Molkereiprodukte Wohin mit der Milch

Der niedrige Milchpreis lässt Landwirte verzweifeln, weil er nicht einmal ihre Kosten deckt. Die Probleme sind hausgemacht: Es ist zu viel Milch im Markt. Landwirte und Politiker stellen den LEH an den Pranger.

Freitag, 29. Januar 2021 - Molkereiprodukte
Markus Wörmann
Artikelbild Wohin mit der Milch
Bildquelle: Getty Images

Die Proteste der Landwirte vor Molkereien, Supermärkten und Zentrallägern in den letzten Wochen haben medial große Aufmerksamkeit erfahren. Der Lebensmitteleinzelhandel, so der Vorwurf, gefährde mit Kampfpreisen für Butter und andere Molkereiprodukte die Existenz der Milchviehbetriebe. Mit seiner Marktmacht drücke der LEH die Preise, hört man von Lobbyisten und Politikern unisono. Dabei folgen die Einkäufer einem einfachen Prinzip der Marktwirtschaft. Die Nachfrage bestimmt das Angebot und damit den Preis – zumindest in einem Käufermarkt. Und in dem befindet sich die Milchwirtschaft bereits seit vielen Jahrzehnten. Alle Bemühungen in der Vergangenheit, über Quotenre‧ge‧lun‧gen zum einen die Milchmenge zu regulieren und zum anderen durch das Anhäufen von Butterbergen und Aufstauen von Milchseen die Preise stabil zu halten, waren politisch gewollt, haben langfristig aber nicht die gewünschten Effekte erzielt.

Seit 2015 ist die Quote Geschichte. Doch die Marktmechanismen greifen nicht. Denn auch wenn immer mehr Milchviehbetriebe aufgeben und weniger Kühe gehalten werden, aktuell sind es erstmals unter 4 Millionen in Deutschland, steigt die Milchmenge kontinuierlich an.

Zuchtfortschritt nennt das der Fachmann, weil die einzelne Kuh immer mehr Milch gibt, gesünder ist und länger lebt. Doch damit beißt sich die Kuh sprichwörtlich in den eigenen Schwanz: Es gibt mehr Milch, als der Markt aufnehmen kann. „Wir sind mit 117 Prozent in der EU generell überversorgt“, sagte Peter Stahl, Vorsitzender des Milchindustrie-Verbandes (MIV) und Geschäftsführer von Hochland, anlässlich des „Milchpolitischen Frühschoppens“ zur Grünen Woche. Und daran sei auch nicht Corona schuld.

Die Corona-Pandemie habe den Konsum von Milchprodukten und Lebensmitteln in Deutschland verändert, so der MIV. Weil Restaurants und Hotels gar nicht oder nur eingeschränkt öffneten, ging der Absatz dort zurück. Doch Kurzarbeit und Homeoffice hätten wiederum dazu geführt, dass mehr Lebensmittel und Milchprodukte im LEH gekauft wurden. Insgesamt sind die Absätze im deutschen LEH nicht nur für Trinkmilch, sondern auch für Sahne, Joghurt, Quark, Käse, Butter und Mischstreichfette deutlich höher ausgefallen als im Vorjahr, heißt es vom MIV.

Exporte stabil trotz Corona
Auch die Exporte von Milchprodukten aus Deutschland haben sich 2020 in der Summe weitgehend stabil entwickelt, trotz der europa- und weltweit negativen Effekte der Corona-Pandemie. So ist das Tourismusge‧schäft vielerorts eingebrochen, was sich beispielsweise in den verringerten Käse-Importen Italiens und Spaniens widerspiegelt. Dennoch konnte Deutschland insgesamt mehr Käse exportieren als im Vorjahreszeitraum. Auch die Exporte von Butter und Molkenpulver – sowohl aus Deutschland als auch aus der EU – waren in den ersten drei Quartalen 2020 höher.

Eine Herausforderung dürfte 2021 die Umsetzung des Brexits darstellen – der EU-Binnenmarkt wird kleiner, und der Weltmarkt größer. Das Wachstum des Weltmilchmarktes hinsichtlich Erzeugung und Verbrauch wird sich 2021 weiter fortsetzen, prognostiziert der Branchenverband. „Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass trotz Einschränkungen für den Außer-Haus-Konsum, Tourismus und weltweit schwieriger wirtschaftlicher Ausgangslage durch die Corona-Pandemie die Nachfrage nach Milch und Milchprodukten vergleichsweise robust ist. Vor diesem Hintergrund könnte 2021 – bei aller Vorsicht – ein besseres und gutes milchwirtschaftliches Jahr werden“, stellt Peter Stahl, Vorsitzender des MIV, fest.

Beim „Milchpolitischen Frühschoppen“ in Berlin, an dem Vertreter von Politik und Landwirtschaft teilnahmen, machte Stahl angesichts der Milchmengen nur wenig Hoffnung auf bessere Preise. „Nicht morgen und nicht übermorgen“, erklärte er gleich zu Beginn der Veranstaltung. 2020 dürfte der Erzeugerpreis nach MIV-Angaben bei etwa 32,70 Cent pro Kilogramm Rohmilch liegen. Aus Erzeugersicht wären 45 Cent nötig, um auskömmlich wirtschaften zu können. Denn die Landwirte befänden sich seit Jahren in einem Hamsterrad, unter einem steigenden Kostendruck immer intensiver und effizienter produzieren zu müssen. Was am Ende dazu führe, dass weitere Anforderungen hinsichtlich Tierwohl, Gewässer- und Bodenschutz mit weiteren Kosten auf die Landwirte zukommen.

Proteste nicht zielführend
Dennoch hält der Verband die Proteste vor Lägern des deutschen Lebensmitteleinzelhandels für falsch, da nur etwa 30 Prozent der deutschen Rohmilch für LEH-Produkte benötigt würden. „Die Sorge der Milch‧erzeuger nehmen wir sehr ernst, glauben aber nicht, dass Blockaden vor den Lägern unserer Kunden Sinn machen“, so Eckhard Heuser, Hauptgeschäftsführer des MIV. Etwa 20 Prozent des Branchenumsatzes kommen aus der weiterverarbeitenden Industrie, und sogar 50 Prozent werden im Export gemacht. Und auf dem Weltmarkt konkurriere man mit Preisen von 30 Cent.

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