Ob zum Valentinstag, Muttertag oder zu Weihnachten, frische Schnittblumen haben immer Saison. Rosen sind bei den Kunden besonders beliebt. Mit Regionalität können die meisten der hierzulande verkauften Rosen allerdings nicht punkten. Denn: Gut 90 Prozent, das entspricht mehr als 1 Milliarde Schnittrosen, werden jährlich importiert, vor allem aus den Niederlanden (Quelle: Statista).
Unser Nachbarland dient vor allem als Umschlagplatz für Blumen aus aller Welt. So stammen rund ein Drittel der Rosen, die hierzulande verkauft werden, aus Kenia. Das Land in Ostafrika ist mit einem Marktanteil von rund 38 Prozent führend bei der Ausfuhr von Rosen in die Europäische Union (EU). So hat der gesamte Blumensektor eine große Bedeutung für Kenias Wirtschaft. Etwa eine halbe Million Menschen sind in diesem Sektor beschäftigt. Das bedeutet, dass rund drei Millionen Menschen von dieser Branche leben. Nur: Die Blumen kommen überwiegend per Luftfracht nach Europa. Schlecht für die CO2-Bilanz, oder?
CO2-Bilanz für Rosen
Eine von der Migros Schweiz in Auftrag gegebene und im Jahr 2023 aktualisierte Studie bescheinigt den Luftfracht-Rosen aus Kenia jedoch um 66 Prozent geringere CO2-Ausstöße als Rosen, die in den Niederlanden produziert und in der Schweiz verkauft werden.
Wie kann das sein? In den niederländischen Gewächshäusern wird so viel Energie für die Beheizung und Beleuchtung benötigt, dass diese CO2-Emissionen die des Flugtransports deutlich übersteigen. Eine Erklärung dafür: In den kenianischen Hochebenen rund um den Naivasha-See, wo die meisten der rund 150 kenianischen Blumenfarmen ansässig sind, herrscht ein mildes Klima mit vielen Sonnenstunden, sodass diese Gewächshäuser weder beheizt noch beleuchtet werden müssen.
Dennoch, die EU-Kommission strebt im Rahmen des Green Deal bis zum Jahr 2050 eine 90-prozentige Reduzierung der Transportemissionen an. Eine mögliche Maßnahme: Verlagert man die kenianischen Blumenexporte von der Luft- auf die Seefracht, könnten die CO2-Emissionen um bis zu 95 Prozent reduziert werden, heißt es in einer Erklärung der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (United Nations Industrial Development Organization, UNIDO).
Milliarden US-
Dollar beträgt schätzungsweise der kenianische Blumenzuchtmarkt.
Quelle: UNIDO
Millionen Schnittrosen wurden im Jahr 2023 von
Kenia direkt nach Deutschland
geliefert.
Quelle: Statista
Umstellung von Luft- auf Seefracht
Deshalb setzt sich die UNIDO dafür ein, den gesamten Blumensektor auf Seefracht umzustellen, seine Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt zu verbessern und gute Arbeitsplätze in Kenia zu schaffen.
„Bei der UNIDO handelt es sich um eine weltweite Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Sie kann eine koordinierende Rolle in diesem Zusammenhang übernehmen“, ist Dieter Overath überzeugt. Der ehemalige Fairtrade-CEO – offiziell im Ruhestand – ist in seiner Rolle als Senior Advisor bei UNIDO von der Zielsetzung überzeugt. Unterstützung bekommt er unter anderem vom Flower Council, das ist die Organisation aller kenianischen Blumenfarmen. Bis 2030 will diese 50 Prozent der Blumen mit dem Schiff transportieren. Ein strammes Ziel!
Die Frachtumstellung bringt einen weiteren Vorteil mit sich: geringere Transportkosten. Zurzeit kostet die Luftfracht von Kenia nach Europa 2,80 US-Dollar pro Kilogramm Frachtgut, per Seefracht sind es 1,80 US-Dollar. „Mit jedem Container lassen sich fast 5.000 US-Dollar sparen“, weiß Dieter Overath. Er räumt aber ein: „Während die Blumenfarmen im Globalen Süden zunächst mehrere Millionen US-Dollar beispielsweise für neue Lagerhäuser und Lkw investieren müssten, um die Kühlkette einzuhalten, würden Händler und Importeure im Norden von den geringeren Frachtkosten profitieren. Das ist nicht unser Anliegen. Alle Akteure sollen einen Beitrag leisten, um die Maßnahmen in die Breite zu bekommen.“
Kräfte bündeln
Die Idee, Blumen aus Kenia auf dem Seeweg zu exportieren, ist allerdings nicht neu. Momentan verlassen 5 Prozent der Rosen das Land auf dem Schiff ab Mombasa. „Wir wissen somit bereits, dass die Seefracht von Rosen funktionieren kann, auch was das Qualitätsmanagement betrifft“, sagt Dieter Overath. So hat beispielsweise die Dutch Flower Group, der weltweit größte Blumenimporteur mit Sitz in den Niederlanden, schon Erfahrungen mit der Seefracht gesammelt. „Diese sind für uns sehr wertvoll. Nur: Der Importeur kann das Problem nicht alleine lösen. Wir müssen die gesamte Branche einbeziehen, also die Farmer, Importeure und Händler. Wir müssen die Kräfte bündeln“, ist Dieter Overath überzeugt. Die Umstellung auf Seefracht mit deutlich längeren Transportzeiten erfordert viel Know-how im Qualitätsmanagement. Dass viele Handelsschiffe wegen der Angriffe der Huthi-Miliz im Roten Meer den Umweg um das Kap der Guten Hoffnung machen, erschwert die Sache. „Wir sind deshalb froh, mit Flower Watch einen Experten an Bord zu haben, der die Farmen schult“, so Dieter Overath. Flower-Watch-Chef Jeroen van der Hulst weiß, was zu tun ist, damit die Blumen nach einer bis zu sechswöchigen Schiffsreise in Top-Qualität beim Händler ankommen. Schließlich sollen die Blumen in der Vase mindestens sieben Tage frisch bleiben.
Wichtigster Punkt im Qualitätsmanagement ist die Temperatur im Container, weiß Jeroen van der Hulst. Ist bei der Luftfracht eine Temperatur von 3 bis 4 Grad akzeptabel, müssen in den Kühlcontainern auf See eine konstante Temperatur von 0,5 Grad Celsius und eine kontrollierte Atmosphäre herrschen. Auch die Rosensorten, ihr Öffnungsgrad und die Wasserqualität während der Produktion müssen stimmen. Zudem erfordert die Seefracht Transportkartons mit Lüftungsschlitzen und eine andere Packtechnik. Zusätzliche Pflanzenschutzmittel seien für die Seefracht-Rosen nicht erforderlich.
Qualität managen und Logistik meistern
Des Weiteren sind einige logistische Hürden zu überwinden. Die vielen kleinen und mittelgroßen Blumenfarmen in Kenia können einen Container, der etwa 400.000 Rosen fasst, gar nicht allein füllen. Also müssen mehrere kleinere Farmen ein gemeinsames Kühlhaus betreiben, um das Volumen der Schiffsfracht überhaupt bedienen zu können. Auch das muss koordiniert werden.
Hinzu kommt: „Rotterdam ist derzeit der einzige Hafen in Europa, der von den Schiffen aus Ostafrika angefahren wird. Auf große Mengen kühlpflichtiger Blumen ist er aber nicht ausgelegt. Die Umstellung auf Seefracht funktioniert deshalb nur, wenn auch die Schifffahrtlogistik mitspielt“, ist Dieter Overath überzeugt. „Und die kenianische Hafenstadt Mombasa ist kein Hotspot in der ostafrikanischen Seeroute. Im Idealfall brauchen wir eine zweite Schifffahrtslinie, sodass dort mehr Schiffe ablegen können.“ Dann könnte Kenia auch Exportprodukte wie Avocados über eine verbesserte Schifffahrtlogistik nach Europa bringen, und das Frachtvolumen ließe sich besser ausnutzen.
Um die Seefracht im Blumensektor auf die Startrampe zu bekommen, holt die UNIDO zunächst europäische Händler, Importeure und den Blumensektor in Kenia mit ins Boot. „Erste Gespräche haben wir bereits mit Rewe, Coop Schweiz, Mester Gronn (Norwegen), Lidl International sowie mit den Importeuren Omniflora und der Dutch Flower Group geführt“, berichtet Dieter Overath. Sie interessieren sich für den Ansatz und wollen ihren CO2-Fußabdruck reduzieren. „In den kommenden Monaten werden wir mit ihnen vor Ort überlegen, welchen Beitrag sie als kommerzielle Partner leisten können“, kündigt Overath an. Um diese Mammutaufgabe zu stemmen, ist finanzielle Hilfe aus dem Globalen Norden nötig, wie durch die EU oder das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Denn Kenia allein kann dafür nicht aufkommen.