Bier In der Verlängerung: Ernüchterung

Auf das allgemeine Hochgefühl und steigende Absätze im Zuge der Fußball-WM in Brasilien folgte schnell die Ernüchterung: Bier bleibt in Deutschland ein schwieriger Markt. Die Brauer reagieren mit unterschiedlichen Konzepten.

Dienstag, 18. November 2014 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild In der Verlängerung: Ernüchterung
„Die Fußball-WM hat gerade im Juni unser Biergeschäft perfekt gemacht.“
Dr. Volker Kuhl, Geschäftsführer Marketing/Vertrieb, Brauerei C. & A. Veltins
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Das „Märchen“ der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien liegt nun einige Monate zurück. Zunächst hatte es so ausgesehen, dass der Erfolg der deutschen Nationalmannschaft der heimischen Bierbranche einen gewaltigen Schub geben könnte. Um stolze 2 Mio. hl steigerten die deutschen Brauereien ihren Ausstoß insgesamt im ersten Halbjahr. Das entsprach einem Wachstum von 4,4 Prozent. Alleine für Juni, da war die Nationalmannschaft noch nicht mal in greifbarer Nähe des Titels, errechnete das Statistische Bundesamt ein Absatzplus von 14 Prozent.

Doch nach dem Fest folgte die Katerstimmung. Der verregnete August hat den Deutschen offensichtlich die Lust aufs kühle Bier vermiest. „Negative Einflüsse waren durchwachsene Wetterverhältnisse, speziell im Sommer, Umsatzrückgänge in der Gastronomie und der allgemeine Preisdruck“, fasst die Unternehmer-Initiative „Die freien Brauer“, ein Zusammenschluss aus 40 Brauereien, die Situation des Spätsommers zusammen. Eine Einschätzung, die vom Deutschen Brauer-Bund geteilt wird. Hauptgeschäftsführer Holger Eichele sagt: „Nach einem auch für die deutsche Brauwirtschaft sehr erfolgreichen WM-Sommer hat vor allem der regnerische und kühle August die Bilanz getrübt. Mitten in der Ferienzeit blieben viele Biergärten geschlossen, Volksfeste fielen regelrecht ins Wasser.“ Das kann man auch deutlich an den gemessenen Absätzen erkennen: So ging der Ausstoß in Deutschland insgesamt laut Statistischem Bundesamt im dritten Quartal gegenüber dem Vorjahr um 4,5 Prozent oder 1,2 Mio. hl zurück. Besonders die Mischgetränke verlieren: Mixes aus Bier und Limonade, Cola oder Fruchtsäften verkauften sich mit einem Minus von 18,7 Prozent deutlich schlechter als vor einem Jahr. Das Bundesamt erklärt dies unter anderem mit dem hohen Produktionsvolumen während der WM, welches erst abverkauft werden musste. Damit scheint sich nach dem kurzen Hochgefühl im Sommer und dem rauschenden Fußball-Fest, das scheinbar ohnehin bei vielen großen Fernsehbieren nicht angekommen zu sein scheint, der langjährige Trend wieder fortzusetzen: Die Deutschen trinken immer weniger Bier.

„Langfristig betrachtet verliert der Biermarkt in Deutschland seit Jahren Volumen von fast 1 Mio. hl jährlich“, sagt Oliver Bartelt, Sprecher von Anheuser-Busch InBev Deutschland. Dem deutschen Ableger der größten Brauereigruppe der Welt macht die schlechte Konsumstimmung besonders zu schaffen. 2013 verlor die Brauerei 7,1 Prozent an Menge. Das Unternehmen hat vor diesem Hintergrund schon im vergangenen Jahr die Weichen für sein Deutschlandgeschäft gestellt, um mit einer klaren Konzentration auf die Hauptmarken profitabel wachsen zu können. Das Deutschlandgeschäft verliert 2014 zwar weiterhin an Absatz, die Hauptmarken Beck’s und Franziskaner entwickelten sich in den ersten drei Quartalen 2014 aber positiv und gewinnen Marktanteile. Dies überrascht, hatte doch Anheuser-Busch InBev, wie viele andere Brauereien, die Preise nach 2013 auch im Februar 2014 noch einmal erhöht. „Das richtige Maß an Profitabilität ist in einem rückläufigen Markt Voraussetzung, um auch weiterhin in die Marken investieren zu können und so zukünftiges Wachstum und Erfolg des Unternehmens zu gewährleisten“, heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens zu den Preiserhöhungen.

Für den weltweit zweitgrößten Brauereikonzern SAB Miller verlief das Sommergeschäft ebenfalls enttäuschend. Der Umsatz sei von April bis Ende September zwar um insgesamt 5 Prozent gewachsen, teilte das Unternehmen (u. a. Pilsner Urquell) mit, und auch im lange schwächelnden Europa gab es einen Zuwachs von 3 Prozent. Beim Umsatz hatten Analysten jedoch mit einem deutlicheren Plus gerechnet.


Auch Warsteiner musste im ersten Halbjahr im Inland einen Umsatzrückgang hinnehmen, der mit einer Preiserhöhung zu erklären ist, wie Firmenchefin Catharina Cramer sagte. Die 36-jährige Warsteiner-Chefin führt das 1753 gegründete Familienunternehmen bereits in neunter Generation. Ihre Strategie gegen die Absatzflaute in Deutschland: mehr Export. „Ich will aus der nationalen eine internationale Marke machen“, sagt Cramer.

Ganz andere Erfahrungen mit dem Sommer hat offenbar eine andere Familiengeführte Brauerei: Veltins. Das Unternehmen aus Meschede-Grevenstein im Sauerland scheint noch viel Spaß am heimischen Markt zu haben und konnte, anders als einige Wettbewerber, offenbar deutlich am WM-Bonus partizipieren. Im Juni wurde nach Unternehmensangaben sogar soviel Veltins-Bier gebraut, wie in keinem anderen Vergleichsmonat der Unternehmensgeschichte. „Die Fußball-WM hat gerade im Juni durch die Vororder des Handels den pulsierenden Abverkauf unser Biergeschäft perfekt gemacht“, nennt Dr. Volker Kuhl, Geschäftsführer Marketing/Vertrieb, den dominierenden Einflussfaktor.

Für das kommende Jahr müssen sich die Brauer auf weitere Herausforderungen einstellen. „Im Jahr nach der Fußball-Weltmeisterschaft wird dem Markt Absatz fehlen“, prognostiziert Moritz von Twickel, von der Gräflich zu Stolberg’sche Brauerei Westheim, die dem Verbund „Die freien Brauer“ angehört. Hinzu kommen Kostensteigerungen, insbesondere im Personalbereich. Auf die Frage, wie auf solche Entwicklungen zu reagieren sei, antwortet Hugo Fiege, Privatbrauerei Moritz Fiege, damit, „dass Bier aus der Promotion-Ecke in Richtung Qualitätsgenussmittel rücken muss“. In eine ähnliche Kerbe schlägt Susanne Horn von der Neumarkter Lammsbräu, die dem kommenden Jahr zuversichtlich entgegenblickt: „Bier steht vor einem Imagewandel hin zum Genussmittel. Die Qualität wird endlich wichtiger werden, die Herkunft der Rohstoffe, handwerkliche Braukunst – kurzum: Immer mehr Menschen wollen ein besonderes Bier mit Geschichte statt möglichst günstig trinken.“ Ob diese optimistische Prognose so wirklich eintreffen wird, bleibt abzuwarten. Zumindest aber der Erfolg der Craft-Biere und das steigende Interesse des Handels an preislich höher positionierten Konzepten wie beispielsweise Braufactum zeigen, dass Horn Recht behalten könnte.

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Dr. Volker Kuhl, Geschäftsführer Marketing/Vertrieb, Brauerei C. & A. Veltins
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Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes

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