Herr Mühleisen, können Sie selbst eine Kuh melken?
Markus Mühleisen: (lacht) Nein. Ich hab‘ mir sagen lassen, dass ich sehr viele Jahre brauchen würde, um moderne Landwirtschaft in allen Details zu verstehen. Ich habe allergrößte Hochachtung vor unseren Landwirten und der Arbeit, die sie täglich leisten.
Wie gehen Ihre Landwirte denn damit um, dass Sie nicht aus einem landwirtschaftlichen Betrieb, sondern aus der Wirtschaft kommen?
Sie schätzen mein Fachwissen. Wir können nur als Team gewinnen, und dazu braucht es verschiedene Stärken. Und ich bringe unter anderem 20 Jahre aus der Lebensmittelbranche mit. Ich weiß, wie man mit großen Kunden zusammenarbeitet. Aber auch, wie man eine grenzüberschreitende Firma organisiert.
Bevor Sie bei Arla angefangen haben, haben Sie schon mehr als 20 Jahre in der Konsumgüterbranche gearbeitet. Gibt es Dinge, die bei Arla anders sind als in anderen Branchen?
Wir sind eine moderne Genossenschaft. Das ist übrigens einer der Gründe, warum ich zu Arla gegangen bin.
Was meinen Sie mit moderner Genossenschaft?
Wir stehen in direktem Kontakt mit unseren Landwirten. Was ich im Büro mache, hat direkten Einfluss auf das Wohlergehen unserer knapp 1.800 Landwirte hier in Deutschland. Alles, was wir erwirtschaften, geht an den Landwirt zurück. Damit unterstützen wir den ländlichen Raum und Themen wie Nachhaltigkeit oder Regionalität. Übrigens: Das genossenschaftliche Modell ist ein modernes Thema – und dabei sind wir schon 130 Jahre alt.
Die Milchbranche steht vor tief greifenden Veränderungen. Was muss denn Ihrer Meinung nach besser laufen?
Die Teilnehmer innerhalb der Milchbranche arbeiten nicht gut genug zusammen. Aus meiner internationalen Perspektive kann ich sagen, dass auch die Zusammenarbeit mit dem Handel deutlich besser sein könnte.
Können Sie dazu ein konkretes Beispiel nennen?
Sinnvoll wäre ein intensiver Austausch von Daten, um eine Prognose bezüglich des Abverkaufs zu erstellen, beispielsweise, wenn ein Produkt im Handzettel beworben wird. In anderen Ländern arbeiten beide Seiten gemeinsam daran, dass das richtige Produkt in der richtigen Menge zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist. Davon sind wir in Deutschland leider noch weit entfernt.
Die Molkereibranche kämpft zunehmend mit Imageproblemen. Bestes Beispiel ist die Katjes-Werbung, in der eine Milchkuh als geschundene Kreatur gezeigt wird…
Ich finde es schade, wenn ein Unternehmen, das ich ansonsten bewundere, zu einem solchen Stilmittel greift. Konkurrenten oder andere Produkte verteufeln – das macht man nicht! Die Milchbranche muss sich ihren Kritikern stellen! Wir müssen Antworten auf wichtige Fragen bieten, etwa, was wir zum Thema Nachhaltigkeit oder Tierwohl machen.
Wie reagieren Sie bei Arla auf das negative Stimmungsbild?
Wir bei Arla verstecken uns nicht, sondern gehen voran. Das haben wir schon 2013 gemacht, als wir unseren starken Standard „Arlagarden“ auch für unsere deutschen Landwirte eingeführt haben. Das ist ein Qualitätssicherungsprogramm, mit dem Ziel, Milch in bester Qualität so verantwortungsvoll wie möglich zu erzeugen. Unsere Branche muss mit Transparenz vorangehen – und wir haben ja auch gute Argumente.
Die da wären?
Milch ist ein wunderbares Lebensmittel. Es ist natürlich, hat enorm viele Nährstoffe und es ist erschwinglich. Milchprodukte haben eine wichtige Aufgabe in einer gesunden Ernährung. Das muss die Milchwirtschaft viel stärker herausstellen!
Trotzdem verschreien manche Kritiker die Kuh als Klimakiller. Sie hingegen sagen, dass ein Liter Arla-Milch deutlich weniger CO2 erzeuge als das im weltweiten Branchendurchschnitt üblich ist. Wie funktioniert das?
Das eben angesprochene Programm Arlagarden hilft unseren Landwirten, nachhaltiger zu arbeiten. Und mit unserem neuen Klimacheck- Programm kann sich jeder Hof eine CO2-Bilanz für seine Milchproduktion erstellen lassen und gemeinsam mit einem externen Berater individuelle Verbesserungsmaßnahmen erarbeiten. Das beginnt bei der Art und Weise, wie man das Futter gewinnt. Wie man die Futterration zusammenstellt, was man hinterher mit der Gülle macht, und ob man regenerative Energien auf dem Bauernhof nutzt.
Es gibt also keine spezielle Technologie oder ein spezielles Futter, das Ihre Landwirte einsetzen?
Nein. Die Maßnahmen sind von Hof zu Hof auch sehr individuell. Allerdings wird im Futterbereich sehr viel geforscht, so dass hier in den kommenden Jahren durchaus mit Innovationen zu rechnen ist.
Kommen wir vom Klimaschutz zum Thema Tierwohl. Im Fleischbereich gibt‘s in Deutschland die Initiative Tierwohl. Fehlt so etwas in der Milchbranche?
Dazu muss man sagen, dass die Milchbranche schon viel früher etwas fürs Tierwohl getan hat als andere Branchen. Bei Arla ist Tierwohl ein wichtiger Bereich, siehe Arlagarden. Damit haben wir in Deutschland Maßstäbe gesetzt. Und bei der neuen, überarbeiteten Version des Programms, das ab diesem Jahr gilt, legen wir einen noch stärkeren Fokus auf Tierwohl und Nachhaltigkeit.
Und wie sieht das Ihrer Einschätzung nach allgemein in der Milchbranche aus?
In diesem Bereich arbeiten wir auch mit anderen großen Molkereien zusammen, da gibt es einen Austausch in der Branche. Wir können aber zu Recht sagen, dass wir mit unserem neuen Programm führend in Deutschland sind.
Wie stehen Sie denn zur Rückverfolgbarkeit von Milch? Ist das für einzelne Betriebe machbar?
In Finnland haben wir dazu ein Pilotprojekt. Dort können wir über die Block-Chain-Technologie genau zurückverfolgen, von welcher Kuh der Liter Milch in der Packung kommt. Es sind aber noch viele Schritte notwendig. Wir schauen uns derzeit genau an, was die richtige Technologie für Deutschland sein könnte. (Die Block-Chain-Technologie bietet die Grundlage für einen lückenlose und unveränderliche Datenaufzeichnung. Anm. d. R.)
Ab Februar werden Sie den Zusatz „oft länger gut“ auf Ihre Packungen aufbringen, um die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Wie sind Ihre Erfahrungen dazu aus Dänemark und Schweden?
In Schweden haben wir vor eineinhalb Jahren mit „oft länger gut“ angefangen, im Sommer 2019 ging es weiter mit Dänemark. Hierzulande starten wir mit unserer Marke Arla Skyr. Wichtig ist die Kommunikation, die das Thema begleitet, zum Beispiel in den Sozialen Medien. Und natürlich auf den Packungen, wo drauf steht: „Schauen, Riechen, Schmecken!“ Wir haben positive Rückmeldungen von den dortigen Verbrauchern. Diese meinen, es sei gut, nochmals darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass die Produkte oft viel länger haltbar sind als ihr Mindesthaltbarkeitsdatum aussagt.
Kollidiert Ihr Engagement nicht mit dem Ziel, möglichst viel Umsatz zu machen?
Nein, wobei wir uns diese Frage auch zu keinem Zeitpunkt gestellt haben. Der Ansatz passt vielmehr in unsere Gesamtstrategie der Nachhaltigkeit: Es geht darum, Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Spannend wird das Thema, wenn wir Erfahrungen aus drei, vier Jahren haben. Das Schöne in Deutschland ist, dass es mit „Too good to go“ eine Plattform gibt mit vielen Partnern an Bord.
Wie kommt „oft länger gut“ bei Ihren Landwirten an?
Die Wertschätzung für Lebensmittel ist bei unseren Genossen groß. Die Landwirte freuen sich über jedes Lebensmittel, das gegessen und nicht weggeworfen wird. Trotzdem, da machen wir uns nichts vor, wird es immer Überschüsse geben, zum Beispiel aus Promotions. Dann unterstützen wir die Tafeln.