E-Zigaretten Verpasste Chance?

Hersteller von E-Zigaretten sehen sich von der EU im aktuellen „Beating Cancer Plan“ ignoriert und vom Bundesfinanzministerium mit hohen Steuern gegängelt. Auch Suchtexperten üben scharfe Kritik.

Freitag, 26. März 2021 - Sortimente
Tobias Dünnebacke
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Bildquelle: Getty Images

Es ist eine Gewissheit. Zigarettenalternativen wie elektronische Zigaretten oder Tabakerhitzer sind nicht mehr wegzudenken und werden sowohl den Fachhandel als auch den Lebensmittel-Einzelhandel in Zukunft weiter beschäftigen. Wie ernst es die großen Konzerne meinen, zeigt ein Blick auf ihre Vermarktungsaktivitäten. So setzt Philip Morris beispielsweise schon lange alles auf den Tabakerhitzer Iqos. Laut Marketingdirektor Thorsten Scheib wird bereits seit 2017 keine Außenwerbung mehr für klassische Marken wie Marlboro platziert. Das Unternehmen erziele weltweit bereits knapp 23 Prozent seines Umsatzes mit schadstoffreduzierten Produkten. Auch Wettbewerber British American Tobacco (BAT, unter anderem Lucky Strike) mischt seit einigen Jahren mit und investiert stark in die E-Zigarette Vype. Nach dem Scheitern von Juul läuft derzeit eine Kampagne an, bei der an einzelnen Verkaufsstellen Verbraucher ihre Juul-E-Zigarette eintauschen können gegen Vuse, der neue Name von Vype nach einem Relaunch. Mit Glo will BAT zudem den Hauptwettbewerber Philip Morris angreifen und bietet seit Kurzem einen eigenen Tabakerhitzer. Reemtsma, die Nummer zwei auf dem deutschen Tabakmarkt, setzt indes auf die Marke Myblu.

E-Zigarettenhersteller berufen sich auf die Verfassung
Viel Bewegung also. Der sogenannte „Transformationsprozess“, den Philip Morris vor rund sechs Jahren ausgerufen hat und der eine vollständige Abschaffung der klassischen Zigarette zum Ziel haben soll, ist im vollen Gange. Umso irritierter sind die Hersteller von potenziell weniger schädlichen Alternativen zur Zigarette von aktuellen politischen Entscheidungen. Da wäre zum Beispiel die geplante Erhöhung der Steuerlast von E-Zigaretten, beziehungsweise der Liquids, die in diesen Geräten verdampft werden. Dustin Dahlmann, Vorsitzender beim Bündnis für Tabakfreien Genuss (BfTG), ist entsprechend empört über den Entwurf für das „Tabaksteuermodernisierungsgesetz“ und nennt es sogar verfassungswidrig. Das Bündnis rechnet vor: Die geplante Besteuerung von zwei Cent je Milligramm Nikotin und ab 2024 von vier Cent würden eine bis zu 160 Prozent höhere Verteuerung der Liquidpreise zur Folge haben. Der Preisnachteil von E-Zigaretten gegenüber Rauchtabak würde erheblich verstärkt. Tabak sei bereits jetzt bis zu 60 Prozent günstiger als E-Zigaretten. Nach der geplanten Steuereinführung wäre Tabak-Feinschnitt sogar um bis zu 85 Prozent günstiger als E-Zigarettenliquid. „Die Höhe des Steuertarifs muss, um mit Blick auf die angestrebte Lenkungswirkung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu verstoßen, so gewählt sein, dass sie nicht eine Lenkungswirkung zulasten von Liquid und zu Gunsten von Rauchtabak erzeugt. Der Gesetzentwurf verstärkt den Preisnachteil von E-Zigaretten gegenüber Rauchtabak aber erheblich und ist daher verfassungswidrig“, heißt es in einer Stellungnahme vom BfTG.

Der Referentenentwurf begründet eine Besteuerung von Liquid unter anderem mit einem bestehenden Gefährdungspotenzial durch E-Zigaretten. Dustin Dahlmann, Vorsitzender des BfTG: „E-Zigaretten sind Alternativen zum Tabakkonsum für erwachsene Raucher. Daher muss das Schadenspotenzial von E-Zigaretten in Relation zur Schädlichkeit von Tabakzigaretten bewertet werden.“ Dampfen ist laut der britischen Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) aber um 95 Prozent weniger schädlich als Rauchen. Auch das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) stellt klar, dass der Umstieg von der Tabakzigarette auf die E-Zigarette das Erkrankungsrisiko für Raucher senke. Das DKFZ, auf das sich der Gesetzesentwurf direkt bezieht, fordert eine Regulierung, die „Raucher nicht davon abhält, vollständig von Tabak- auf E-Zigaretten umzusteigen“.

Suchtexperte Prof. Dr. Heino Stöver, Frankfurt University of Applied Sciences und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Suchtforschung, indes kritisiert den neuen EU-„Beating Cancer Plan“, der zum Ziel hat, dass weniger als fünf Prozent der europäischen Bürger rauchen. „Seit Jahren wird mit den immer gleichen Mitteln versucht, die hochgesteckten Ziele von einem nahezu tabakfreien Kontinent zu erreichen. Steuererhöhungen, Werbeverbote und Rauchverbotszonen werden Abhängige aber weiterhin nicht vom Rauchen abhalten können“, so der Suchtexperte. Erneut konzentriere sich die EU-Kommission beim Thema Tabakentwöhnung auf den „Quit or die“-Ansatz, anstatt eine realitätsnahe Suchtpolitik zu gestalten.“ Stöver bedauert in einer Stellungnahme, dass die EU-Kommission den erwiesenen Nutzen von E-Zigaretten in der Rauchentwöhnung ignoriert und sogar so weit geht, sie als Teil des Problems und nicht als Teil der Lösung zu sehen: „Großbritannien, Neuseeland und Kanada setzen die E-Zigarette als ein Hauptinstrument im Kampf gegen den Tabakkonsum ein und sind damit nachweislich sehr erfolgreich.“ Die E-Zigarette sei beim Tabakstopp etwa doppelt so erfolgreich wie andere Nikotinersatzprodukte und „in der Suchtforschung ist seit Langem bekannt, dass es wahrscheinlicher ist, dass Menschen mit vielen kleinen Schritten erfolgreicher sind als mit einem großen“, so Stöver. Es hätte ganz klar formuliert werden müssen, dass E-Zigaretten und Tabakerhitzer nicht harmlos sind, aber weniger schädliche Alternativen zum Weiterrauchen darstellen.

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