Süßwaren Kerngeschäft ? Sehr solide !

Nussspezialist Seeberger kann – trotz Corona – sehr zufrieden sein mit den vergangenen Monaten. Auch das zuletzt zugekaufte Produktsegment „Hafer“ mit Riegeln, Porridge und Müsli entwickelt sich gut, berichtet der Geschäftsführer Vertrieb und Marketing, Ralph Beranek (Foto), im Interview mit der LP.

Freitag, 23. Oktober 2020, 06:39 Uhr
Andrea Kurtz
Artikelbild Kerngeschäft ? Sehr solide !
Bildquelle: bildwerk89

2020 kann man diese Frage erst recht stellen: Wie war die Geschäftsentwicklung bei Seeberger in den vergangenen Monaten?
Ralph Beranek: Glücklicherweise insgesamt sehr ausbalanciert. Wir haben verschiedene Geschäftsbereiche. Die Nachfrage in unserem „Kerngeschäft“ mit natürlichen Trockenfrucht- und Nuss-Snacks unter der Marke Seeberger für den Handel hat sich nach einem heftigen Peak im März auf hohem Niveau wieder normalisiert.

Gilt das für alle Geschäftsbereiche?
Nein, leider nicht. Neben unserem Kerngeschäft führen wir auch den Bereich Seeberger Professional für B2B-Kunden; dieser ist aus unserem Kaffeebereich entstanden. Wir sind ja auch eine der ältesten Kaffee-Spezialröstereien Deutschlands. Früher waren wir rein auf die Gastronomie fokussiert. Vor Jahren haben wir dann angefangen, das Geschäft in größerem Stil auch auf die Mitarbeiterversorgung in Firmen auszuweiten. Heute sind wir dort ein wichtiger Anbieter vor allem in Kombination mit unserem gesunden Angebot an natürlichen Nuss- und Frucht-Snacks to go. In der Gastronomie und auch bei der Mitarbeiterversorgung ist das Geschäft während des Lockdowns natürlich massiv eingebrochen.

Was war die größte Herausforderung der vergangenen Monate?
Die Nichtplanbarkeit. Wir haben hier in Ulm ein Hochregallager für Rohwaren mit 25.000 Palettenplätzen. Schon ganz zu Beginn von Corona, also bereits Anfang Februar, haben wir entschieden, dass wir unser Lager bis unters Dach auffüllen. Das macht man sonst nur vor Saisonbeginn im September. Denn bei Rohstoffen haben wir ja eine Anpassungszeit von zwei, eher drei Monaten. Wenn wir heute Rohstoffe aus Indien, Asien, Afrika oder Südamerika bestellen, brauchen wir in der Regel diese lange Vorlaufzeit. Und das ist schon superschnell.

Wie positioniert sich Seeberger denn derzeit im Markt?
Wir haben einen Marktanteil von rund 25 Prozent, so im Durchschnitt über alle unsere Produkte. Für das Gesamtunternehmen planen wir in diesem Jahr mit einem Umsatz von ca. 300 Millionen Euro, auch wenn das Firmenkundengeschäft während des Lockdowns schon gelitten hat. Aber dafür steigt das B2C-Geschäft über den Handel.

Wer sind die Wettbewerber?
Die Eigenmarken; ungefähr die Hälfte unserer Kategorie wird von Eigenmarken des Handels bespielt. Ein Viertel sind wir, das andere Viertel teilen sich andere Anbieter und auch einige Start-ups.

Wie definieren Sie Ihre Vision?
Wir möchten Nachhaltigkeit mit Qualität für alle verbinden. Seeberger ist inzwischen groß genug, um die Produktion von natürlichen Frucht- und Nuss-Snacks über die gesamte Lieferkette nachhaltig zu steuern und jedem zugänglich machen zu können, dem gute Lebensmittel etwas wert sind.

Wie machen Sie die Vision sichtbar?
Seit vielen Jahren in erster Linie über die kontinuierliche Qualität unserer Produkte. Wir kommunizieren dabei hauptsächlich über die digitalen Kanäle, insbesondere über Social Media. Hier erreichen wir die Konsumenten direkt. Im Zentrum steht dabei unser Genuss-Magazin auf der Website, in dem wir von der Nachhaltigkeitsphilosophie mit vielen Infos über unsere Lieferanten bis hin zu Rezepten und einem natürlichen Lifestyle alle Themen spielen können.

Nachhaltigkeit und soziale Themen werden immer wichtiger …
Deswegen kommunizieren wir unsere Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit unter der Initiative „For a better planet“ seit Jahresbeginn auch auf der Verpackung. Dazu veröffentlichen wir bereits seit 2014 zweijährig unseren Nachhaltigkeitsbericht auf Basis der Global Reporting Initiative und des UN Global Compacts; übrigens als Einziger in unserer Branche. Im Oktober dieses Jahres erscheint unser neuer Nachhaltigkeitsbericht.

Für den Lebensmittelhandel und die Drogeriemärkte lief das Jahr super, für den Convenience-Bereich weniger. Ihre Erfahrungen?
In Österreich beispielsweise haben viele Supermärkte die Convenience-Regale mit frischen Salaten oder vorgeschnittenem Obst mit kurzem MHD abgebaut und dafür die Regale mit fertig verpackten Produkten wie den unseren bestückt. Die schnelle Mittagsversorgung für die Büros fand einfach nicht statt, solange die Mehrheit im Homeoffice war. Wir haben dadurch sogar Regalplatz gewonnen. In Deutschland habe ich das so in der Form noch nicht gesehen.

Liefen beziehungsweise laufen Neueinführungen oder Aktionsgeschäft?
Wir haben uns schnell mit dem Handel darüber verständigt, dass die Versorgungssicherheit an erster Stelle steht. Deswegen haben wir gemeinsam Neueinführungen, die für das zweite Quartal geplant waren, in das dritte und vierte Quartal verschoben.

Was ist denn derzeit neu?
Wir stellen derzeit vier neue Linien vor. Unter der Just-Roasted-Linie finden sich natürlich geröstete Nüsse ohne Salz. Daneben gibt es die neue Produktlinie 2go mit Nuss-Snacks, Haferriegeln und Fruchtkugeln mit dem Namen Bites2go. Alles im modernen Riegelformat für eine hohe Convenience. Gerade die Fruchtkugeln unter Bites2go helfen, das Thema Trockenfrüchte wieder attraktiver zu machen. Denn wir stellen fest, dass Nüsse zwar derzeit durch die Decke gehen, Trockenfrüchte außer Mangos, Cranberrys oder Datteln eher nicht. Daher auch die Idee, die Trockenfrüchte mit Chiasamen oder Yuzu, aufgemacht in einer Snack-Verpackung, zu veredeln.

Welche Rolle spielt Bio bei Ihnen?
Das ist ein weiterer Bereich, den wir derzeit einführen. Vor sechs bis acht Jahren haben wir schon einmal damit experimentiert. Im Hintergrund stand die Frage “Passt Bio zu unserer Marke?“. Dazu kommt auch: Die Mengen an hochwertigen Trockenfrüchten und Nüssen, die wir in Bio- und gleichzeitig in Seeberger-Qualität benötigen würden, gab und gibt es so nicht. Außerdem haben wir erst untersuchen wollen, was der Verbraucher eigentlich will. Aus einer Studie wissen wir jetzt: Ein Bio-Segment ist wichtig und wird unser Portfolio abrunden. Der Hardcore-Biokunde hat seine eigenen Kanäle; aber den normalen Kunden, der auch mal Bio kauft, können wir so bedienen. Deswegen testen wir derzeit dieses Sortiment mit dem Handel. Dabei haben wir durchaus auch neue Mixes, beispielsweise mit Proteinen aus Sojabohnen, im Köcher. Das erfreut dann auch unsere vielen Stamm-Verwender.

Müsli ist für Ihr Unternehmen auch schon länger ein Thema, aber hier haben Sie zugekauft, nicht selbst entwickelt. Wie geht es in diesem Sortiment weiter?
Müsli ist ein schwieriger Markt, deswegen haben wir uns damals beim Start-up Müsliglück engagiert. Dabei stellten wir aber fest: Wir sind keine Vertriebsorganisation für eine Fremdmarke. Wir konnten die Markenrechte mit allen Rezepturen dann übernehmen. Heute haben wir uns eine eigene Einkäuferin für Getreide ins Haus geholt und können unseren Qualitätsansprüchen genügen.

Zu den Müslis kamen auch Riegel?
Zusätzlich haben wir aus den Müslis vier Sorten Porridge und vier verschiedene Haferriegel entwickelt. Wir haben drei Jahre an der Entwicklung dieses Riegels getüftelt und dabei auch Rückschläge verkraftet. Heute sind wir überzeugt, einen besonderen Riegel mit Mehrwert für die Kategorie anzubieten. Diesen pushen wir jetzt unter der neuen Linie 2go.

Der Zukauf rechnet sich also?
Auf jeden Fall: Wir hätten diese Produkt-Kompetenz nur in langjähriger Arbeit selbst entwickeln können; das hätte keinen Sinn gemacht. Viele Verbraucher wünschten sich jedoch hier ein Angebot von der Marke Seeberger. Das konnten wir so erreichen. Aus heutiger Sicht kommt hinzu, dass der Müsli-Markt aktuell nicht mehr wächst. Daher bleiben wir bei unserem Schwerpunkt, moderne Nuss- und Frucht-Snacks anzubieten, sehen aber Müslis und Porridge als passende Sortiments-Abrundung.

Stehen weitere solcher Zukäufe auf Ihrem Zettel?
Unsere Investitionen planen wir eher in Richtung weiterer Technologie in der Verpackung, Röstung und Veredelung. Hier entwickeln wir uns immer weiter. Eine Marke werden wir nicht zukaufen.

Wäre lose Ware für Sie ein lohnendes weiteres Geschäft?
Klares Nein. Wir können ohne unseren luftdichten Beutel nicht die Qualität sichern, die uns vorschwebt. Wir ersetzen die Luft durch eine Schutzatmosphäre ohne Sauerstoff. Deswegen sind unsere Früchte beispielsweise auch nach einem langen Zeitraum noch frisch. Trotzdem haben wir lose Ware einmal getestet, mit speziellen Boxen. Dabei haben wir aber gesehen, dass wir nicht garantieren können, was mit unserem Produkt geschieht. Das entspricht nicht unserem Standard. Und gerade in den Corona-Zeiten sehen wir ja deutlich, dass der Verbraucher sich nicht wohl fühlt mit unverpackter Ware. Aber die Wünsche der Konsumenten bei der Verpackung haben wir gern aufgegriffen: Unseren Materialeinsatz bei den verschiedenen Folientypen konnten wir im Jahr 2020 bereits um 10 bis 20 Prozent je nach Produkt reduzieren und haben dabei auch 100 Prozent recyclingfähiges Material im Einsatz. Und das bei einem gleichbleibend hohem Produktschutz. Und wir arbeiten kontinuierlich weiter an einer Verbesserung.

Seeberger entstand als Kaffeerösterei. Wird es Kaffee im Handel geben?
Im großen Stil nein. Aber als Randsortiment für ausgewählte Händler, vor allem aus dem Kreis der selbstständigen Kaufleute, schon. Wir launchen gerade ein Portfolio aus sieben qualitativ hochwertigen Kaffee- und Espresso-Sorten als ganze Bohnen im 250-g-Doypack, die gelingsicher zu Hause zubereitet werden können. Die Sorten unterscheiden sich hinsichtlich Herkunftsland, sortenreiner und nicht-sortenreiner Kaffees, Bio-Fairtrade-Zertifizierung sowie der Art des Kaffees (Crema oder Espresso). Hier wollen und können wir eine Story erzählen. Ein Beispiel ist unser Kaffee aus der äthiopischen Region Sidamo. Dort haben wir einen Partner, mit dem wir schon über Generationen hinweg zusammenarbeiten.

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