verpackungen. Deshalb haben wir uns komplett von Dosen verabschiedet und konzentrieren uns jetzt bei unseren Starbucks-Produkten auf den Bereich Chilled-Cup-Becher und Multi-Serve-Karton. Und bei den Milka-Schokoladenmilch-Drinks differenzieren wir uns, indem wir neben Cups und Multi-Serve-Kartons auch PET-Flaschen einführen. So haben wir für die Bedürfnisse in den verschiedenen Vertriebskanälen das passende Angebot.
Soll das neue „Buko fürs Kochen“ mit Crème fraîche, Kochsahne, Kochcreme und anderen Produkten zum Verfeinern auch Differenzierung schaffen?
Der Trend zum Kochen zu Hause nimmt weiter zu. Allerdings sehen wir auch, dass Deutschland beim Kochen mit Molkereiprodukten im europäischen Vergleich noch Potenzial hat und besonders weit hinter den nordischen Ländern zurückliegt. Unsere Arla-Website ist zum Beispiel in Schweden die größte Rezeptplattform mit Tausenden Kochideen. Hierzulande nutzen nur 56 Prozent der Menschen Molkereiprodukte zum Kochen, während es in den Nordics über 70 Prozent sind. Dieses Potenzial wollen wir ausschöpfen, was auch dem Handel Zusatzumsatz bringt.
Thema Nachhaltigkeit. Arla hat ein Programm unter dem Begriff „Farm Ahead Customer Partnership“ gestartet. Was bringt das dem Lebensmittelhandel?
Seit 2020 führen wir auf Arla-Höfen sogenannte Klima-Checks durch, an denen mittlerweile 97 Prozent unserer Landwirte teilnehmen. Über ein Anreizmodell, das im Wesentlichen auf Daten des Klima-Checks beruht, erhalten die Landwirte dann einen Zuschlag beim Milchgeld. Mit diesem punktebasierten Modell werden die Milchbauern für ihre Maßnahmen, die zu einem besseren Klima- und Umweltschutz beitragen, belohnt. Das Geld, das so hereinkommt, kann wiederum auch in Nachhaltigkeitsmaßnahmen auf den Höfen fließen, wie Solarpanels auf den Dächern oder einen Zusatzstoff für die Güllelagerung, um die Methan-Emissionen zu reduzieren. Durch die Klima-Checks kennen wir den individuellen CO2e-Fußabdruck unserer Höfe und können konsolidierte Daten auch unseren Kunden zur Verfügung stellen. Unser Ziel ist es, die Emissionen in der Milchwirtschaft deutlich zu senken und auch unsere Kunden bei der Erreichung ihrer Klimaziele zu unterstützen.
Aber gibt es überhaupt eine Nachfrage von Kundenseite?
Ja, die Nachfrage ist groß. Denn ein Großteil der Einzelhändler hat mittlerweile ebenso wie wir seine Klimaziele von der Science Based Targets Initiative evaluieren und bestätigen lassen und legt zunehmend einen Fokus auf die Reduktion der sogenannten Scope-3-Emissionen. Also aller indirekten Treibhausgas-Emissionen, die nicht direkt von ihnen stammen, wie zum Beispiel von eingekauften Milchprodukten. Dafür brauchen sie uns. Wir bieten ihnen im Rahmen unserer „Farm Ahead Customer Partnership“ konsolidierte Daten der Arla-Höfe mit CO2e-Fußabdruck pro Kilogramm Milch, anrechenbare CO2e-Reduktionen für ihre ESG-Berichterstattung und Zugang zu Klimaprojekten auf den Höfen. Das ist eine Win-win-Situation für alle: das Klima, unsere Landwirte und den Handel.
Zur Person
Dr. Marcel Hahne
ist seit Juni 2023 Vertriebschef der genossenschaftlichen Molkerei Arla Foods in Deutschland. Die vorherigen Stationen des promovierten Diplom-Kaufmanns: Mars Petcare, Barilla, Dalli-Werke, Aldi Süd und MCM Klosterfrau.