Getränkehersteller Klima-Label wird Reizthema

Klimaneutralität ist derzeit das Lieblingswort der Konsumgüterhersteller. Doch das Label gerät zunehmend in die Kritik. Jetzt könnte die Diskussion auf die Getränkehersteller überschwappen.

Freitag, 09. Dezember 2022 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Klima-Label wird Reizthema
Bildquelle: Getty Images

Nichts, was wir tun, ist wirklich klimaneutral. „Jede Form der wirtschaftlichen Aktivität stößt Klimagase aus“, fasst Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) das Dilemma des Begriffs zusammen. Dabei will der Kreislaufexperte die aktuellen Bemühungen der Industrie nicht schlechtreden: „Man muss unterscheiden zwischen denen, die sich von der Verantwortung freikaufen wollen, und denen, die es ernst meinen.“ Dass die Bezeichnung „klimaneutral“ aber auch in der Lebensmittelbranche zunehmend kritisch gesehen wird, zeigt der Fall Rewe. Der Händler hatte vor einigen Wochen angekündigt, Produkte seiner Eigenmarken nicht mehr mit dem Klimaversprechen zu bewerben. Um den Werbe-Claim nutzen zu können, hatte Rewe Emissionen mit Zertifikaten aus Umweltschutz-Projekten ausgeglichen. Diese wiesen jedoch laut NGOs Mängel auf. „Wir brauchen Gesetze gegen Greenwashing!“, prangert Rauna Bindewald von Foodwatch die Praxis der Hersteller an. Pikant: Rewe arbeitete mit Climate Partner zusammen, einem Unternehmen, das auch Getränkehersteller zertifiziert. Wird die Diskussion jetzt vielleicht auch auf die Mineralbrunnen überschwappen?

Beispiel Genossenschaft Deutscher Brunnen (GDB): Die Mitglieder wollen ihren Flaschenpool bis 2030 in die Klimaneutralität überführen. Auch hier gilt: Was an schädlichen Emissionen nicht eingespart werden kann, wird über Projekte ausgeglichen, in diesem Falle eine Aktion im indischen Timul, bei dem zehn Windräder installiert wurden. „Unser Ziel erreichen wir mit dem Dreiklang Emissionen berechnen, Emissionen senken und die verbleibenden Emissionen ausgleichen“, sagt GDB-Sprecher Tobias Bielenstein. Naturgemäß falle der Anteil der kompensierten Emissionen bei Projektbeginn höher aus, als er 2030 sein wird. Entscheidend sei die Frage, ob man von Anfang an auch etwas tut, um die unvermeidbaren Emissionen auszugleichen, und dabei Klimaschutzprojekte fördert oder ob man damit wartet. „Wir haben uns angesichts der Dringlichkeit des Themas für ‚ab sofort‘ entschieden, kommunizieren das aber recht zurückhaltend, weil wir noch nicht am Ziel sind. Climate Partner unterstützt uns dabei hochkompetent“, so Bielenstein weiter.

Zweites Beispiel Hassia: Als eine der ersten großen Mineralwasser-Marken in Deutschland wirbt das GDB-Mitglied ebenfalls mit dem Versprechen, klimaneutral zu handeln. „Wir vereinbaren klare Ziele zur Vermeidung und Verringerung von Emissionen“, erklärt Marketing-Geschäftsführer Stefan Müller gegenüber der Lebensmittel Praxis. Die Maßnahmen reichen von der Umstellung auf 100 Prozent Ökostrom über die Optimierung aller Produktions- und Logistikprozesse bis hin zur Fokussierung auf Mehrwegverpackungen sowie kurze Transportwege. Unter den großen Markenherstellern gilt die Gruppe bei Umweltschützern genau aus diesem Grund als ein Musterschüler. Unvermeidbare Emissionen werden bei Hassia ebenfalls mittels Kompensationsprojekten ausgeglichen.

Ähnlich wie Foodwatch sieht Thomas Fischer diese Praxis nicht unkritisch: „Das Vermeiden steht über allem. Bei der Kompensation muss man genau hinschauen.“ Projekte, bei denen etwa Bäume gepflanzt werden, würden nicht kurzfristig wirken, sondern bis zu 40 Jahre brauchen, um einen positiven Effekt zu haben. „Es könnte in fünf bis zehn Jahren aber schon Kipppunkte geben. Dann helfen ein paar Bäume auch nicht mehr“, befürchtet Fischer. Ein besseres Ansehen haben Projekte, bei denen Abholzung bestehender Wälder verhindert wird. Hier engagiert sich Marktführer Gerolsteiner mit seinem Partner First Climate beispielsweise in Brasilien.

Aber auch Danone Waters, Hersteller des Einweg-Wassers Volvic und Lieblingsfeind von Umweltschützern, geht diesen Weg: Angeblich stehen weltweit bereits 2.409 Quadratkilometer Fläche unter Schutz von Danone Waters. „Naturbasierte Lösungen, dazu gehört auch Waldschutz, können dazu beitragen, 30 Prozent der Ziele des Pariser Abkommens kosteneffizient zu erreichen“, heißt es von Danone Waters. Das Image der Marke wird sich aber bei ihren Kritikern kaum verbessern: „Ein französisches Mineralwasser, das in dicken Einweg-Plastikflaschen nach Berlin transportiert wird, als klimaneutral zu bezeichnen, ist eine Frechheit“, so Fischer. Für den Kreislaufexperten gibt es nur eine Lösung: Weg vom zentralisierten Einwegsystem, hin zu regionalen Mehrwegkreisläufen. Erst dann könne die Vergabe von klimaneutralen Labels nicht mehr in den Verdacht geraten, ein ökologischer Ablasshandel zu sein.

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