Bauern und Händler An einem Strang

Im neuen Projekt „Bauern treffen Händler. Händler treffen Bauern“ treffen sich künftig junge Nachwuchsführungskräfte aus dem Bereich der Landwirtschaft und dem Lebensmittelhandel. Was geplant ist, erklären Gabriele Droste-Kühlung, Schulleiterin der Justus-von-Liebig-Schule, und Thorsten Fuchs, Leiter der Food Akademie, im Interview.

Freitag, 26. Februar 2021 - Fleisch
Marcus Arden und Jens Hertling
Artikelbild An einem Strang
Bildquelle: Justus-von Liebig-Schule Vechta

Das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel ist belastet. Das wollen Sie ändern und künftig Schüler aus den Fachbereichen Handelsfachwirt und Betriebswirt Landwirtschaft an einen Tisch bekommen. Was planen Sie und was sind die Ziele des Projektes?
Thorsten Fuchs:
An der Food Akademie Neuwied bilden wir Fachschüler für die erfolgreiche Selbstständigkeit als Lebensmittelkaufmann aus. Wir vermitteln unseren Schülern, dass der Händler immer dann den größten Erfolg hat, wenn er mit den Landwirten zusammenarbeitet. Wir erarbeiten außerdem Konzepte, wie Wertschöpfung gemeinsam in der Kette gelingen kann. Dabei spielen die Themen Regionalität und Produktqualität eine große Rolle. Am Ende müssen Handel und Landwirtschaft zusammen nach Lösungen suchen, denn die Spielverderber sind ganz andere.
Gabriele Droste-Kühling: Uns an der Landwirtschaftsschule ist wichtig, dass Lebensmittelproduktion und -handel nicht allein unter den Gesichtspunkten Wertschöpfung und Gewinnmaximierung zu betrachten sind. Ganz wesentlich ist auch die Wertschätzung der produzierten Lebensmittel. Unsere Schüler sollen das Rüstzeug für die erfolgreiche Selbstständigkeit erhalten, um ihre Betriebe zukunftsfähig aufstellen zu können. Dabei geht es immer häufiger auch um die Frage, wo die Kosten für eine umwelt- und tiergerechte Produktion unserer Lebensmittel entstehen und wer sie tragen muss.

Welche Vorteile sehen Sie durch die Zusammenarbeit?
Droste-Kühling: Die Auseinandersetzung mit dem Thema Lebensmittelproduktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette und den Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, führt zu einer ganz anderen ethischen Haltung z. B. gegenüber den Fragen „Was ist ein fairer Preis?“ und „Ist die Übernahme der Kosten für Umwelt und Tierwohl alleinige Sache des Produzenten?“, als wenn man das nur durch die Brille der Landwirtschaft betrachtet. Ebenso von Bedeutung ist, dass die Fachschüler der Agrarwirtschaft die Prämissen des Handels näher und besser kennenlernen und sich im direkten Kontakt mit den zukünftigen Betriebsverantwortlichen austauschen können.
Fuchs: Unsere Fachschüler lernen zwar die Handelskalkulation, haben aber keine Ahnung davon, welche Kosten bei der Produktion von Milch oder Fleisch entstehen. Durch die Zusammenarbeit lernen sie das künftig.

Welche Alters- bzw. Schulklassen nehmen an dem Projekt teil?
Fuchs: Für die Lebensmittelfachschule wird die Abschlussklasse HBW A20 (Handelsbetriebswirte Vollzeit) teilnehmen. Die neun Schüler sind im Alter von 21 bis 45 Jahre. Einige von ihnen sind Junioren und werden in wenigen Monaten im elterlichen Betrieb Verantwortung übernehmen.
Droste-Kühling: Von der Justus-von-Liebig-Schule werden 22 Schüler im Alter von 20 bis 26 Jahren an dem Projekt teilnehmen. Die Schüler engagieren sich schon jetzt größtenteils im elterlichen Betrieb und sind dadurch täglich mit Fragestellungen des Berufes konfrontiert.

Wie oft werden die Schüler gemeinsam diskutieren und wie muss man sich den Ablauf vorstellen?
Fuchs: Die Schüler arbeiten bereits mit ihren Fachlehrern intensiv am Projekt. Primär geht es im ersten Schritt darum, dass in der Unternehmensführung bzw. Kalkulation jede Seite ihre Hausaufgaben macht und die entsprechenden Zahlen parat hält. Im zweiten Schritt sollen die Ergebnisse dann im Sinne der Wertschöpfungskette zusammengeführt werden. Dazu wird es die ein oder andere Online-Konferenz geben. Wenn danach jede Klasse für sich separat an ihren Aufgaben weiterarbeitet, ist es wichtig, den roten Projektleitfaden nicht zu verlieren.

Wann ist das erste offizielle Treffen geplant?
Droste-Kühling: Das erste persönliche Treffen ist vom 19. bis 21. Mai 2021 im Landkreis Vechta vorgesehen, sofern Corona das zulässt. Dann wird sich unser Management-Nachwuchs bei gemeinsam gestalteten Unterrichtseinheiten und Besichtigungen landwirtschaftlicher Betriebe austauschen. Da alle Schüler das Treffen selbst finanzieren müssen, waren wir bisher in unseren Möglichkeiten sehr eingeschränkt. Wir freuen uns sehr, dass Lidl unser erstes Treffen mit 5.000 Euro unterstützt. Damit können die Kosten für den Reisebus und die Unterkunft gedeckt werden.

Welche Themen sollen in der Diskussion angesprochen werden?
Fuchs: Behandelt werden ausschließlich betriebswirtschaftliche Fragen. Wir haben den Anspruch, dass wenn es die Großen der Branche nicht schaffen, zumindest der Management-Nachwuchs die Wertschöpfungskette gemeinsam voranbringt. Deshalb konzentrieren wir uns in der ersten Phase auf die Unternehmensführung bzw. die Kalkulation. Im Konkreten geht es um die Vollkostenkalkulation der Schweine- und Bullenmast auf Erzeugerseite sowie um die entsprechende LEH-Kalkulation von Fleisch an der Bedien- und SB-Theke. Und damit der praktische Aspekt nicht zu kurz kommt, wird die Diskussion natürlich durch den Besuch eines Schweine- und Bullenmastbetriebes bzw. Haltungsfragen ergänzt. Beim Präsenztreffen im Mai legen die Schüler dann die nächsten Themen fest. Denn das Projekt verspricht nur Erfolg, wenn es auch langfristig angelegt ist. Wir glauben, da haben sich mit der Food Akademie und der Unternehmerschule Agribusiness die „zwei Richtigen“ getroffen.

Welchen Nutzwert können die Schüler der beiden Fachrichtungen aus Ihrer Sicht ziehen? Wo sehen Sie die Vorteile der Kooperation?
Fuchs: Unsere Fachschüler werden mit diesem Projekt die Wertschöpfungskette viel besser verstehen und ihr Netzwerk erweitern. Gemeinsam mit ihren Kollegen von der Agrarfachschule werden sie den Großen zeigen, dass Wissen die Basis erfolgreicher Verhandlungen ist.
Droste-Kühling: Es wäre wünschenswert, wenn sich eine solche Kooperation langfristig verstetigt und deren Erkenntnisse und Ansätze Beachtung bei den Diskussionen und Absprachen zwischen Handel, Agrarwirtschaft und Politik finden. In Zukunft wird es hoffentlich dazu führen, dass bei den Diskussionen um Preispolitik deutlich mehr Transparenz herrscht und man sich eventuell auf eine gemeinsame Sprache verständigen kann. Bei den jungen Leuten, die jetzt erste Erfahrungen in der Selbstständigkeit sammeln, trägt es hoffentlich dazu bei, dass eine gewisse Neugier, Offenheit und vor allem die Bereitschaft zur Kommunikation erhalten bleiben und in Zukunft miteinander statt übereinander gesprochen wird.

Wer ist auf der Medienseite Mitinitiator des Projektes und wo finden Interessierte die Ergebnisse der Diskussionsrunden?
Fuchs: Zu den Initiatoren gehören die Fachzeitschriften Top Agrar und die Lebensmittel Praxis sowie Franz-Martin Rausch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels.

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