Interview mit William Verpoorten Die Gallier aus Bonn

Der mächtige Handel diktiert der Industrie Preise, die kaum Wachstum zulassen. Der gesamten Industrie? Nein. In Bonn gibt es ein Unternehmen, das sich seit Jahren mit selbstbewussten Konditionen durchsetzt. Ein Gespräch mit William Verpoorten über den Wert von Marken-Spirituosen.

Donnerstag, 01. Februar 2018 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Die Gallier aus Bonn
Bildquelle: Peter Eilers

Herr Verpoorten, wie würden Sie einem Händler, der gerne auf B-Marken setzt, Ihr Produkt schmackhaft machen?
William Verpoorten: Über den Durchschnittsbon. Die GfK bestätigt uns, dass Verpoorten-Käufer mit einem hohen Non-Promo-Bon mehr Geld im Laden lassen. Um die muss sich ein Händler bemühen. Sonst hat man doch nur die Rosinenpicker, die das Toilettenpapier im Lidl und den Likör bei Netto kaufen.

Das lassen Sie sich dann aber auch was kosten. Nachdem 2016 bereits die Preise für Ihre Marke erhöht wurden, legen Sie jetzt zum April mit einer weiteren Erhöhung von rund 10 Prozent nach. Das ist im derzeitigen Marktumfeld mutig.

Aber wegen der Rohstoffmarktsituation beim knappen Ei notwendig. Unsere Preispolitik ist der Grund, warum es uns noch gibt. Wenn einer Marke nicht mehr zugestanden wird, Ertrag zu erwirtschaften, dann nagt sie am Hungertuch, und irgendwann ist es vorbei. Marken müssen dargestellt werden, neue Ideen müssen entwickelt werden. Wenn das nicht passiert, hat man sehr schnell ein Produkt für 4,99 Euro. Da fragt der Freund, dem man etwas zum Geburtstag mitbringen möchte: „Was schenkst du mir denn da? Was habe ich dir getan? Bin ich dir mehr nicht wert?“(lacht

Bei den Handelszentralen ist man so viel Selbstbewusstsein von einem Hersteller sicherlich nicht mehr gewohnt, oder?
Die Meinungsunterschiede zum Thema haben sich vor Weihnachten erfreulicherweise in unserem Sinne beruhigt. Wir haben ein seit Jahrzehnten bewährtes Konditions- und Preissystem, das bei Handelspartnern verstanden, akzeptiert und mitgetragen wird. Um es so zu sagen: Wenn der Chefeinkäufer der Metro zur Edeka geht, haben wir keine Angst, dass unsere Konditionen verglichen werden. Es gibt da keine Spreizung, die nicht darstellbar ist. Alles ist transparent und erklärt. Es gibt nicht mehr viele in der Branche, die eine solch klare Strategie fahren. Aus unserer Branche vermute ich hier spontan nur einen Hersteller aus Wolfenbüttel.

Wie teuer ist denn Ihr Produkt jetzt für den Endverbraucher?
Mit der Preiserhöhung zum April 2018 haben wir eine UVP von 11,99 bis 12,99 Euro für die 0,7-l-Flasche. Für die Aktion empfehlen wir nicht weniger als 10,99 Euro. Unser Aktionsanteil ist aber mit rund 25 Prozent eher gering. Wir begrenzen die Anzahl der Aktionen im Jahr auch bewusst.

Welche Rolle spielte der Fipronil-Skandal bei der Preisbildung?
Wir haben darauf sehr schnell reagiert und dem Handel und den Verbrauchern klar gemacht: Wir sind vom Fipronil-Skandal definitiv nicht betroffen. Wir haben hier am Standort für die Qualitätssicherung fünf Mitarbeiter im Labor, ausgerüstet mit modernster Analysetechnologie. Das kostet viel Geld. Hinzu kommt: Wir haben über Jahre vertrauensvolle Beziehungen zu unseren Vertragspartnern, die uns ausschließlich mit kontrollierter KAT-Ware (KAT steht für den Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen e. V.ā, Anm. der Redaktion) beliefern. Jedes Ei entspricht der Güteklasse A. Alle Lieferanten müssen zudem unsere Einkaufsspezifikation unterschreiben, die es in sich hat. Da wird genau geregelt, was in der Ware sein darf und was nicht. Das alles kostet Geld. Aber dadurch ist der Fipronil-Krug an uns glücklicherweise vorbeigegangen. Im Prinzip haben wir profitiert: Einige „Mitbewunderer“ mussten wochenlang aus dem Regal genommen werden, was natürlich einen Reputationsverlust darstellt. Verpoorten hat in dieser Situation bewiesen: Marke kostet vielleicht einen Ticken mehr. Sie ist aber auch einen Ticken zuverlässiger.


Warum steht die Produktion im Moment still?
Dies hat mit der Neuinstallation einer leistungsfähigen Spezialaufschlagmaschine in der Frisch-Ei-Abteilung zu tun. Sie wird gerade mit Eigen- und Fremdmonteuren eingefahren. Wir haben aber auch in einer solchen Marktlage, das Ei kostet momentan fast das Dreifache, keine Not, produzieren zu müssen, da wir genügend Flaschenware auf Lager haben. Abseits von der Fipronil-Geschichte gibt es auch Schwankungen beim Ei-Preis, etwa im Dezember zur Backzeit. Wir haben derzeit glücklicherweise nicht den Druck, produzieren zu müssen.

Wie würden Sie denn generell die Preisstellung von Spirituosen in Deutschland bewerten?
Wir haben durch die riesige Discountlandschaft natürlich einen brutal umworbenen Markt. Viele Unternehmen aus dem Ausland wundern sich, was hier für ein Wind weht. Dabei gibt es leider ein deutliches Gefälle zwischen der deutschen Spirituose und Importprodukten. Man gesteht einem Likör aus Irland oder Spanien einen Preis von 12,99 Euro leicht zu. Der deutsche Likör wird dann nicht selten für 4,99 Euro verramscht. Entsprechend ist natürlich die Wertschätzung aus Shopper-Sicht. Wir sind bewusst bei keinem Discounter gelistet.

Wo kommt diese Diskrepanz her?
Deutsche Produkte werden vom Handel falsch ausgepreist. Hier gilt das Importierte noch als das Besondere. Im Ausland ist es teilweise genau umgekehrt. Ich war gerade in Hongkong und die haben mir gesagt: „Ihr müsst da unbedingt Made in Germany“ draufschreiben. Volkswagen, Leica und viele andere Marken werden mit Qualität in Verbindung gebracht. Wir Deutschen trauen unseren Produkten einfach zu wenig zu. Für den besonderen Anlass muss es dann der Champagner sein, dafür bieten zum Beispiel Winzersekte von der Mosel für den Bruchteil des Preises auch eine tolle Qualität. Und der Sekt wird im LEH für 2,49 oder 3,99 Euro verramscht. Da muss man sich fragen, was da noch an Produkt enthalten sein soll, abzüglich Flasche, Karton und Logistik.

Sie gelten als Perfektionist. Was ärgert Sie, wenn Sie draußen beim Lebensmittel-Einzelhandel auf der Fläche sind?
Ganz klar: Out-of-Stocks. Vor allem vor den hohen Tagen. Da wird die Bedeutung der Marke zu den Highlights teilweise noch unterschätzt. Es reicht eben nicht, nur aus dem Regal eine Aktion zu fahren. Die Flaschen sind doch sofort weg. Und der Kunde wird mit einem Kopfschütteln begrüßt. „Sorry, wir haben das zwar beworben, aber können es Ihnen nicht geben.“ Das finde ich echt traurig.

Wir empfehlen mehr Mut zur Zweit- und Verbundplatzierung. Die Marke kann es! Wenn jemand keine Displays mag, kann er einen Aufbau mit 48 Flaschen im Karton machen. Sollte das mal nicht weggehen, kann die Ware ins Regal oder Lager zurück.

Aber mit zehn Flaschen kann man keine national bekannte Marke auf seiner Verkaufsfläche darstellen.

Wir bohren da bei manchen Händlern noch ein dickes Brett, aber ich bin überzeugt: Was der Weißwein kann, also zur Spargelsaison eine attraktive Verbundplatzierung mit Spargel, Sauce Hollandaise und Schäler, kann auch unser Markeneierlikör zu Saisonhöhepunkten wie etwa in der Erdbeerzeit zusammen mit Tortenböden und Sprühsahne schaffen.

Eierlikör zählt zu den derzeitigen Erfolgsstorys bei Spirituosen. Das ruft Nachahmer auf den Plan. Macht Ihnen das Sorgen?
Nein. Das sind hauptsächlich B-Marken, die sich da neu tummeln. Der Preiseinstieg beim Eierlikör liegt bei 3,99 Euro für die 0,7-l-Flasche. Aldi ist hier der Taktgeber. Ich bin gespannt, wie lange denen das noch Freude bereitet. Alle Lieferanten, die diesen Preis mit dem Handel möglich machen, zahlen derzeit wegen der deutlichen Ei-Rohstoffverteuerung drauf. Das ist auf Dauer nicht darstellbar.

Wer ist denn der Haupttreiber des Wachstums?
Das sind bitte wir. Da ist sonst keiner. Wir sind die einzigen, die kontinuierlich seit Jahrzehnten für die Gattung die Fahne hochhalten und Eierlikör nach vorne treiben.

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