Fressnapf transformiert sich „Vom Versorger zum Umsorger“

Ein Fachgeschäft für Tiernahrung? Fast! Was die neuen Future-Stores 3.0 bei Fressnapf anders machen und welchen Herausforderungen sie begegnen – die LP hat einen Markt genauer unter die Lupe genommen.

Mittwoch, 25. Oktober 2023 - Sortimente
Theresa Kalmer
Artikelbild „Vom Versorger zum Umsorger“
Bildquelle: Maja Knutzen

In akribischer Feinarbeit arrangiert ein Fressnapf-Mitarbeiter kleine Pflanzen und Gegenstände in einem Aquarium: Aquascaping nennt sich diese Kunst der Gestaltung von Naturaquarien und Unterwasserlandschaften, wie Jan Spiegel, Franchisenehmer des XXL-Fressnapfs in Osnabrück, erklärt. Und damit ist man auch schon im Herzstück des 1.400 Quadratmeter großen Marktes der Brüder Spiegel angelangt. Denn neben dem klassischen Sortiment wie etwa Tiernahrung und -zubehör umfassen die XXL-Formate von Fressnapf auch Lebendtieranlagen wie die Aquaristik oder Nagetierabteilung. Lediglich Ziervögel werden in Osnabrück bewusst nicht mehr verkauft.

Doch die Filiale der Franchisenehmer Jan und Henning Spiegel ist kein herkömmlicher XXL-Fressnapf: Erst in diesem Jahr eröffnete der Markt nach dem neuen Future-Store-Konzept, das von Vice Store Designer Oliver Windhaus in nur zwölf Monaten entwickelt wurde. Windhaus beschreibt die Veränderungen im Vergleich zu den bisherigen Märkten als eine regelrechte „Revolution“. Es sei ein völlig neues Kundenerlebnis geschaffen worden, und auch die Mitarbeiter profitieren von einer neuen Arbeitsweise. Das Konzept wird nach Unternehmensangaben derzeit in fünf Ländern getestet und soll in den kommenden Jahren in ganz Europa zu finden sein. Der erste Pilotmarkt wurde bereits im Sommer 2021 in Krefeld eröffnet. Allein in diesem Jahr seien weitere 100 Neueröffnungen im Future-Store-Design 3.0 geplant.

Neben Veränderungen in Design, Aufbau und Navigation spielt vor allem das Thema Service eine entscheidende Rolle. Laut Windhaus transformiert sich das Unternehmen damit „vom Versorger zum Umsorger“ – eine Art Ökosystem für das Haustier, in dem es um mehr als nur die Futtermittelversorgung geht.
So fällt auch beim Betreten des Marktes in Osnabrück sofort das neue Service-Beratungsmodul ins Auge. An einem großen Holztisch im skandinavischen Stil können sich Mitarbeiter und Kunden hier über Themen rund um das Haustier austauschen. Über einen großen integrierten Bildschirm besteht außerdem die Möglichkeit, „Dr. Fressnapf“ für eine Online-Sprechstunde hinzuzuziehen. Doch das ist nicht der einzige Service, den die Spiegels in ihrem neu eröffneten Markt anbieten: Weiter hinten im Store versteckt sich der sogenannte „Fressnapf Salon“. Hier können Tierbesitzer ihren Vierbeinern von professionell ausgebildeten Tierfriseuren einen neuen Haarschnitt verpassen lassen.

Im Fressnapf trifft man als Kunde also nicht nur andere Tierbesitzer, sondern auch deren haarige Begleiter. Denn: Tiere sind hier – anders als im LEH – gern gesehen. Und so steuert auch in der Osnabrücker Filiale eine Kundin mit ihrem kleinen Vierbeiner auf eine ganz besondere Abteilung zu: die Meat-Corner. Sie befindet sich gleich rechts neben dem Eingang und ist durch den räumlich abgetrennten Holzboden und die industrielle Deckenbeleuchtung kaum zu übersehen. Besondere Abteilungen wie diese oder die „Gartenwelt“ sind bewusst im vorderen Bereich der Filiale platziert, um die Verweildauer im Markt und die Anzahl der Spontankäufe zu erhöhen. Niedrige Regale sorgen dafür, dass der Kunde die Orientierung behält. Im hinteren Teil des Marktes befinden sich wiederum die größeren Regale mit Futter für Hunde und Katzen. Die vielen Holzkisten der Meat-Corner sorgen für Marktplatz-Flair und lassen die Abteilung einem herkömmlichen Supermarkt zum Verwechseln ähnlich sehen. Äpfel und Bananen sucht der Kunde hier allerdings vergeblich – stattdessen gibt es Hundesnacks und Trendprodukte wie Barf. Barf steht für biologisch artgerechtes rohes Futter, das laut einer Fressnapf-Mitarbeiterin bei Heimtierhaltern derzeit äußerst gefragt ist. Auf das Know-how seiner Mitarbeiter ist Jan Spiegel besonders stolz: „Unsere Mitarbeiter kennen die Trends manchmal vor uns oder bevor der Lieferant sie überhaupt hat.“ Und so hält auch die Kundin mit ihrem Hund nach einem kurzen Beratungsgespräch das richtige Produkt in den Händen.

Von Rückenwind zu Gegenwind
Einen regelrechten Boom erlebte die Branche während und kurz nach der Corona-Pandemie – viele Haustiere zogen in deutsche Haushalte ein, und eine Erstausstattung musste her. Diesen „Rückenwind“, so Fressnapf-Chef Johannes Steegmann gegenüber der Wirtschaftswoche, habe man genutzt, um das Unternehmen zu transformieren.

Zu Beginn der Inflation profitierte der Fachmarkt außerdem davon, dass viele Handelsketten wie Rewe oder Edeka bekannte Tierfuttermarken von Mars aufgrund von Verhandlungsstreiks aus dem Sortiment nahmen. Hauptabsatzkanal für Tiernahrung ist weiterhin der LEH mit einem Umsatzanteil von 63 Prozent, doch durch die fehlenden Produkte sind viele markentreue Kunden auf den Fachhandel ausgewichen. Dies bestätigt auch Jan Spiegel: „Die Nachfrage war höher und konnte dann bei uns gedeckt werden.“

Nun trifft es jedoch auch Fressnapf. Gegenüber der Wirtschaftswoche erklärt Steegmann, dass die Preise für beispielsweise Fleisch und Verpackungen langsam zurückgehen, die Lieferanten ihre Preise jedoch beibehalten wollen. Daher führe man derzeit „sehr, sehr ernste Gespräche“ mit den Herstellern. Laut Steegmann könnte es zukünftig auch bei Fressnapf vorkommen, dass „ein Artikel einmal ausgelistet wird, wenn sich Partner zu lange querstellen“.

Aber auch der Lebensmittelhandel hat weiterhin mit der Teuerung im Bereich Tiernahrung zu kämpfen. Eine aktuelle Studie der Preis-App Smhaggle ergab, dass insbesondere die Nass- und Trockenfuttereigenmarken großer Handelsketten im Vergleich zu 2022 um 50 und 60 Prozent teurer geworden sind. Einzelne Sorten von Pedigree sind dagegen rund 20 Prozent teurer. Wo die Kunden künftig ihr Futter kaufen, bleibt also abzuwarten. Sicher ist sich Spiegel, dass Tierhalter zwar alltägliche Bedarfsartikel weiterhin auch im LEH kaufen, bei Problemen jedoch schnell der Weg in den Fachhandel gesucht wird. Denn nur dort sei eine ausreichende Beratung möglich. „Und im Idealfall bleiben die Kunden dann auch bei uns“, so der Filialleiter. Zur Kundenbindung setzt Fressnapf auf ein System, das dem einen oder anderen bereits aus dem LEH bekannt sein dürfte. „Fressnapf Friends“ ist das Kundenbindungsprogramm der Fressnapf-App, mit der Kunden bei jedem Einkauf stationär und auch online sparen können. Außerdem finden Tierbesitzer in der App Infos und Tipps rund um ihr Heimtier.

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