Brauer Die nächste Preiswelle kommt

Die Corona-Pandemie lässt den Brauern anscheinend keine Wahl: Die meisten großen Hersteller erhöhen die kommenden Wochen und Monate ihre Preise deutlich. Streit mit dem Handel ist vorprogrammiert.

Freitag, 11. Februar 2022 - Getränke
Tobias Dünnebacke
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Die deutschen Brauereien stehen mit dem Rücken an der Wand. Man muss es so dramatisch ausdrücken. Nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes verloren die Produzenten des Gerstensaftes auch im zweiten Jahr der Pandemie deutlich an Absatz: 8,5 Milliarden Liter bedeuteten im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang um 2,2 Prozent. Das ist die geringste Menge seit Einführung der Statistik. Seit der Neufassung der Biersteuer 1993 hat sich damit die Biermenge um 23,9 Prozent verringert. Der Inlandsabsatz sank im Vergleich zu 2020 sogar noch stärker um 3,4 Prozent auf 7 Milliarden Liter. Damit ähneln die Zahlen der Prognose des Deutschen Brauer-Bundes (DBB). „2021 war ein außerordentlich schwieriges Jahr“, sagt DBB-Hauptgeschäftsführer Holger Eichele gegenüber der Lebensmittel Praxis. Ein Großteil der deutschen Brauereien sei stark vom Gastronomie- und Veranstaltungsgeschäft abhängig und hat seit Beginn der Corona-Pandemie verheerende finanzielle Verluste erlitten. Die Umsatzeinbußen dürften das Absatz-Minus noch übersteigen, weil für Brauereien die Wertschöpfung in der Gastronomie und bei Events deutlich höher ist als im Handel. „Deshalb spiegelt der Blick auf die Hektoliter-Zahlen das tatsächliche Ausmaß der Krise nicht ansatzweise wider“, so Eichele. Zu allem Übel kommen noch enorm gestiegene Kosten bei Energie, Transport und Rohstoffen wie Kronkorken oder Glas.

Neue Preiswelle rollt an
„Es liegt in der Natur der Sache, dass die Unternehmen solch höhere Kosten irgendwann weitergeben müssen“, so Eichele. Bereits letztes Jahr war bekannt geworden, dass Deutschlands größter Brauer, die Radeberger Gruppe, die Reißleine zieht und eine neue Preiserhöhung durchsetzen wird. Seit Anfang Februar will Radeberger 8,50 Euro mehr je Hektoliter Fassbier. Der Halbliterkasten im Handel soll je nach Marke ab Mai 32 bis 63 Cent mehr kosten. Mittlerweile ist auch bekannt, dass Krombacher ab April höhere Preise verlangt. Dies gilt auch für die Softdrink-Sparte. Schweppes, Veltins, Bitburger und sogar Oettinger werden ebenfalls an der Preisschraube drehen. Details zur Höhe der neuen Rampenpreise sind noch nicht bekannt. Oettinger-Vertriebschef Peter Böck erklärt zur aktuellen Marktlage gegenüber der Deutschen Presseagentur: „Der deutsche Biermarkt ist und bleibt hart umkämpft.“ Der Wettbewerb im Handel habe sich durch die Corona-Krise eher noch verschärft. Oettinger ist eine Marke, die sich durch eine Positionierung im unteren Preissegment auszeichnet. Dass selbst der Billig-Brauer aus der bayerischen Kleinstadt mehr für sein Bier verlangen will, zeigt, wie prekär die Lage ist. Unsicherheit herrscht in der Branche hingegen bezüglich des Verhaltens von Warsteiner. Die Sauerländer mussten in den letzten Jahren immer wieder starke Absatzverluste verkraften und dürften es sich zweimal überlegen, ob sie preissensible Käufer verprellen können. Warsteiner-Sprecherin Simone Lápossy hielt sich gegenüber der Lebensmittel Praxis bedeckt: „Aus kartellrechtlichen Gründen wollen wir uns zu dem Thema Preise nicht äußern.“ Brancheninsider vermuten, dass Warsteiner mit einer Erhöhung später nachziehen könnte, um für eine gewisse Zeit einen Preisvorteil auszunutzen. Auch bei der letzten Preiswelle vor drei Jahren ließ sich der Brauer im Vergleich zur Konkurrenz auffallend lange Zeit.

Wie reagiert der Handel?
Spannend bleibt die Frage, wie der Handel auf die angekündigten Preiserhöhungen reagieren wird. Zuletzt war in den Jahresgesprächen trotz Corona-Pandemie und Kostenexplosion bei den Rohstoffen keine Milde zu erwarten. So konnten sich Eckes-Granini, Pepsico oder auch der Berliner Spirituosenhersteller Schilkin nicht mit Edeka auf Konditionen einigen. „Es wird Auslistungen geben“, prognostizierte auch Veltins-Chef Michael Huber unlängst bei der Vorstellung der Bilanz seiner Brauerei. Einige Brauer dürften die Marktverwerfungen nicht überleben. „Auf die strukturell höchst unterschiedlich aufgestellten Unternehmen der deutschen Brauwirtschaft kommen schwierige Jahre zu“, so Hubers Einschätzung. Nach dem inzwischen geordneten Krisenmanagement dieser Monate würden harte Jahre der Konsolidierung folgen, in denen es für viele um die Existenzfrage geht. „Wir beobachten den ruinösen Preiskampf der Handelskonzerne mit großer Sorge“, sagt auch Eichele. Die wachsende Wertschätzung in der Gesellschaft für hochwertig produzierte Lebensmittel sei eine erfreuliche Entwicklung. „Dieselbe Wertschätzung wünschen wir uns auch von Handelskonzernen, die offenbar nicht wahrhaben wollen, welchen exzessiven Kostensteigerungen ihre Lieferanten ausgesetzt sind. Wir unterstützen den Bundeslandwirtschaftsminister ausdrücklich, wenn er vom Handel angemessene Preise für Lebensmittel einfordert. Es ist wichtig, dass sich die neue Bundesregierung der Macht der Handelshäuser annimmt und hier auch kritische Fragen stellt“, bezieht Eichele klar Stellung.

Lichtblicke gibt es auch
Bei all den schwierigen Vorzeichen gibt es auch Chancen. So stieg das Exportgeschäft der deutschen Brauer in 2021 laut den Statistikern in Wiesbaden um 4 Prozent auf 1,6 Milliarden Liter. Auch Biermischgetränke legten zu. Vor allem in den Staaten außerhalb der EU war deutsches Bier stärker gefragt als im Jahr zuvor. Hier kletterte der Absatz um 12,7 Prozent auf 817,3 Millionen Liter. In die EU-Staaten wurden hingegen 4 Prozent weniger Bier exportiert als 2020. Bei den Sorten hält der Trend zu alkoholfreien Bieren an. Der Brauer-Bund rechnet damit, dass schon bald jedes zehnte in Deutschland gebraute Bier alkoholfrei sein wird. Mittlerweile gibt es bundesweit mehr als 800 verschiedene Marken. Pils machte 2020 mit einem Marktanteil von rund 50 Prozent weiterhin die mit Abstand beliebteste Biersorte in Deutschland aus.

Der Gewinner des Jahres ist das besonders im Süden weitverbreitete Hellbier mit einem Zuwachs von 14 Prozent und einem Marktanteil von mittlerweile fast 9 Prozent. Export- und Weißbiere dagegen haben Anteile verloren.

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