Komplexe Logistik Jeden Tag über alle Berge für die Milch

Franz Foisner kennt die Bergbauern rund um den Watzmann. Er fährt ihre Milch nach Piding zur Molkerei Berchtesgadener Land. Was nach monotonen Fahrten klingen mag, entpuppt sich als Abenteuertour.

Freitag, 16. Februar 2024 - Molkereiprodukte
Dr. Friederike Stahmann
Artikelbild Jeden Tag über alle Berge für die Milch
Bildquelle: Dr. Friederike Stahmann

Morgens 5 Uhr an einem frostigen Januartag in der südöstlichsten Gemeinde Deutschlands: Die Halle des Fuhrunternehmens Maltan in Schönau am Königssee ist hell beleuchtet. Um diese Uhrzeit wuselt hier nur einer geschäftig herum: Franz Foisner. Bevor Franz Foisner mit dem ersten Schluck Kaffee aus dem Thermobecher seine Müdigkeit vertreiben kann, muss der Laster gecheckt werden. Die Maschine muss laufen, denn der Tourenplan ist eng getaktet: „Die Landwirte können sich auf mich verlassen wie auf den Busfahrplan.“ Verspätungen oder Ausfälle sind ein No-Go. Eigentlich. Ausgenommen höhere Gewalt. Und genau die droht heute wegen der Bauernproteste.

Wenige Minuten nach dem Start aus der Halle ist der erste Milchviehbetrieb erreicht. Und damit die erste Herausforderung des Tages. Franz Foisner rangiert den Milch-Tankwagen wie in einer Art Geschicklichkeitsparcours vorbei an gleichzeitig rechts und links überstehenden Dachrinnen und auf dem Boden liegenden Blechen zur ersten Milchkammer. Auf dem Hof ist noch keiner wach. Foisner schraubt den blauen Saugschlauch des Milchsammelwagens an den Stutzen des Hoftanks. Es bleibt gerade mal Zeit, den Angebotsflyer der Molkerei – die Landwirte können wöchentlich über den Frischdienst der Molkerei Rücklieferungen bestellen – an den Tank zu klemmen. Schon sind rund 600 Liter Rohmilch eingesaugt. Über GPS wird die abgeholte Menge dem Landwirt zugeordnet. Auch, dass die Milch in die Kammer für Bergbauernmilch fließen muss, „weiß“ der Milchsammelwagen. Insgesamt kann Foisner fünf Qualitäten getrennt im Lkw lagern: Bergbauernmilch, konventionelle, Biomilch in Demeter- und Naturlandqualität sowie Milch von Betrieben, die ihre Kühe ausschließlich in Anbindung halten. Letztere wird in den Markenprodukten der Molkerei aber schon seit 2020 nicht mehr verarbeitet.

Es geht weiter. Wir fahren über Land. Unvermittelt im Nirgendwo stoppt Foisner den Laster, dreht und hält an. „Wahlbaumkreuzung“, kommentiert er kurz auf Nachfrage. Was nicht gerade wie eine Boomregion aussieht, wird Sekunden später zum Hotspot. Wie auf ein geheimes Zeichen hin tauchen plötzlich aus mehreren Richtungen Autos mit kleineren und größeren Tanks auf zwei Rädern auf. Foisner klettert aus dem Lkw, nimmt den Saugrüssel in die eine und ein Lesegerät in die andere Hand. Das erste Auto hält direkt neben ihm. Ein kurzer Gruß. Foisner scannt den Chip auf der Kanne. Da sich die Tanks am Sammelpunkt nicht eindeutig per GPS dem Besitzer zuordnen lassen, sind sie mit einem Datenchip ausgestattet. Weiter geht’s. Saugrüssel rein, ein zischendes Geräusch, ein Kontrollblick, der Schlauch wird mit dem Fuß Richtung Lkw gekickt und schon gibt der Autofahrer Gas und verschwindet in der Dunkelheit. Die Szene wiederholt sich acht Mal.

Auch auf dem Parkplatz der Watzmann-Therme in Berchtesgaden wird Foisner erwartet. In Reih und Glied stehen Autos und Milchkannen bereit. Es bleibt etwas Zeit für Nachfragen bei den Umstehenden. „Jetzt geht es an die Arbeit“, meint ein Bauer zur Begrüßung. Wie er meint: Mehr als 50 Prozent der an die Berchtesgadener Molkerei Anliefernden hier rund um den Watzmann täten das im Nebenerwerb. Davon leben könnten viele nicht. Das Haupteinkommen bringen Angebote wie Urlaub auf dem Bauernhof oder eine Alm mit Gastronomie am Königsee. Eine Jungbäuerin „geht zum Geldverdienen“ in eine Steuerkanzlei.

Über dem Abgrund
Die Fahrt geht weiter. Kurz vor der Grenze zu Österreich biegt der Milchwagenfahrer in eine holprige Privatstraße ab. „Puh, heute ist die Kurve mal eisfrei“, kommentiert er erleichtert. Es geht bergauf. Steil bergauf. Und kurvenreich. „Ein Zuckerl beim Hochfahren“, grinst der Milchfahrer und lässt die Fahrerkabine in einer Rechtskurve über dem Abgrund schweben. Zwangsweise. Anders würde er den Dreiachser mit einer Ladekapazität von 16.000 Litern im Auflieger hier nicht hochbekommen. Eingesammelt werden auf dem Einsiedlerbetrieb wenige Hundert Liter Milch. Im Durchschnitt halten die 1.600 Lieferanten der Berchtesgadener-Land-Molkerei 27 Kühe und erzeugen damit durchschnittlich 600 Liter Milch am Tag. Es geht weiter in die Ramsau. Der größte Betrieb auf der morgendlichen Tour hält 100 Fleckviehkühe. Stefan Gruber begrüßt uns. Bei der hier abzupumpenden Milchmenge ist Zeit für einen Plausch. Am hellen Offenfrontstall mit Blick auf die Fleckviehherde geht es – wie könnte es anders sein – um die aktuellen Milchpreise, um Zucht und langlebige Kühe.

Trotz der Bauerndemos kommt Foisner an diesem Tag pünktlich – also 30 Kilometer nördlich vom Ausgangsort der Tour – in Piding am Molkereitor an. 11.000 Liter Milch im Anhänger und 8.300 im Lkw fließen durch mehrere Schläuche – je nach Sorte – in die großen Tanks der Molkerei. Franz Foisner muss weiter. Die Traunsteiner-Runde steht noch an.

Neue Produkte

Viel gelesen in Hersteller

News in Molkereiprodukte