Plastikfrei putzen Blätter statt Pulver - wie Delta Pronatura den Markt revolutioniert

Blätter, Tabs, Caps, Produkte zum Selbstanrühren: Abseits gängiger Angebote bieten Mittelständler und Start-ups Produkte, die Bewegung in den Waschmittel-Markt bringen sowie Chancen auf Differenzierung.

Freitag, 26. Juli 2024, 06:00 Uhr
Susanne Klopsch
Bildquelle: Getty Images

Nils Beckmann und Marco Buschmeier haben eine Vision. Blätter statt Pulver. Zum Wäschewaschen. Packung auf, Blatt in die Maschine legen, Wäsche drauf und los geht’s. Das war 2022. Die Vision kam beim innovationshungrigen Handel und den Verbrauchern gut an. So gut, dass 2024 eine weitere Produktkategorie im Handel um eine Blättervariante erweitert wurde. Seitdem helfen Blätter auch, das WC zu säubern oder flott den Hausputz über die Bühne zu bringen. Das Reinigungsmittel wird komprimiert und in Blattform getrocknet. Es löst sich im Wasser rückstandsfrei auf. Die leichten Verpackungen lassen sich im Handel flott verräumen, brauchen wenig Platz im Lager. Für das Familienunternehmen Delta Pronatura aus dem hessischen Egelsbach mit CEO Nils Beckmann sind die Blätter ein großer Erfolg: Es ist der Einstieg in eine neue Kategorie. Beckmann steht im vierköpfigen Management Board an der Spitze des Unternehmens. Marco Buschmeier ist als CMO (Chief Marketing Officer) zuständig für den Bereich Marketing, Innovation & Development und Sustainability. Dabei sind die Hessen alte Bekannte im Markt: Sie vertreiben die Marken Dr. Beckmann, Bullrich, Blistex und Bi-Oil.

Sind die Verbraucher bereit für neue Darreichungsformen? Auf jeden Fall, sagt auch Paul Vetter (General Manager Henkel Consumer Brands Deutschland): „Der Trend unter Verbrauchern geht nach wie vor zu vordosierten Produkten. Die Darreichungsform Pre-dosed ist das am stärksten wachsende Segment.“ Henkel ist vor allem mit den Persil Discs, aber auch den Caps am Markt. Weniger Verpackung, leichter als Flüssig- oder Pulverwaschmittel, einfach zu dosieren: Die Vorteile lägen auf der Hand.

Spannend ist der Blick auf Zahlen von NielsenIQ Germany für Waschmittel. Innerhalb Jahresfrist (52 Wochen, 1. Quartal 2023 bis zum 31. März 2024) stieg mit Blick auf die Vorjahresperiode der Absatz (Verpackung) für Flüssig-Caps um 0,5 Prozentpunkte auf 6,6 Prozent. Der Marktanteil in Lebensmittelhandel und Drogeriemärkten liegt bei 14,3 Prozent. Der Absatz der Blätter stieg um 82 Prozent. Im Vergleich der beiden ersten Quartale von 2023 und 2024 sind es sogar 150 Prozent (siehe Grafik).

Waschmittel

Natürlich, das Startniveau ist gering bis kaum vorhanden. Der Markt muss entwickelt werden. Wie gesagt, Delta Pronatura ist erst seit 2022 mit der Blätter-Lösung am Start. Der Handel hat das Potenzial jedenfalls sofort erkannt, wie Marco Buschmeier sagt: „Dies ist eine Bestätigung für unsere Innovation, da Dr. Beckmann vorher im Bereich Waschmittel nicht vertreten war.“ Sowohl Waschmittel- als auch Reinigungsblätter seien national in Deutschland bei Drogeriemärkten und im Lebensmittelhandel zu finden. Online werden sie über Amazon vertrieben. „Beim Absatz der Waschmittelblätter bewegen wir uns im mittleren siebenstelligen Bereich“, erklärt Buschmeier.

Produziert werden die Blätter in China, „exklusiv für uns und exakt nach unseren Vorgaben“, sagt Buschmeier. Entwicklung und Rezeptur stammen aus Egelsbach. Die hauseigene Abteilung Innovation und Entwicklung stehe in regelmäßigem Austausch mit dem Produzenten, um die Einhaltung der EU-Standards und -Vorgaben gewährleisten zu können. „Wir sind uns der CO2-Emissionen durch die entstehenden Transportwege bewusst, arbeiten aber daran, unsere Prozesse diesbezüglich zu optimieren“, sagt Buschmeier.

Das Unternehmen hat das Ziel, bis 2030 die Lieferanten auf Basis ökologischer und sozialer Kriterien auszuwählen und so die Nachhaltigkeitsleistung der Produkte und Prozesse zu steigern. Seit dem Launch 2022 entwickelten die Hessen die Blätter weiter, verbesserten Techno­logie, Inhaltsstoffe und Reinigungsleistung. „Es war uns wichtig, auf nachhaltige Inhaltsstoffe und recycelbare Materialien zu setzen“, sagt Buschmeier. „Wir verwenden bis zu 80 Prozent weniger Verpackung im Vergleich zu Reinigern in Flaschen.“ Die Blätter sind vegan und frei von Mikroplastik. Eine Packung enthält 25 Blätter (rund 3,50 Euro etwa bei dm). Im April kamen die verbesserten Waschmittelblätter erweitert um die Variante Sensitiv in den Handel. Neu sind auch die WC- und Allzweckreiniger.

Markenauftritt modernisiert

Mit den modernen Produkten unter einer etablierten Marke will Delta Pronatura mehr jüngere Konsumenten von seinen Helfern im Alltag überzeugen. Die Hessen arbeiten mit Influencern zusammen und steuern die laufende ­Werbekampagne zudem online über Youtube, Instagram und Facebook aus.

Das Familienunternehmen stellte sich zu Jahresbeginn neu auf. Senior Heiner Beckmann zog sich zurück, sein Sohn Nils leitet das Unternehmen als CEO mit einem vierköpfigen Team. Neben Buschmeier gehören Michael Klingel als Director Global Operations und Jan Zimpelmann als Director Finance & Administration dazu. Der Markenauftritt wurde modernisiert, das Verpackungsdesign angepasst. 2022 machten die Hessen rund 210 Millionen Euro Umsatz. Der Auslandsanteil ist mit 68 Prozent hoch, das Unternehmen in mehr als 70 Ländern aktiv. Kernmarken sind Dr. Beckmann sowie Bullrich. Blistex und Bi-Oil werden in Lizenz vertrieben. Buschmeier erwartet weiter steigende Umsätze: „Unser mittelfristiges Ziel ist es, bis Ende 2029 mehr als 350 Millionen Euro umzusetzen, unser Kurs steht auf Wachstum.“

Seit Juli 2023 hat Hygienepapier-Hersteller Fripa unter der Marke Oecolife ebenfalls Waschmittelblätter im Sortiment: Diese Blätter sind perforiert, können bei Bedarf geteilt werden. Eine Packung enthält 60 Blätter (Grundpreis 9,99 Euro). „Nach dem erfolgreichen Start der Waschmittelstreifen mit Duft haben wir wegen der hohen Nachfrage vor einigen Wochen eine duftfreie Variante eingeführt“, sagt Julia Berberich, Senior Product Manager. Etwa 1.000 Packungen pro Monat setzt Fripa ab: „Wir konzentrieren uns bei diesem Produkt ausschließlich auf den Onlinevertrieb.“ Das sind der eigene Onlineshop und Amazon. Google-, Social- und Amazon-Ads sowie eigene Content-Creator auf Instagram rührten die Werbetrommel. Die Blätter sind laut Berberich ein Zukaufartikel, der in Europa hergestellt wird.

Zum Portfolio gehören auch Reinigertabs. Diese werden in Kürze durch ein Power-Reini­gungspulver ersetzt, „da dies eine noch höhere Reinigungskraft besitzt“. Auf Tabs setzt das Fripa-Team aber weiterhin: Geschirrspültabs und WC-Aktiv-Tabs stünden kurz vor der Einführung.

Plastikfrei putzen zieht weiterhin

Vor vier Jahren gründeten Christian Becker und David Löwe das Start-up Everdrop. „Plastikfrei putzen“ für mehr Nachhaltigkeit war und ist die Mission des jungen Teams. Viele Produkte rührt der Verbraucher daheim selbst an, idealerweise in Everdrop-Gefäßen. WC-Aktiv-Tabs etwa sind vorportioniert, all das spare CO2 und Plastik. Die Produkte sind laut Löwe hierzulande in etwa 7.500 Filialen (Drogeriemärkte sowie Lebensmittelhandel) zu finden. Anfang des Jahres wurden die Everdrop-Spülmaschinentabs Testsieger bei der Stiftung Warentest – „und seitdem verzeichnen wir durchgängig eine sehr hohe Nachfrage, vor allem im Drogeriekanal“, sagt Löwe. Der Absatz liege deutlich über den Erwartungen. „Auch bei Waschmitteln und Refill-Produkten sehen wir im ersten Quartal eine gestiegene Nachfrage“, freut sich Löwe. Preislich versucht das Unternehmen, den eigenen Anspruch zu halten, dass Kunden im Webshop einen ungefähr gleichen Preis zahlen wie im Handel.

Plastikfrei putzen und Produkte selbst anrühren, Blätter, Vordosiertes: Der Verbraucher hat dazugelernt, ist neuen Formaten gegenüber aufgeschlossen. Über dem Thema schwebt für alle Hersteller, ob Start-up, Mittelständler oder Konzern, das große Wort Nachhaltigkeit. Henkel passt – notgedrungen – seine Strategie an: Nach dem Aus der als nachhaltig positionierten Linie „Love Nature“ konzentrieren sich die Düsseldorfer auf die Kernmarken. „Wir glauben, dass wir mit diesen einen deutlich größeren Einfluss haben, um Nachhaltigkeit in unseren Produktkategorien zu integrieren, auch in der Breite und nicht nur in einem engen Markt für grüne Produkte“, sagt Paul Vetter. Dazu gehören Mix-&-Clean-Nachfüllkonzentrate für Pril, Biff und Sidolin: Diese werden einfach mit Leitungswasser aufgefüllt. Der Verbraucher weiß ja schließlich, dass das funktioniert.

Nonfood-Discount kein relevanter Kanal

Fast jeder dritte Kunde (28 Prozent) hat innerhalb von zwölf Monaten in einem Nonfood-Discounter ein WPR-Produkt gekauft. Doch Heiko Leipold, Geschäftsführer von Mafowerk, sagt auch: „WPR zählt nicht zu den Hauptwarengruppen bei Nonfood-Discountern.“ Nach den Erkenntnissen der eigenen Shopper Insights geht der Marktforscher davon aus, dass WPR dort eher ein Randsortiment bleiben wird. Laut Leipold werden Produkte für die Wohnung (Kissen, Vasen) bei Action oder Woolworth am häufigsten gekauft, gefolgt von Küchenartikeln/Haushaltswaren (Töpfe, Pfannen, Schüsseln) und Haushaltsprodukten.

 

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