Fritz-Kola „Das Einweg-System gehört abgeschafft“

David gegen Goliath? Diese Geschichte zieht nicht mehr. Als David ist Fritz-Kola längst zu groß und die Schwergewichte der Branche zu angeschlagen. Jetzt wollen die Fritzen sogar ein ganzes System stürzen.

Montag, 30. März 2020 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild „Das Einweg-System gehört abgeschafft“
Bildquelle: Friedrun Reinhold

Als ich in Hamburg in der Fritz-Kola Zentrale eintreffe, ist mir das ganze Ausmaß der Corona-Pandemie noch nicht bewusst. Die Stadt ist aber deutlich ruhiger, die Straßen teilweise leer. Auch der Termin bei „den Fritzen“ wäre fast geplatzt. Unter Beachtung der Sicherheitsmaßnahmen, kein Handshake und genügend Abstand, kann unser Interview dann doch noch stattfinden. Es wird für einen unbekannten Zeitraum der letzte persönliche Termin bei Fritz-Kola sein. Ein Gespräch mit Mirco Wolf Wiegert (Gründer), Christoph Gröne (Vertriebsleiter) und Lukas Steinberg (Vertriebsleitung Handel) über den Erfolg eines der schillerndsten Start-ups der Getränkebranche, Wirtschaften in der Krise und den Anspruch, ein ganzes System nachhaltig zu verändern.

Die Corona-Pandemie ist auch in Hamburg angekommen. Ab Montag schließen die Schulen. Wie seid ihr von dem Virus betroffen?
Marco Wolf Wiegert: Wir merken das jetzt noch nicht an unseren Zahlen, dafür ist es – Stand Mitte März – noch zu früh. Es verändert aber unser Arbeiten. Ein Großteil der Mitarbeiter ist schon im Homeoffice, der Außendienst soll Versammlungen meiden, alle Messen und Veranstaltungen wurden abgesagt. Wir folgen da der großen Politik. Es geht jetzt darum, die Ausbreitung von diesem Virus zu verlangsamen und Risikogruppen zu schützen.

Fritz-Kola setzt so konsequent auf Glas-Mehrweg wie kaum ein anderer Getränke-Hersteller mit nationalem Vertrieb. Wann habt ihr persönlich das letzte Mal aus einer Einwegflasche getrunken?
(lacht) Das war im Urlaub, dort gab es nur Einweg-Plastik. Ich habe mich vor allem über mich selbst geärgert, weil ich meine Aluflasche zu Hause vergessen hatte.

Mit eurer Konsequenz reitet ihr gerade perfekt die Anti-Plastik-Welle. Macht sich das schon in den Zahlen bemerkbar?
Unsere genauen Zahlen sind unser Geschäftsgeheimnis. Wir können aber sagen, dass wir jährlich zweistellig beim Umsatz wachsen. Genauer: Im LEH, den Drogeriemärkten und GAM haben wir zuletzt die 80-Millionen-Regalpreismarke durchbrochen.
Lukas Steinberg: Wir profitieren von aktuellen Trends im Kola-Markt. Während der Pro-Kopf-Konsum insgesamt zurückgeht, gibt es im Premium-Segment eine dynamische Entwicklung. Darunter verstehen wir Kola-Getränke mit einem Liter-Preis über zwei Euro (Fritz-Kola wird beispielsweise in der 0,33-Longneck-Flasche für 99 Cent verkauft; Anm. des Verfassers). Auch wertige Glasgebinde werden öfter gekauft. Wir profitieren definitiv davon, dass Mirco damals, als alle auf Einweg gegangen sind, die Flagge hochgehalten und Glas in die Kühler gestellt hat.

Werfen wir noch mal einen Blick zurück. Fritz-Kola wurde 2003 hier in Hamburg von Dir, Mirco, und deinem Freund Lorenz Hampl gegründet. Heute gilt das Unternehmen als eines der wenigen nachhaltig erfolgreichen Start-ups. Was macht ihr anders?
Wiegert:
Unsere Motivation war damals, ein selbstständiges, unabhängiges Leben zu führen und eine tolle, hochwertige Kola zu verkaufen und diesen Weg auch hart durchzuziehen, beispielsweise mit Glas-Mehrweg, auch wenn uns dabei Geschäft verloren geht. Wir finden Geld ganz sicher nicht schlecht, aber es war nie die Hauptmotivation. Wenn ich mir viele Start-ups heute ansehe: Da geht es doch meistens darum, auf einen baldigen Exit hinzusteuern und möglichst viel Geld rauszuschlagen.

Du hättest sicher auch schon oft verkaufen können, oder?
Viele Male. Zuletzt 2016. Ich bräuchte nie mehr zu arbeiten. Für Marke und Unternehmen ist das natürlich schmeichelhaft, aber noch mal: Darum geht es nicht.

Die einstige Erfolgs-Marke Bionade hatte einmal den Claim „Getränk für eine bessere Welt“. Auch Ihr habt einen ähnlichen Anspruch. Wie definiert ihr gesellschaftliche Verantwortung in eurem Tun?
Wir beobachten schon lange den Trend in der Wirtschaft, dass Profite privatisiert, Kosten aber sozialisiert werden. Das Einweg-System ist dafür das perfekte Beispiel. Ich als Unternehmer finde aber, dass ich komplett verantwortlich bin für mein Produkt, also auch für die Rücknahme und Entsorgung. Es geht aber weit darüber hinaus.

Zum Beispiel?
Das Mehrwegsystem ist dezentral. Auch wir haben derzeit fünf lokale Partner. Häufig sind das Familienunternehmen in strukturschwachen Randgebieten. Diese schaffen dort hochwertige Arbeitsplätze und sie zahlen da Steuern, wo sie dringend benötigt werden. Ein dezentrales Mehrwegsystem hat einfach nur Vorteile: Geringer Co2-Ausstoß, lokale Wertschöpfung und das Fließen von Steuern. Die große Einweg-Industrie arbeitet hingegen dezentral und kann von einem Standort die ganze Welt beglücken, beziehungsweise verseuchen (lacht). Hinzu kommt, dass solche Marktteilnehmer vom Staat häufig noch gefördert werden. Für mich als Unternehmer wäre das keine Option: Vom Staat gefördert zu werden, um andere, die Steuern zahlen wollen, vom Markt zu drängen.

Das heißt also, ihr befürwortet eine Lenkungsabgabe auf Einweg-Flaschen?
Na, klar! Die Abgabe kann gar nicht hoch genug sein. Wir setzen auf 100 Prozent Mehrweg, sind auch keine Freunde eines Gebinde-Mixes. Einweg muss komplett verschwinden.
Christoph Gröne: Das Prinzip ist nicht abwegig. Das hat in den 1970er-Jahren ja auch funktioniert. Damals gab es nur Glas-Mehrweg. Und auch aktuelle Beispiele wie das des Getränke-Händlers Hans-Peter Kastner, der kein Einweg mehr listet, zeigen: Es funktioniert. Sein Geschäft entwickelt sich seitdem sehr positiv. Das Mantra der Einweg-Lobby ist ja immer: Der Konsument will Einweg-Plastik. Wir glauben nicht daran.

Ihr schaut natürlich auch auf das Geschäft jenseits der deutschen Grenzen. Was könnt ihr berichten?
Ohne belastbare Zahlen zu nennen: Wir haben auch hier eine dynamische Entwicklung. Die Marke wird positiv wahrgenommen. Das merkt man beispielsweise auf Fachmessen, wo wir immer wieder angesprochen werden. Wir müssen dann in den jeweiligen Ländern schauen, mit welchem Partner wir zusammenkommen. Österreich beispielsweise hat sein Mehrwegsystem leider stark runtergefahren. Im Ausland geht unser Weg häufig über die Gastronomie, die Mehrweg einfach gelernt und damit weniger ein Problem hat. Wir denken, in Spanien, Frankreich oder Osteuropa könnte man mit einem funktionierenden Mehrwegsystem viel bewegen.

Christoph, Lukas, ihr seid für den Vertrieb verantwortlich. Was sind denn derzeit eure größten Herausforderungen in Bezug auf den einheimischen LEH?
Gröne:
Bis ungefähr 2016 hat Einweg ja einen Siegeszug hingelegt. Jetzt wendet sich das Blatt, die Händler haben aber für die neuen Glas-Flaschen gar nicht genug Platz. Wir finden aber, dass sich der aktuelle Trend bei Wasser und auch Kola im Lebensmittel-Markt widerspiegeln muss. Da wollen wir die Händler überzeugen.
Lukas Steinberg: Wir wollen aber nicht nur Forderungen stellen, sondern auch Lösungen anbieten, beispielsweise mit wertigen Werbemitteln. Wir setzen hier auf Holz statt auf Plastik aus China. Besonders selbstständige Händler bei Edeka oder Rewe sind offen für eine solch wertige Markenbildung. Das ist natürlich ein mühsamerer Weg als eine einfache Zentrallistung, aber es ist auch nachhaltiger.
Wiegert: Insgesamt haben wir aber ein gutes Standing im Handel. Selbst außerhalb der Getränke-Kategorie gibt es im LEH wenige Marken mit einer ähnlichen Spanne wie Fritz-Kola. Wir achten sehr genau darauf, das Profil der Marke Fritz-Kola zu schärfen und aufzuladen, beispielsweise mit unserer Kampagne „Trink aus Glas“. Wir entsprechen damit dem Zeitgeist, davon profitiert auch der Händler.

Stichwort Spanne: Wie hoch ist euer Aktionsanteil?
Gröne: Wir machen überhaupt keine (Preis-)Promotions im Handel. Das entspricht nicht unserer Philosophie. Wenn wir über Aktionen reden, dann wollen wir auch einen echten Mehrwert für alle schaffen, beispielsweise durch unseren Mitnahme-Sixpack, bei dem sich die Kunden ihre Fritz-Kola-Produkte selbst zusammenstellen können. Das haben wir erfunden, und das wird auch vom Handel oder anderen Herstellern kopiert. So wollen wir Mehrwert für alle schaffen, nicht über Preisaktionen.

Trotzdem: Vonseiten des Handels gibt es einen zunehmenden Preisdruck sowohl auf die Groß-Industrie als auch kleinere, mittelständische Unternehmen. Kaum vorstellbar, dass das an euch vorbeigeht.
Wir sind breitest möglich aufgestellt, das unterscheidet uns vielleicht von anderen Wettbewerbern. Der LEH ist ein Teil, aber eben nicht alles. Wir sind nicht aktionsgetrieben. Der Gründungsgedanke von Mirco steht hier: Eine geile Marke machen, die beste Kola in einem hochwertigen Gebinde verkaufen und das ganze hart durchexekutieren. Das kann man lieben oder nicht, das tut manchmal weh, aber davon rücken wir nicht ab.

Aktuell läuft ein Mehrweg-Test bei Aldi, unter anderem mit der Marke Bitburger. Wäre das ein Weg für Euch, um Mehrweg zu stärken?
Erst mal ist es doch hervorragend, dass auch Discounter sich mit Mehrweg beschäftigen. Wir sind aktuell mit unseren Listungen sehr zufrieden.

Zurück zum Produkt: Fritz-Kola wird als Belohnungsartikel und nicht Konsumprodukt vermarktet. Wie sehr trifft euch die Zucker-Debatte?
Wiegert:
Das ist eine große Herausforderung. Und wir haben hier auch eine andere Meinung als einige Wettbewerber. Eine Kola ist für uns ein Genussartikel. Wir verwenden natürliche Zutaten, und da zählt Zucker dazu. Wenn wir beispielsweise durch politische Rahmenbedingungen dazu gezwungen wären, unseren Zucker komplett durch Süßungsmittel zu ersetzen, dann wäre das nicht mehr das gleiche Produkt und kaum sinnvoll. Natürlich ist die Aufklärung der Verbraucher wichtig, aber wir warnen davor, Zucker über alle Maßen zu verteufeln.

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