In Deutschland werden jährlich 45 Millionen männliche Küken kurz nach dem Schlüpfen routinemäßig getötet, weil die Aufzucht für Brütereien nicht lohnend ist: Sie legen keine Eier und setzen nicht so viel Fleisch an. Teils ist von „Schreddern“ die Rede, die Küken werden meist aber mit Gas getötet. Das Töten männlicher Küken soll ab Anfang 2022 in Deutschland verboten sein. Das sieht ein Gesetzentwurf von Agrarministerin Julia Klöckner vor, den das Bundeskabinett beschlossen hat. Das Bundesverwaltungsgericht entschied 2019, dass Tierschutzbelange schwerer wiegen als wirtschaftliche Interessen und erklärte die Praxis nur noch für eine Übergangszeit für zulässig. Klöckner sagte, Deutschland sei das erste Land, das das Kükentöten gesetzlich unterbinde. Methoden zur Geschlechtsbestimmung seien für Betriebe eine konkrete Lösung, um ein Abwandern und damit eine Auslagerung dieser Tierschutzfrage zur verhindern. Konkret soll ab 1. Januar 2022 verboten werden, männliche Küken zu töten, „die aus Zuchtlinien stammen, die auf die Legeleistung ausgerichtet sind“. In einem zweiten Schritt tabu sein sollen dann ab 1. Januar 2024 auch „Eingriffe an einem Hühnerei“ ab dem 7. Tag des Brütens, um das Geschlecht vor dem Schlüpfen zu bestimmen. Hintergrund ist, dass Embryos vor dem 7. Tag kein Schmerzempfinden haben, wie das Ministerium erläutert. Derzeit seien Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei zwischen dem 9. und 14. Tag marktreif.
Die Methoden zur Bestimmung
Für die Bestimmung der Küken stehen diese Methoden zur Verfügung:
- Bei der Nah-Infrarot-Raman-Spektroskopie wird mit einem optischen Laser gearbeitet. Dieser kann 72 Stunden nach dem Legen das Geschlecht des Embryos im Ei ermitteln. Die Methode macht sich dabei die unterschiedliche Größe der männlichen und weiblichen Geschlechtschromosomen bei Hühnern zunutze. Hier wird zunächst mithilfe eines Lasers ein kleines Loch in die Kalkschale des Eies geschnitten. Dann wird mit einem weiteren Laser, der eine geringere Lichtintensität besitzt, die eigentliche Spektroskopie durchgeführt. Die Forscher erkennen so, wie hoch der Anteil der Nukleinsäure bei dem Embryo ist oder wie die Proteine aussehen. Nach der Analyse wird das Loch in der Schale mit einem Pflaster wieder verschlossen, wenn es sich um weibliche Küken handelt. Die männlichen Embryonen würden dagegen nicht mehr weiter bebrütet.
- An der TU München setzen Forscher auf die Kernspintomografie (MRT), wobei die Technik sowohl das Geschlecht als auch den Befruchtungsstatus bestimmt. Die Eierschale wird dabei nicht beschädigt. Der Embryo wird nicht in der Entwicklung gestört, und es entsteht keine Eintrittspforte für Keime in das Ei.
- Ein weiteres Projekt ist das sogenannte endokrinologische Verfahren, das Wissenschaftler der Universität Leipzig entwickelt haben. Dabei stechen die Forscher das Ei mit einer feinen Nadel an, nachdem es neun Tage lang angebrütet wurde. Die Nadel entnimmt Flüssigkeit, welche die Forscher in einen Marker geben. Dieser zeigt an, ob der Embryo weiblich oder männlich ist. Der Embryo bleibt bei dem Verfahren laut der Entwickler unversehrt. Das Einstichloch ist so klein, dass es nicht verschlossen werden muss.
Zweinutzungshühner und andere
Diese Alternativen gibt es:
- Sogenannte „Zweinutzungshühner“ stammen aus einer Rasse, bei denen sowohl die Hähne als auch die Hennen genutzt werden. Die Hennen legen weniger und teilweise kleinere Eier als gewöhnliche Legehennen. Die Hähne wachsen langsamer und werden nicht so groß wie konventionelle Masthühner. Trotzdem können Betriebe sowohl die Eier als auch das Fleisch verkaufen.
- Das Bruderhahnprinzip funktioniert so, dass die männlichen Küken aus der Legehennenzucht nicht direkt nach der Geburt getötet werden, sondern weiterleben. Das ist allerdings teurer als bei weiblichen Küken, da die Küken aus der Legehennenzucht weniger Fleisch ansetzen. Deswegen kosten die gelegten Eier der Schwestern im Durchschnitt vier Cent mehr: Durch diesen Aufpreis wird das Futter ihrer Küken-Brüder finanziert, wodurch auch ihre längere Mastzeit für den Landwirt kein finanzielles Problem mehr darstellt und das Fleisch der Bruderhähne zu normalen Preise angeboten werden kann.
Wie macht es der Handel?
a) Die Rewe-Märkte bieten bereits seit Frühjahr 2016 den Kunden Frischeier der Eigenmarken an, in deren Lieferkette keine Küken getötet wurden. Dabei setzt der Händler sowohl auf das Bruderhahnkonzept als auch auf die Geschlechtsbestimmung im Ei. Noch im laufenden Jahr plant der Händler, sukzessive alle frischen Schaleneier der Eigenmarken nur noch mit der tierwohlfreundlicheren Praxis produzieren zu lassen. Eine Kehrtwende in der Kükentöten-Praxis initiierte der Händler bereits 2016 mit dem Bruderhahn- und Tierwohl-Projekt „Spitz & Bube“: Statt die männlichen Küken eines Schlupfes auszusortieren, werden sie bis zur Schlachtreife aufgezogen. Während der Mast fördert der Einsatz von Beschäftigungsmaterial wie Strohballen und Picksteine ein artgerechtes Verhalten mit Scharren und Picken. Sowohl die Legehennen als auch die Masthähnchen bekommen nur gentechnikfreies Futter. „Spitz & Bube“-Eier werden bereits bundesweit in allen Rewe-Märkten aus Bio-, Freiland- und Bodenhaltung angeboten. In einem weiteren Schritt hat der Händler 2018 die „Respeggt“-Freiland-Eier eingeführt. Durch eine innovative Technologie können die Bruteier bereits ab dem 9. Tag nach ihrem Geschlecht sortiert werden. Anschließend werden nur die weiter ausgebrütet, die weibliche Küken enthalten. Die männlichen Bruteier werden zu einem hochwertigen Futtermittel verarbeitet. Die „Respeggt“-Freiland-Eier im 6er-Pack sind am Herzsiegel „Ohne Kükentöten“ zu erkennen und in sämtlichen 3.600 Rewe-Märkten erhältlich. Der Preisaufschlag liegt aktuell bei rund 2,5 Cent je Ei.
b) Kaufland bietet bereits seit 2016 Eier aus dem Bruderhahnkonzept an, mittlerweile bundesweit in allen deutschen Filialen. Hierzu zählen Eier der Initiative „Huhn und Hahn“, die in Süd-, West- und Norddeutschland erhältlich sind. In Ostdeutschland fördert der Händler mit dem Angebot von Eiern aus der Initiative „Brüderchen und Schwesterchen“ gleichermaßen die artgerechte Aufzucht von Hähnen. Die Kunden erhalten nach Auskunft der Pressestelle somit bundesweit in jeder Filiale mindestens eine Eier-Alternative aus diesen Bruderhahnkonzepten. „Es ist unser Ziel, bis Ende 2021 im gesamten Frischei-Sortiment keine Eier mehr anzubieten, bei denen die Aufzuchtbetriebe für Legehennen männliche Küken verwerfen“, schreibt die Pressestelle. Die Mengen angelieferter Frischeier für die Eigenmarke K-Bio sind bereits zu zwei Drittel auf kükentötenfreie Lieferketten umgestellt. Um dieses Ziel zu erreichen, akzeptiert der Händler alle gängigen Methoden, durch welche das Kükentöten vermieden werden kann, zum Beispiel die Früherkennung des Geschlechts im Ei. „Aus ethischen Gründen ist es uns wichtig, dass die Aussortierung der Eier mit männlichen Embryos bereits in einem sehr frühen Bebrütungsstadium stattfindet, deshalb akzeptieren wir die Detektion und Aussortierung nur bis zum 9. Tag des Bebrütungsstadiums. Eine spätere Detektion schließen wir aus“, schreibt die Pressestelle.
c) Seit Dezember 202o sind bei den Discountern Aldi Süd und Nord die ersten Bio-Eier „ohne Kükentöten“ in vereinzelten Regionen erhältlich. „Auch vor unserer Entscheidung, das Kükentöten in der Produktion unserer Schaleneier ganz zu beenden, haben wir die Aufzucht von sogenannten Bruderhähnen unterstützt. So sind in einigen unserer Filialen bereits seit 2017 „Henne & Hahn“-Eier aus Bodenhaltung erhältlich, die aus einem Bruderhahnprojekt“ stammen“, teilte die Pressestelle mit. Bei der Abschaffung des Kükentötens setzen der Händler verstärkt auf die Aufzucht der sogenannten Bruderhähne. „Unsere gesamten Bio-Eier wollen wir künftig aus der Bruderhahn-Aufzucht beziehen“, schreibt die Pressestelle. Bei den Aldi-Süd-Regionalgesellschaften Rheinberg und Kirchheim sind seit Kurzem die ersten Bio-Eier aus der Bruderhahn-Aufzucht erhältlich. Ab Mitte 2021 können die Kunden in insgesamt rund 20 Verkaufsregionen Bio-Eier und Eier aus Freilandhaltung kaufen, für die keine männlichen Küken sterben mussten, so die Pressestelle. Auch die Produktion der Eier aus Bodenhaltung soll zeitnah umgestellt werden. Ab spätestens Ende 2022 wird in der Produktion der Schaleneier kein männliches Küken mehr getötet, teilt die Pressestelle mit.