L'Oréal DACH „Wir investieren und stellen ein.“

Kenneth Campbell, seit Juni 2023 General Manager L‘Oréal DACH, gab der LP sein erstes Interview in seiner neuen Rolle.

Dienstag, 29. August 2023 - Drogerieartikel
Bettina Röttig
Artikelbild „Wir investieren und stellen ein.“
Bildquelle: L'Oréal

Sie haben Ihre Karriere bei L‘Oréal in Deutschland begonnen. Wie war es, in der neuen Rolle zurückzukommen?
Kenneth Campbell: Ich bin wieder Zuhause – und zugleich hat sich in den letzten Jahren vor Ort viel getan. Der größte Unterschied ist sicher, dass seit diesem Januar das Geschäft in Deutschland, Österreich und der Schweiz in einer DACH-Struktur gebündelt ist, das war ein wichtiger Schritt nach der Integration des österreichischen Marktes in 2020. Alle drei Märkte haben sich in den letzten Jahren beeindruckend entwickelt. DACH ist bereits heute einer der fünf wichtigsten Märkte weltweit für den L’Oréal Konzern. Mit rund 100 Millionen Einwohnern, überdurchschnittlichen Einkommen und fast 30 Prozent der europäischen Beautyumsätze sind die drei Länder ein wirtschaftliches Powerhouse für L’Oréal.

Aktuell befinden wir uns jedoch in einer wirtschaftlich herausfordernden Zeit. Wie kritisch sehen Sie die Lage?
Ich bleibe sehr zuversichtlich. Der Beautymarkt hat sich erholt und ist weiter als 2019 – allein in der DACH-Region werden in den für uns relevanten Kategorien pro Jahr 20 Milliarden Euro für Körperpflege und Kosmetik ausgegeben. Beauty wächst, im Wert und in der Menge. L’Oréal ist in DACH Marktführer und dies über alle großen, für uns wichtigen Kategorien hinweg, wie Haut- und Haarpflege, Make-up und Düfte. Unsere Marken sind bestens positioniert, unsere Teams begeistern die Konsumenten mit neuen Innovationen und haben massiv investiert, dies in alle Kanäle. Bisher ist die befürchtete große Energiekrise ausgeblieben. Zugleich haben wir alle gelernt, sparsamer zu leben – und uns damit Spielraum für den kleinen Luxus des Alltags geschaffen. Davon profitieren aktuell verschiedene Industrien, neben Beauty beispielsweise auch die Tourismus- und Gastro-Branche.
 
Welche Ziele haben Sie sich als CEO von L’Oréal DACH mittelfristig gesteckt?
In der Gruppe haben wir im ersten Halbjahr 2023 global über 13 Prozent Wachstum (like-for-like) erzielt, in Europa waren es 18,2 Prozent – hier ist DACH einer der größten Wachstumstreiber. Mein erstes Ziel ist, diese starke Rolle zu behalten. Aktuell wird in der DACH-Region mehr als jeder fünfte Euro für Beauty für L’Oréal-Produkte ausgegeben, bis 2030 könnte dies mindestens jeder vierte Euro sein.

Wie ist Ihr Rezept hierfür?
Das ist einfach: Innovation. Über 4.100 Forscher auf der ganzen Welt arbeiten bei L’Oréal tagtäglich daran, unseren Verbrauchen einzigartige Schönheitserlebnisse zu schaffen. Es ist essenziell für uns, den Markt zu prägen, Trends so früh wie möglich zu erkennen – und neue Produkte maximal innovativ, über alle Kanäle hinweg, zu unterstützen. Wir werden die bestehenden Marken stärken und neue Marken auf den Markt bringen. Dabei werden wir alle Kategorien und alle Märkte möglichst umfassend abdecken. Die Digitalisierung wird hierbei künftig eine noch größere Rolle spielen. Früher ging es L’Oréal um „Beauty for all“, heute sprechen wir auch von „Beauty for each“ – und damit also von individualisierten Angeboten für alle und jeden Einzelnen.

Was haben Sie sich noch vorgenommen?
Als zweites möchte ich unsere Mitarbeiter in der DACH-Region stärken, das Cluster zu einer Talentschmiede für die L’Oréal Gruppe entwickeln. Deutsche, österreichische und Schweizer Mitarbeiter sehe ich künftig noch mehr in globalen Positionen. Für die Entwicklung und Förderung von Karrieren müssen Sie aber frühzeitig die Weichen stellen. Ich weiß aus eigener Erfahrung nur zu gut, wie wichtig eine intensive Talentförderung ist. Dass ich heute in dieser Position mit Ihnen spreche, verdanke ich auch Menschen, die in den 26 Jahren, die ich für L’Oréal arbeite, in mich investiert, mich in der Entwicklung unterstützt haben. Und mein drittes Ziel: Für unser Unternehmen möchte ich gerne über den wirtschaftlichen Erfolg hinaus eine maximal diverse, inklusive und innovative Organisationskultur schaffen.

Wie werden Sie mit Ihrem Management-Stil dazu beitragen?
Ich habe während meiner langjährigen Laufbahn bei L’Oréal in sehr unterschiedlichen Märkten Erfahrungen gesammelt, neben Europa auch in Asien und Mexiko. Dabei habe ich gelernt, wie wichtig es ist, die lokale Kultur zu verstehen, zuzuhören, empathisch und offen für Neues zu sein. Diese Haltung prägt bis heute meinen Alltag, privat wie beruflich, und ich hoffe, damit auch ein Beispiel für Andere sein zu können.

Weltweit wird viel diskutiert über den Einfluss von künstlicher Intelligenz auf den Arbeitsmarkt. Wie werden sich die Aufgaben bei L’Oréal verändern?
Digitale Technologien wie Künstliche Intelligenz haben ein enormes Potential, für alle Branchen. Als Beauty Tech Unternehmen ist es unser Anspruch, auch hier Pionier und die Nummer Eins zu sein. Studien belegen zunehmend die Chancen, die mit KI verbunden sind. So können neue Jobs entstehen und es wird Raum für Kreativität geschaffen, da sehr repetitive, einfache Aufgaben nun automatisiert erledigt werden, sei es im Marketing, in der Produktion oder eben beim Talentscouting. Bereits jetzt lassen wir in der L’Oréal Gruppe Websites durch KI erstellen und übersetzen. Und in China werden pro Monat über 50.000 Bewerbungen dank solcher Technologien in der Vorauswahl schnell gesichtet. Zugleich sage ich aber auch: Wir müssen mit solchen Möglichkeiten sehr verantwortungsvoll umgehen - auch im Hinblick auf ihren ökologischen Fußabdruck. Und: Kollektive Intelligenz wird für mich immer wichtiger sein als Künstliche Intelligenz. Wir brauchen auch in Zukunft diverse Expertenteams, die unterschiedliche Blickwinkel mitbringen und mit ihrem Können, ihrem menschlichen Feingefühl das beste Ergebnis für unsere Kundinnen und Kunden schaffen.

Seit Monaten wird hierzulande die Angst geschürt vor der Deindustrialisierung. Wann würden Sie Ihren deutschen Produktionsstandort in Gefahr sehen?
Als ich von Mexiko nach Deutschland kam, bin ich aus einem Umfeld gewechselt, in dem Menschen fest davon überzeugt sind, dass alles möglich ist – auch wenn die Voraussetzungen nicht ideal sind. In Deutschland scheint es mir manchmal andersherum zu sein, dabei sind hier die Bedingungen sehr gut. Es ist mir daher ein großes Anliegen, immer wieder den optimistischen Blick zu stärken. Das betrifft auch den Produktionsstandort Deutschland. Wir investieren weiter stark in unsere Fabrik in Karlsruhe, ebenso in unsere beiden Distributionszentren in Mönchengladbach und Muggensturm. Aber auch für alle drei Länder kann ich sagen: Wir bleiben auch in Zukunft in DACH mit eigenen Standorten vertreten, für die wir im Übrigen immer nach engagierten Talenten suchen. Dies tun wir dank der neuen DACH-Struktur tatsächlich sogar verstärkt, in Düsseldorf haben wir jüngst mehr als 60 neue länderübergreifende Rollen geschaffen.

Wie wird sich im Massenmarkt die Bedeutung von stationärem Handel und digitalen Verkaufskanälen verändern?
Der stationäre Handel ist so stark wie nie und bleibt wichtig. Es geht nun darum, in der heutigen hybriden Welt online und offline stärker zu verzahnen. Im Handel wird der Point of Sale dank digitaler Innovationen immer mehr zum Point of Experience.

Die Digitalisierung ist ein Sorgenkind in Deutschland. Welche Erfahrungen und Strategien aus Übersee wollen Sie übertragen?
Hier hat mich vor allem meine Zeit in Asien sehr geprägt, dort ist die Entwicklung rasant. Auch aus Mexiko weiß ich, was digital möglich ist. In Deutschland sehe ich aber auch sehr positive Entwicklungen. In DACH haben wir unser E-Commerce Geschäft seit 2019 knapp verdreifacht und unsere Marktanteile deutlich ausgebaut. Unser Marktanteil online ist deutlich über dem Offline-Marktanteil. Und wir wollen in DACH weiter deutlich über Markt wachsen, das Online-Geschäft nutzen, um unsere Zielgruppen noch besser zu erreichen. Wichtig hierbei: Inkrementalität. Oder anders gesagt: Digital wollen wir zusätzliche Kunden erreichen, sei es die junge Generation oder Männer. Hier nutzen wir bereits jetzt unsere Virtual Try Ons, die am PoS integriert sind, sehr erfolgreich.

Wie können stationäre Händler stärker partizipieren?
Die große Stärke des Handels ist die genaue Kenntnis seiner Kunden. Unsere Handelspartner verfügen über viel mehr Daten als wir, ihr Verständnis der Konsumenten ist daher exzellent – und hier können wir, Unternehmen und Handel gemeinsam, neue Kundenerlebnisse schaffen. Wachstum wird meiner Einschätzung nach nicht über eine zunehmende Filialdichte kommen. Wo aber in Maßnahmen investiert wird, die das Kundenerlebnis durch Innovation und Kreativität insgesamt steigern, da sehe ich großes Wachstumspotenzial.

Wie ist Ihr Blick auf die neuen Nachhaltigkeitsgesetze in Deutschland und der EU?
Auch ich als Endverbraucher finde ich es absolut wichtig, dass sich immer mehr Unternehmen ihrer Verantwortung stellen. L’Oréal hat dies bereits sehr früh getan. Seit Ende der 1990er Jahre haben wir unsere Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt, die Ziele wiederholt ambitionierter gesteckt. Für die Dekade bis 2030 haben wir richtigerweise unsere Ziele über unser Programm „L‘Oréal For The Future“ noch einmal an die veränderten Herausforderungen angepasst und unsere komplette Wertschöpfungskette mit einbezogen. Was in Deutschland sehr anders ist als in anderen Ländern, in denen ich tätig war: Die Bedeutung von Klima- und Umweltschutz sowie die Verantwortung entlang der Lieferketten müssen wir hier nicht mehr erklären, vielmehr machen immer mehr Konsumenten ihre Kaufentscheidungen von einer glaubwürdigen Nachhaltigkeitstransformation der Unternehmen abhängig. Die DACH-Region ist damit ein wichtiger strategischer Gradmesser für die L‘Oréal Gruppe – wir haben hier nicht nur die aufgeklärtesten, wir haben, zusammen mit den Skandinaviern, vermutlich auch die kritischsten Verbraucher in Europa. Das schlägt sich natürlich auch in den politischen Diskussionen nieder, sei es in Berlin oder Brüssel. Eine Binnenmarkt-übergreifende Green Claims Richtlinie könnte deswegen die Gelegenheit sein, klare Regeln festzulegen und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen zu schaffen – und zugleich die Verbraucher zu stärken und dabei zu unterstützen, nachhaltigere Entscheidungen zu treffen.

Wie sehr beschäftigen Sie sich selbst mit dieser Thematik?
Sie treibt mich sehr um. Zum einen, weil ich Kinder habe und aktuell eine Welt mitgestalte, in der sie später leben werden. Zum anderen ist es, wie zuvor gesagt, ein strategisches Thema für L’Oréal. Wichtig ist die Erkenntnis für Jeden von uns, egal in welcher Funktion und Rolle: Wir können nachhaltige Ziele nur gemeinsam erreichen. Scope 1 und 2 Ziele sind dabei die Pflichtübung, aber Meter machen wir in den Scope 3 Zielen. Und zwar dann, wenn es darum geht, die Umweltauswirkungen unserer Lieferanten sowie unserer Konsumenten positiv zu beeinflussen, allerdings ist das deutlich herausfordernder. Das ist der Grund, warum L’Oréal beispielsweise stark in Green Sciences investiert und sich zum Ziel gesetzt hat, bis 2030 95 Prozent der Rohstoffe aus nachhaltiger Produktion und aus Green Sciences zu entwickeln. Im DACH-Markt sind die Rahmenbedingungen so, dass kein Weg am nachhaltigen Wirtschaften vorbeiführt. Als Weltmarktführer kommt uns auch dabei eine Vorreiterrolle und Verantwortung zu, die neuen Regeln nicht nur gut umzusetzen, sondern auch immer wieder daran zu erinnern, dass Ökonomie und Ökologie nicht miteinander konkurrieren. Im Gegenteil: Seit wir 2013 unser erstes Nachhaltigkeitsprogramm gelauncht haben, sind unsere Umsätze – mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020 – ausschließlich gestiegen.

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