Nachhaltigkeit Umstrittener Alleskönner Palmöl - Henkel

Margarine, Pizza, Lippenstift. In jedem zweiten Produkt im LEH steckt heute Palm- und Palmkernöl. Doch durch die Verwendung kann schnell die Büchse der Pandora geöffnet werden.

Donnerstag, 20. September 2012 - Management
Bettina Röttig
Artikelbild Umstrittener Alleskönner Palmöl - Henkel
Palmöl und Palmkernöl findet sich in nahezu jedem zweiten Produkt im Lebensmittelhandel. (Bildquelle: fotolia)
Bildquelle: fotolia, iStockphoto


Wie viel Palmöl bzw. Palmkernöl verwenden Sie pro Jahr? 
Die in unseren Wasch- und Reinigungsmitteln eingesetzten Tenside basieren zu rund 30 Prozent auf nachwachsenden Rohstoffen. Henkel stellt die Tenside allerdings nicht selbst her, sondern bezieht diese von seinen Rohstofflieferanten auf dem Weltmarkt. Insgesamt nutzt Henkel indirekt über seine Tensid- oder andere Rohstofflieferanten weniger als 0,2 Prozent des weltweit verfügbaren Palmkern- beziehungsweise Palmöls.

Welche Möglichkeiten gibt es, in Ihrer Produktion auf Alternativen zu setzen und welche Herausforderungen gilt es in solchen Fällen zu bewältigen?      
Zur großtechnischen Produktion von Tensiden, das heißt von waschaktiven Substanzen für Wasch- und Reinigungsmittel sowie für Kosmetikprodukte, stehen bisher folgende Ausgangsstoffe zur Verfügung: Mineralöl, Erdgas, Kokosöl und das Öl der Palmkerne. Die in Mitteleuropa heimischen Pflanzen eignen sich derzeit nicht als Basis für eine großtechnische Tensidproduktion, also die Herstellung in einem industriellen Produktionsmaßstab mit Volumen von vielen tausend Tonnen. Es ist ein zentrales Bestreben unserer Forschung und Entwicklung, erdölbasierte Inhaltsstoffe zu ersetzen. Gründe hierfür sind die begrenzte Verfügbarkeit des Erdöls, der Klimaschutz und die ökologischen Risiken, die mit der Förderung von Erdöl einhergehen. Vor jeder Entscheidung über Inhaltsstoffe sind die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkte der jeweiligen Alternative gleichermaßen zu berücksichtigen.

Wie sieht Ihr Engagement in Sachen nachhaltiges Palmöl bzw. Palmkernöl aus?
Unser Anspruch ist es, entlang der gesamten Wertschöpfungskette nachhaltig und gesellschaftlich verantwortlich zu wirtschaften. Aus diesem Grund nehmen wir die Probleme sehr ernst, die durch den Anbau von Palmölplantagen entstehen können, und setzen uns mit einer Reihe verschiedener Interessenspartner für eine nachhaltige und damit ökologisch und sozial verantwortliche Gewinnung von Palm- und Palmkernöl ein. Um dieses Ziel gemeinsam mit Partnern zu erreichen, engagiert sich Henkel seit 2003 beim so genannten "Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl" (Round Table on Sustainable Palm Oil, RSPO) und ist seit April 2008 auch offizielles Mitglied.

Der RSPO hat das Ziel, dass die Palmöl- und Palmkernölwirtschaft auf Basis von Nachhaltigkeitskriterien betrieben wird. Hier haben sich Plantagenbetreiber, Weiterverarbeiter und Anwender von Palmöl bzw. Palmkernöl zusammengeschlossen. Daneben sind auch Banken sowie Nicht-regierungsorganisationen wie der WWF (Gründungsmitglied) beteiligt. Um das Konzept einer nachhaltigen Produktion von Palmöl und Palmkernöl noch wirksamer voranzutreiben, steht Henkel über den RSPO hinaus auch mit anderen Partnern im Dialog. Im Oktober 2009 trat Henkel der „Palm Oil Coalition" bei. In ihr sind neben weltweit tätigen Unternehmen aus der Konsumgüter- und Lebensmittelindustrie auch Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace, Oxfam, der WWF und andere vertreten. Gemeinsames Ziel ist es den Schutz der Regenwälder durchzusetzen, indem die Beschaffung von Palmöl bis zu einem festgelegten Datum vollständig zu nachhaltig bewirtschafteten Quellen verlagert wird. Darüber hinaus initiierte Henkel zusammen mit Industriepartnern wie der REWE Group, dem WWF und der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) das „Forum für nachhaltiges Palmöl". Ziel ist es, die Nutzung von nachhaltig erzeugtem Palm- und Palmkernöl zu fördern. Als Grundlage dienen hierbei die vom RSPO definierten Standards, die durch das Forum weiterentwickelt und ergänzt werden sollen.

Unsere Vision ist es, dass in Zukunft – wann immer Palm- und Palmkernöl in unseren Produkten eingesetzt wird – dieses Öl einer nachhaltigen Bewirtschaftung entstammt. Ab 2015 soll die gesamte Menge an Palm- und Palmkernöl, die als Rohstoff in unsere Produkte einfließt, vollständig durch RSPO-Zertifikate für nachhaltiges Palm(kern)öl abgedeckt sein. Um unser  klares Bekenntnis zu einer nachhaltigen Palmölwirtschaft zu bekräftigen, beschleunigen wir diesen Prozess für den Bereich der Wasch- und Reinigungsmittel, die bedeutendste Produktkategorie beim Einsatz von Tensiden. Ab 2012 erwirbt Henkel Zertifikate für nachhaltiges Palmkernöl für sein gesamtes Produktportfolio dieses Geschäftsbereichs. Dies stellt sicher, dass für die Menge Palmkernöl, die zur Produktion von Tensiden für Wasch- und Reinigungsmittel von Henkel verwendet wird, eine entsprechende Menge nachhaltigen Palmkernöls hergestellt wird und in die Lieferkette für die Herstellung von Tensiden einfließt.

Wenn Sie bereits nachhaltiges Palmöl/Palmkernöl verwenden, welche Anforderungen stellen Sie an die Lieferanten? 
Der RSPO hat neben dem Zertifizierungsverfahren drei verschiedene Vermarktungsmodelle für Palmöl bzw. Palmkernöl von nachhaltig wirtschaftenden Palmölplantagen etabliert, die formal gleichwertig sind: Segregation, also die physische Trennung der Stoffströme von nachhaltigem und „normalem" Palmöl; die Massenbilanz, also die kontrollierte Vermischung von nachhaltigem und „normalem" Palmöl, sowie das "Book & Claim"-System. Für den Handel mit Zertifikaten nach "Book & Claim" wurde eine spezielle Plattform gegründet. Betrieben wird diese durch die Firma GreenPalm. Die Produzenten von Palmöl und Palmkernöl registrieren auf der Handelsplattform von GreenPalm, wie viel von ihrem durch RSPO-Auditoren zertifizierten Palmöl und Palmkernöl sie verkaufen wollen. Auf Basis dieser Registrierung können die Zertifikate auf dem Markt gehandelt werden.

Der Vorteil des Systems ist die Einfachheit: Es ermöglicht einen schnellen, direkten Ankauf der Zertifikate durch den Anwender und gibt somit den Plantagenbetreibern einen ökonomischen Anreiz zur nachhaltigen Palmölwirtschaft. Daneben hat der Zertifikatshandel noch einen zweiten Vorteil: Der Erlös aus den Zertifikaten kommt direkt dem Erzeuger zu Gute. Damit können lokale Initiativen (z.B. von Kleinbauern) unmittelbar unterstützt werden, ohne dass ein größerer logistischer Aufwand erforderlich ist. Je größer die Nachfrage nach Zertifikaten wird, desto mehr nachhaltiges Palmöl und Palmkernöl wird es auf dem Markt geben. So wird sich der Markt mittel- und langfristig auf eine nachhaltige Produktion umstellen.

Während bei Palmöl – dem Hauptprodukt – die Segregation und damit eine direkte Nachverfolgbarkeit des Rohstoffs von der Plantage bis zum Einsatz in einem Endprodukt technisch möglich ist, ist dieses für die Lieferkette von den Palmkernen bis zum Tensid kurz- und mittelfristig kaum umsetzbar. Dies liegt u. a. daran, dass die Hersteller bei der Tensidproduktion Kokosöl und Palmkernöl mischen, ohne genaue Angaben über das Mischungsverhältnis zu machen. Da wir selbst überwiegend nur die Tenside beziehen, sehen wir das "Book & Claim"-System neben unserer Mitarbeit im RSPO und in der „Palm Oil Coalition" sowie der Initiative „Forum für nachhaltiges Palmöl" momentan für uns als die einzige Möglichkeit an, eine nachhaltige Palmölwirtschaft zu unterstützen.

Reicht der RSPO-Standard Ihrer Meinung nach aus?
Nein, aber der RSPO ist der Weg und nicht das Ziel. Der RSPO ist bislang die einzige kriteriensetzende Institution für nachhaltiges Palmöl und Palmkernöl. Daher ist es unserer Meinung nach wichtig, den RSPO zu stärken und weiter zu entwickeln. Dies ist auch ein Ansatz, den das „Forum für nachhaltiges Palmöl" verfolgt. Daher setzt sich Henkel als einer der Initiativpartner beim „Forum für nachhaltiges Palmöl" ein. Die Initiative baut auf dem „Roundtable on Sustainable Palm Oil" (RSPO) auf.

Wie bringen Sie das Thema nachhaltiges Palmöl Ihren Kunden und Lieferanten näher?
Das „Forum für nachhaltiges Palmöl" hat das Ziel, möglichst alle Interessen der – zunächst deutsprachigen – Teilnehmer zu bündeln und sich für eine verantwortungsbewusste und nachhaltige Produktion von Palmöl und Palmkernöl einzusetzen. Aus unserer Sicht ist es sinnvoll, in Deutschland – als einem der Länder mit den meisten RSPO-Mitgliedern – zu starten und sich im weiteren Verlauf zunächst auf Europa zu konzentrieren, da hier das größte Interesse an nachhaltigem (zertifizierten) Palm- und Palmkernöl besteht. Mittelfristig ist es unser Ziel, auch die benötigten Palmölderivate aus zertifizierten Palmölplantagen zu beziehen. Während für Palmöl Segregation bereits heute möglich ist, gibt es für Palmkernöl bisher noch keine vergleichbaren Strukturen: Daher ist hier Book & Claim zurzeit die einzige Möglichkeit, eine nachhaltige Palmölwirtschaft zu unterstützen. Darüber hinaus suchen und pflegen wir kontinuierlich den Austausch mit allen relevanten Stakeholdern. Dazu gehören auch unsere Kunden, Verbraucher und Lieferanten. Jährlich informieren wir in unserem Nachhaltigkeitsbericht über unsere Fortschritte und Ziele beim Thema Palm- und Palmkernöl und stellen im Internet umfassende Informationen zur Verfügung. Bereits im Jahr 2008 haben wir für unsere Reinigungsmittel-Marke Terra als weltweit erstes Unternehmen Zertifikate für nachhaltiges Palmkernöl gekauft. Um den Konsumenten bereits bei ihrer Kaufentscheidung darüber zu informieren, bilden wir das GreenPalm-Logo auf der Verpackung ab mit dem Hinweis „Terra unterstützt den RSPO-zertifizierten und nachhaltigen Anbau von Palmkernöl und leistet so einen Beitrag zum Regenwaldschutz".

Unser Unternehmen bezieht weltweit weniger als 0,6 Prozent der gesamten weltweiten Palmöl Produktion, hauptsächlich für Cracker, Kekse oder Pralinenfüllungen. Wir unterstützen die Ziele und Bemühungen des RSPO (Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl) und kaufen Palmöl von Unternehmen, die Mitglied dieser Organisation sind.

In 2010 haben wir angefangen, GreenPalm Zertifikate und RSPO-zertifiziertes nachhaltiges Palmöl zu beziehen. 2011 konnten wir schon mehr als 50 Prozent unseres Bedarfs damit decken.Bis 2015 wollen wir 100 Prozent unseres Bedarfs an Palmöl von zertifizierten Plantagen beziehen. Die WWF vergab unserem Unternehmen eine gute Bewertung für unsere Bemühungen von 7,5 Punkten (von 9) www.wwf.de/palmoel-scorecard-2011

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Palmöl: Wie Handel und Hersteller mit dem umstrittenen Alleskönner umgehen. (Bildquelle: fotolia)
Bild öffnen Palmöl und Palmkernöl findet sich in nahezu jedem zweiten Produkt im Lebensmittelhandel. (Bildquelle: fotolia)
Bild öffnen 2010 wurden weltweit 53 Mio. t Palmöl genutzt. (Bildquelle: iStockphoto)