Mutig, mutig: Hans-Ewald Reinert, Geschäftsführender Gesellschafter der „westfälischen Privat-Fleischerei Reinert“, prescht beim Thema Antibiotika vor. Im Juli kommen die ersten Produkte von Schweinen in den Handel, die komplett ohne Antibiotika aufgezogen worden sind.
Viele in der Fleischwarenbranche ärgern sich über den Vorstoß des Familienunternehmens. Schließlich bringt das Unternehmen aus Versmold ein kritisches Thema an die Öffentlichkeit. Antibiotika-Resistenzen, die durch die intensive Tierhaltung mitverursacht werden, sind alles andere als verkaufsfördernd. Und wenn Reinert das neue Programm „ohne Antibiotika“ verkauft, ist die Aufzucht der Tiere für die bisherigen Produkte dann nicht automatisch „mit“ den unerwünschten Medikamenten belastet?
Hans-Ewald Reinert, der als CEO für einen Umsatz von jährlich 340 Millionen Euro geradesteht, kennt die Argumente und Befürchtungen zur Genüge. Als Hersteller von „Bärchenwurst“, „Schinken-Nuggetz“ oder „Sommerwurst“ weiß er zudem genau, wie entscheidend ein günstiger Preis für den Absatz von Fleisch- und Wurstwaren ist. Und doch ist Antibiotika-freie Aufzucht für ihn eine „Herzenssache“ – dementsprechend benennt er seine neue Produktlinie auch so. Reinert startet mit acht Produkten, vier davon für die Bedienungstheke. Der Preis soll „über der konventioneller Ware, aber unter der von Bio-Ware liegen“, so seine Vorstellung.
Bei der Suche nach landwirtschaftlichen Partnern ist Hans-Ewald Reinert in Dänemark fündig geworden. Die dänischen Schweinehalter gelten in Europa als Vorreiter für die Reduzierung von Antibiotika, schon seit 2006 laufen hier entsprechende Programme mit offiziellen Fördermitteln (siehe auch Kasten). Reinert ist dort mit Danish Crown handelseinig geworden, dem weltweit größten Exporteur von Schweinefleisch.
Gezüchtet ohne Antibiotika
Derzeit wachsen die Tiere bei 38 dänischen Landwirten auf. Intern sprechen die Verantwortlichen von goA-Tieren, die Abkürzung steht für „ g ezüchtet o hne A ntibiotika“. Weitere Bauern können ins Projekt einsteigen, sobald die Nachfrage nach dem speziellen Fleisch steigt. Zurzeit wachsen 200.000 Tiere im goA-Programm auf, schon 2021 soll die Zahl auf 1,3 Millionen steigen.
Die Aufzucht der Tiere ist teurer als die in herkömmlichen Ställen: Die Tiere haben etwas mehr Platz, sie werden von mehr Personal betreut und werden etwa eine Woche länger gemästet, bevor sie ihr Schlachtgewicht erreicht haben. Dafür wird der teilnehmende Landwirt besser bezahlt, er erhält derzeit 20 Cent mehr pro Kilo Schweinefleisch.
Übrigens: Auch in diesem Programm werden manche – aber wenige – Schweine krank und müssen mit Antibiotika behandelt werden, um wieder gesund zu werden. Sie wachsen dann weiter bei dem Bauern, aber räumlich getrennt, auf und bekommen die Ohrmarke entfernt. Das Fleisch dieser Schweine geht in die konventionelle Schiene.
Warum gerade Dänemark?
Die dänische Landwirtschaft setzt Antibiotika im internationalen Vergleich in niedrigen Mengen ein. In der Schweineproduktion konnte der Verbrauch seit 2009 um ein Viertel gesenkt werden. Illegale Arzneimittel werden nicht vermehrwendet. „Die gute Gesundheitsvorsorge unserer Schweineproduzenten sowie ihre erfolgreiche Vorbeugung vor Infektionen und anderen Krankheiten haben wohl den größten Anteil am Erfolg“, erklärt Christian Fink Hansen, Leiter Schweineproduktion im Dänischen Fachverband der Land- und Ernährungswirtschaft. In Dänemark dürfen Tierärzte Arzneimittel nur verschreiben, während der Verkauf Apotheken vorbehalten ist. Die Apotheken melden alle Lieferungen von verschreibungspflichtigen Tierarzneimitteln an die zentrale Datenbank VetStat. Antibiotika dienen in Dänemark zur Behandlung krankerTiere, vorbeugende Antibiotika- Gaben sind nicht zulässig. Auch in anderen Ländern, in Europa unter anderem in Deutschland und Belgien, arbeiten einige Fleischerzeuger am Thema weniger Antibiotika in der Schweinehaltung.
Nachhaltig Wirtschaften
„Eine Herausforderung besteht darin, das ganze Schwein zu vermarkten“, sagt Hans-Ewald Reinert. In der Startphase verarbeitet sein Unternehmen Teile zu Schinken und Salami, Danish Crown vermarktet den Rest des Tieres. Ziel sei es, sukzessive die kompletten Schweine zu verarbeiten, was von der Produktionsseite bei Reinert grundsätzlich machbar ist: „Wir sind Vollsortimenter“, ergänzt der Firmenchef. Er setzt seine ganze Energie daran, den Handel von seiner Herzenssache zu überzeugen und ist sich sicher: „Das wird die Marke Reinert deutlich aufwerten“.