Molkereiprodukte Zucker langsam reduzieren

Jahrhundertelang war Zucker ein begehrtes Gut, heute gilt er als süßes Gift. Kein Wunder also, dass Joghurts und Desserts zuckerreduziert oder gar als Zero-Zucker-Varianten auf den Markt kommen.

Mittwoch, 25. Oktober 2023 - Molkereiprodukte
Dr. Friederike Stahmann
Artikelbild Zucker langsam reduzieren
Bildquelle: Adobe Stock

Ein ausgewogener Lebensstil scheint auf dem Weg, zur neuen Normalität zu werden – und zum Lifestyle. „Protein, Zuckerreduktion, Convenience und generell gesunde Ernährung sind die neuen Schlagworte“, ist sich Oliver Bartel, Global Head of Corporate Communications der größten deutschen Molkerei, DMK, sicher. Dem pflichtet Irmgard Strobl, Leitung Marketing und Produktentwicklung bei der bayerischen Privatmolkerei Andechs, bei: „Gerade bei Produkten des täglichen Bedarfs wird immer stärker auf die Inhaltsstoffe und eben auch den Zuckergehalt geachtet.“

Damit scheint ein Teil der nationalen Reduktions- und Innovationsstrategien für Fett, Zucker und Salz des Bundeslandwirtschaftsministeriums gezündet zu haben. Die hat die Ernährungskompetenz von Verbrauchern im Blick, um aus der Vielzahl von Lebensmitteln im Supermarkt diejenigen auswählen zu können, die im Hinblick auf den Energiegehalt und die Nährstoffzusammensetzung günstiger sind. Als objektive Entscheidungshilfen stehen dazu die Nährwertkennzeichnungen und der Nutri-Score zur Verfügung. Von Verboten bestimmter Lebensmittel hält man im Ministerium nichts. Der mündige Bürger stehe im Vordergrund.

Ran an die Rezepturen
Weil die erhöhte Ernährungskompetenz der Endkunden allein nicht ausreicht, beinhalten die Reduktions- und Innovationsstrategien auch die Nährwertoptimierung der Rezepturen beispielsweise von Milchprodukten. Wirtschaftsverbände haben sich vor einigen Jahren verpflichtet, die Energiezufuhr zu senken und damit die Nährstoffversorgung der Bevölkerung zu verbessern.

Diese Message ist bei den Molkereien angekommen. „Wir gehen die Zukunftsthemen in der Ernährung gezielt an – dazu zählt eben auch der Verzicht oder die Reduktion von zugesetztem Zucker in unseren Produkten, ohne dass der Konsument dabei ein Gefühl von ‚Geschmacks-Verzicht‘ in Kauf nehmen muss“, beschreibt Bartelt den Weg. Auch bei den Andechsern steht das Thema auf der Agenda: „Wir arbeiten an verschiedenen Projekten zur Zuckerreduzierung“, so Irmgard Strobl.

Erfolge sind bereits sichtbar, wie das jährliche Produktmonitoring des Max-Rubner-Instituts (MRI) zeigt. Erstmals 2016 wurden stichprobenartig Analysen erstellt. Im Fokus waren unter anderem verschiedene Joghurts und Quarkzubereitungen. Hatten die untersuchten Joghurtzubereitungen – von Frucht über Crunchy bis zu Schoko – im Schnitt 13,7 Gramm Zucker je 100 Gramm, waren es 2022 nur noch 12 Gramm Zucker, was einer Verringerung von über 15 Prozent entspricht. Bei den Kinderprodukten aus dieser Kategorie finden sich sogar 20 Prozent weniger Zucker als noch 2016. Ähnlich sieht es bei Quarkzubereitungen aus.

In diesen Produkten ist, wie bei Milchprodukten üblich, auch natürliche Laktose, also Milchzucker enthalten. Schaut man sich die Nährwerttabelle auf der Verpackung an, wird dort die Summe aller Kohlenhydrate angegeben. Zusätzlich erfolgt die Angabe „davon Zucker“. „Hierin enthalten sind neben zugesetzten Zuckern auch in den Rohstoffen natürlicherweise enthaltene Zucker, wie beispielsweise Milchzucker oder Fruchtzucker“, erklärt Oliver Bartelt und unterstreicht damit, dass Milch und Früchte schon von Haus aus Zucker enthalten.

Kleine Schritte zu weniger Zucker
Auf die Frage, warum eine Molkerei nicht einfach komplett den zugesetzten Zucker in Joghurt und Desserts weglässt, antwortet der Experte der DMK: „Für unsere Milram-Produkte, denen Zucker zugesetzt ist, haben wir in der Vergangenheit bereits stufenweise Reduzierungen vorgenommen. Hierbei wird berücksichtigt, dass der Verbraucher ‚langsam‘ in Sachen Zuckerreduzierung und ‚weniger süß‘ mitgenommen wird und die Produkte nicht schlagartig anders schmecken.“ Und er fügt hinzu: „Diese kleinen Schritte werden vom Verbraucher nicht wahrgenommen – es tritt auch hier ein Gewöhnungseffekt ein.“

Den Weg von hundert auf null wagte Arla. Und das schon 2018. Ein Fruchtjoghurt, der nur aus Joghurt und Früchten bestand. „Arla Foods verzichtet ganz im Sinne vieler Verbraucher bei dem Fruchtjoghurt komplett auf den Zusatz von Zucker“, so formulierte es Markus Teubner, Pressesprecher bei Arla, damals. Um die richtige Süße in den Becher zu bekommen, steigerte man den Fruchtanteil auf 25 Prozent. So einfach das Produktkonzept klingt, in der Umsetzung brachte es zahlreiche Herausforderungen mit sich: So schmecken Fruchtjoghurts ohne zugesetzten Zucker schnell eher säuerlich, der Verzicht auf Verdickungsmittel kann die Konsistenz des Produkts negativ beeinflussen, und der Verzicht auf Farbstoffe kann für eine sehr blasse Farbe sorgen. „Daher ist es bei der Produktentwicklung und -herstellung entscheidend, genau die richtige Kombination aus Joghurt, Früchten und Verarbeitungsmethode zu finden“, beschrieb Teubner den Weg zum optimalen Produkt.

Dass die skandinavische Molkerei damit der Zeit einen Schritt voraus war, zeigte sich bald. Die Range musste eingestellt werden. „Die Verbraucher waren noch nicht an diese Art Fruchtjoghurt gewöhnt“, schildert Kasper Thormod Nielsen, Leiter Unternehmenskommunikation und Nachhaltigkeit bei Arla, das Problem. Trotzdem bereue man es nicht. „Wir haben einen mutigen Schritt gewagt und damit Bewegung ins Thema ‚Zuckerreduktion‘ gebracht.“ Heute zeigt Arla mit zuckerreduzierten Fruchtskyrs im Moproregal Gesicht.

Käuferschicht von Jung bis Alt
Und wer achtet auf zuckerreduzierte Molkereiprodukte? „Eltern, die was Gesundes für die Kinder möchten, wie auch Erwachsene, die etwas für sich und ihre Linie tun wollen, und Sportler, die sich bewusst ernähren möchten“, definiert Irmgard Strobl es für die Andechser Molkerei. Auch bei Karwendel hat man junge, fitnessorientierte Menschen bei dieser Produktkategorie im Blick. Aber nicht nur. „Auch ältere Erwachsene, die besonders auf eine bewusste Ernährung achten, aber nicht auf ausgezeichneten Geschmack verzichten wollen, greifen zu den Exquisa-Zero-Produkten“, kennt Gernot Döffinger, Leiter Marketing in der Buchloer Molkerei, die Käuferschicht.

Dass sich dieses Produktsegment für den Handel lohnt, zeigt sich in der Absatzentwicklung. So konnten zuckerreduzierte Joghurts im Handelsmarkenbereich im rollierenden Jahr von August 2022 bis Juli 2023 um 50 Prozent dazugewinnen, so die Marktanalyse des Consumer Panel Service der GfK. Zuckerreduzierte Fertigdesserts (No Name) legten sogar um 83 Prozent zu und ebenso Handelsmarken-Milchgetränkealternativen. Schaut man sich an, wie sich der Gesamtumsatz der „Weißen Linie zuckerreduziert“ zusammensetzt, stellt man fest, dass dieses Segment vor allem von den Milchalternativen mit wenig Zucker (45 %) lebt, gefolgt von Fertigdesserts (20 %) und Joghurts (16 %). Interessant ist ebenfalls, dass der mengenmäßige Bioanteil an der Weißen Linie zuckerreduziert bei sage und schreibe 46 Prozent liegt. Aber auch bei den Bioqualitäten laufen Handelsmarken um ein Mehrfaches besser als Markenartikel.

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