Branchendialog Die Fleischbranche denkt um

Wie kann es gelingen, das Image der Fleischbranche beim Verbraucher wieder geradezurücken? Darüber diskutierten Fachleute beim Branchendialog Fleisch.

Freitag, 06. Juli 2018 - Fleisch
Heidrun Mittler

Ein „Weiter so“ ist ausgeschlossen. Die Art und Weise, wie wir Nutztiere halten und vermarkten, muss sich ändern. So lautet ein Fazit des Branchendialogs Fleisch, zu dem sich zahlreiche Vertreter aus Landwirtschaft, Industrie und Handel getroffen haben.

Werner Kloos, Leiter der Stabsstelle Nutztierstrategie im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, forderte: „Wir müssen den Stall sauber halten!“. Denn mittlerweile sei in der Mitte der Gesellschaft die Überzeugung verbreitet, dass Massentierhaltung nicht akzeptabel sei. In den vergangenen Jahrzehnten herrschte laut Kloos in der Tierzucht die Vorgabe: mehr Leistung! Nun aber laute die Devise: mehr Tiergesundheit! Außerdem müsse die Branche Umweltaspekte sehr ernst nehmen, wie nicht zuletzt die Diskussion über Nitrat im Trinkwasser zeige.

Dirk Nennen, Mitglied der Geschäftsleitung Handelshof und zudem Metzgermeister, berichtete mit großem Enthusiasmus über das Programm „Duke of Berkshire“. So heißt eine robuste Schweinerasse. Im Rahmen des Programms leben die Tiere in einem Offenstall, die Mast dauert deutlich länger als bei herkömmlichen Schweinen. Die Tiere werden in einem speziellen Schlachthof ohne Stress geschlachtet und dann in spezielle Zuschnitte zerlegt. Nennen ist nicht nur von der Art der Haltung, sondern auch vom Geschmack des Fleisches überzeugt. Die Kosten in der gesamten Produktionskette sind zwei- bis dreimal höher als in der herkömmlichen Aufzucht. Aber: „Dadurch schaffen wir eine Kundenbindung ohnegleichen“, weiß er. Und: „Der Kunde, der das Duke-of-Berkshire-Fleisch kauft, kauft auch den teueren Wein dazu.“ Dieses spezielle Programm ist derzeit noch eine Nische beim Handelshof. Aber Nennen fordert die Branche auf, jetzt zu handeln, anstatt die Probleme im Kern tot zu diskutieren.

Branchendialog Fleisch und Wurst

Der jüngste Dialog stand unter dem Motto: „Kundenorientierung – vom Wellness-Stall bis auf den Teller“. Ausrichter der Veranstaltung sind drei Partner: AMI Agrarmarkt Informationsgesellschaft, GS1 Germany und Lebensmittel Praxis. Neben den im Text (S. 64) erwähnten Themen ging es ferner um die Entwicklung der Exportmärkte im Fleischbereich. Außerdem um Digitalisierung in der Fleischbranche und wie man sich moderne Technik in den Betrieben zunutze machen kann. Weiter auf der Tagesordnung: GVOfreie Fütterung. Zwei Start-ups und das etablierte Unternehmen Reinert präsentierten neue Projekte. In einer anschließenden Diskussionsrunde wurde die Frage „Innovation oder Tradition?“ angerissen. Dabei diskutierten die Teilnehmer und das Publikum kontrovers über antibiotikafreie Aufzucht im Schweinestall. Nach einem abendlichen Get-Together in einem Kölner Brauhaus endete die Veranstaltung mit einer Betriebsbesichtigung bei Rungis Express in Meckenheim. Rungis Express liefert qualitativ hochwertige Produkte für die anspruchsvolle Gastronomie: Fleisch und Geflügel, aber auch Fisch und Meeresfrüchte, handgemachte Pasta sowie besondere Molkerei- und Brotspezialitäten.

Ingo Stryck, Geschäftsführer Marketing bei Wiesenhof, erklärte detailliert, mit welchen Maßnahmen das Unternehmen seit mehr als 20 Jahren die Haltungsbedingungen für Geflügel verbessert. Nur ein paar Stichpunkte zum „Privathof“-Geflügel: langsam wachsende Rasse, längere Mastdauer, Tiere haben deutlich mehr Platz und Auslauf, Sitzstangen, Stroh und Picksteine, sie werden mit gentechnikfreiem Futter versorgt. Seit Wiesenhof im Herbst 2017 in die Wurstproduktion eingestiegen ist, kommt Privathof „aus den Puschen“. Das Trading-up funktioniert, so Stryck, „ist aber labil“. In der Bio-Schiene hingegen habe man „Geld versenkt, aber Kompetenzen entwickelt“.

Gereon Schulze Althoff, Leiter Qualitätsmanagement und Veterinärwesen bei Tönnies, stellte den „Kunden-Dialog“ vor, mit dem das Unternehmen seit Kurzem auf Verbraucher zugeht. Auf seiner Seite www.toennies-dialog.de erörtert das Fleischunternehmen mit globaler Marktpräsenz schwierige und durchaus unbequeme Fragen von kritischen Personen und Interessengruppen. Schulze Althoff: „Wir können uns der Diskussion nicht mehr verschließen, sondern sind gefordert, zusammen mit unseren Partnern und der Wissenschaft (...) Lösungen für die relevanten Themen zu finden.“

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