In meinem Kleiderschrank hängt ein Etuikleid von Hugo Boss, mein Mann verwendet seit Jahren ein Deo mit dem Metzinger Kleiderlabel, mein Neffe trägt eine smarte Sonnenbrille mit dem Double-B-Monogramm, und den Unterarm meines Onkels ziert eine markante Multifunktionsuhr mit goldfarbenem Gliederarmband und einem grünen Zifferblatt und dem Schriftzug „Boss“.
Mit breiter Brust behauptet der Konzern seit Jahren seine Stellung als Weltmarktführer im Segment des gehobenen Bekleidungsmarktes. Klassische Konfektion, Freizeitmode, funktionelle Sportswear und komplettierende Accessoires für „anspruchsvolle Kundinnen und Kunden“, formuliert der Konzern seine Zielgruppe selbst. Ganz anders, als es seine Herkunft aus dem schwäbischen Metzingen erwarten lässt. Mit einem Jahresumsatz 2023 von 4,2 Milliarden Euro ist man längst der Provinz entwachsen. Damit es auch in den nächsten Jahren in einem volatilen Marktumfeld bergauf geht, werde der Fokus darauf gelegt, „unsere ‚CLAIM 5‘-Strategie konsequent umzusetzen und unsere zahlreichen Wachstumschancen zu ergreifen“, gibt Daniel Grieder, Vorstandsvorsitzender von Hugo Boss, den Takt für 2024 vor.
Doch auch mit Produktinnovationen und einer Präsenz in 132 Ländern weltweit – vom stationären Einzelhandel über den stationären Großhandel bis zu umfangreichen Aktivitäten im Bereich Omnichannel – stößt eine so starke Marke wie Hugo Boss irgendwann mit ihrem Kerngeschäft an Grenzen.
Eine Möglichkeit, die zu überwinden, ist die Lizenzvergabe. Neben Anzügen, Blusen und Kleidern „haben wir Lizenzen für die Entwicklung und den Vertrieb von Produkten wie Düften, Brillen, Uhren, Kindermode und Hundeaccessoires vergeben“, zeigt der Fashionhersteller in seiner Konzernstrategie, was noch möglich ist. So stehen Düfte und Kosmetik in Drogerien und Parfümerien. Uhren und Brillen liegen in den Auslagen gehobener Einzelhändler.
Was der Mutterkonzern davon hat, dass andere Hersteller ihre Produkte mit dem Label der Schwaben schmücken dürfen? 2023 satte 88 Millionen Euro und damit nochmals 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Vielleicht noch wichtiger als die 3 Prozent am Konzernumsatz ist – ohne dabei den Millionenbetrag kleinreden zu wollen – aber die kostenlose Reichweitenvergrößerung der eigenen Marke.
Passgenaues Matching
Puma, Nivea, Harry Potter oder Bayern München: Lizenzvergaben sind im Hier und Jetzt angekommen und lassen die Kassen klingeln. So stieg der weltweite Umsatz mit lizenzierten Waren und Dienstleistungen 2023 auf 356,5 Milliarden US-Dollar, was einer Steigerung von rund 4,6 Prozent gegenüber 2022 entspricht. Das geht aus der aktuellen Global Licensing Industry Study hervor, die vom globalen Handelsverband der Markenlizenzbranche und von Marktforschern von Brandar Consulting veröffentlicht wird.
Das Lizenzgeschäft floriert vor allem im Unterhaltungssektor, der den Löwenanteil mit rund 41 Prozent ausmacht. An Nummer zwei rangieren Unternehmensmarken. Sport landet mit 39,5 Milliarden US-Dollar auf Platz drei. Größte Umsatztreiber waren 2023 die Bereiche Character/Entertainment, Mode, Musik und Sport. „Damit haben vor allem diejenigen Sektoren, die in den Vorjahren pandemiebedingt ausgebremst waren, 2023 deutlich zulegen können“, so der Handelsverband der Branche. Mit Blick auf den Umsatz nach Regionen zeigt sich, dass Westeuropa mit einem Gesamtumsatz von 65,5 Milliarden US-Dollar nach wie vor die zweitgrößte Lizenzregion der Welt nach den USA/Kanada ist.
Lizenzen funktionieren. Aber auch im Lebensmittelsektor? Zu finden sind sie eher selten. „Die Food-Branche ist es gewohnt, ihre Marken selber zu managen und damit nicht aus der Hand zu geben“, beantwortet Professor Stephan Rüschen, der an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn lehrt, die Fragen nach dem Warum. In Zeiten, in denen es kaum noch wirkliche Innovationen gibt und in denen LEH-Regale voll mit weitgehend homogenen Produkten sind, fällt es Herstellern immer schwerer, sich von Mitbewerbern abzusetzen. „Marken müssen sich aber differenzieren. Nur so gelingt eine Einzigartigkeit“, beschreibt Professor Rüschen, was starke Marken ausmacht. Neben faktischen Attributen spielen dabei auch eher emotionale Attribute eine Rolle. Also warum kein Markenimage kaufen?
Doch welche Lizenz passt zu meiner Marke? Welches Label lässt im Kopf der Verbraucher eine stimmige Story entstehen? Welche Zielgruppe habe ich vor Augen? Wenn aus zwei Marken eine werden soll, sei es wichtig, dass es sich beim Top-on auf das eigene Produkt um eine „starke“ Marke handele, so der Experte. Eine Marke, die sich durch eine hohe Bekanntheit und „ein klares Markenbild im Kopf der Kunden“ auszeichnet.
Mehrwerte schaffen
Das eigene Produkt mit einem neuen, spannenden und passenden zusätzlichen Erlebnisraum zu „pushen“ ist im Foodbereich eher unüblich. Es gibt sie aber. Meist dann aus dem Bereich des Co-Branding zwischen unterschiedlichen Branchen. So schafft es die Disneyfigur „Olaf“ auf eine Kindereispackung oder der Rapper Capital Bra auf eine TK-Pizza. Je besser der lizenzierte Künstler oder TV-Star zur Zielgruppe passt, je größer ist der Match. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Das lizenznehmende Unternehmen nutzt das bestehende positive Image, um mehr Käufer zu gewinnen.
In vielen Fällen haben solch lizenzierte Lebensmittel jedoch nur eine kurze Halbwertszeit. In den Regalen des Lebensmittelhandels ploppen sie saisonal beispielsweise im Weihnachtsgeschäft, zum Schulanfang oder zu Mega-Sportevents, wie der Fußball-Europameisterschaft oder den Olympischen Spielen, auf. Langfristige Co-Brandings gar zwischen zwei Lebensmittelherstellern haben dagegen Seltenheitswert. Neben einem Push durch das positive Markenimage geht es bei diesen, meist langfristigen Lizenzen um eine Markenerweiterung, ohne dass vom Markeninhaber neue Produktions- und Vertriebswege aufgebaut und finanziert werden müssen.
Blau blühende Lizenzen
Zu den bekanntesten, langfristigen Co-Brandings im Foodbereich zählt sicher Mövenpick. Allein in Deutschland haben die Schweizer aktuell sechs Lizenzpartner. Schon seit Jahren labelt Darboven Kaffee mit dem stilisierten Vogel. Von Schwartau kommen Fruchtaufstriche. Auch die blau gedeckelten Bauer-Joghurts und -Desserts kommen bei Premiumkunden gut an. Seit 2022 ist das Familienunternehmen Kuchenmeister der vierte Lizenzpartner von Mövenpick. Das Start-up Quarkwerk ist seit 2023 fünfter Lizenzpartner. Mit Hengstenberg kam erst kürzlich Lizenzpartner Nummer sechs dazu. Mövenpicks Credo für alle Lizenzprodukte: „Wir machen nichts Außergewöhnliches, wir sind nur erfolgreich, weil wir Gewöhnliches außergewöhnlich gut machen.“ Bester Geschmack und Qualität stünden dabei immer im Mittelpunkt, so CEO Jürgen Herrmann.
Die Mövenpick Holding lässt sich die Nutzung ihrer Marke durch Lizenzgebühren bezahlen. Wie hoch die sind, darüber schweigt man sich aus. Ein Geschäft, das sich aber offenbar lohnt. So erzielte Mövenpick 2023 im deutschen Lebensmittelhandel einen Markenumsatz inklusive Eis von 347,9 Millionen Euro. Sage und schreibe 63 Prozent oder – in Euro ausgedrückt – 220 Millionen davon kommen aus dem Fine-Food-Geschäft. Das zeigen die Analysen vom Marktforschungsinstitut NielsenIQ.
Mövenpicks Geschäftsmodell läuft. Und das immer besser. Im Vergleich zum Vorjahr, das mit einem Umsatz von 317,1 Millionen Euro endete, verzeichnet das diesjährige ein Plus von fast 10 Prozent. Gegenüber 2019 liegt der Umsatzsprung sogar bei mehr als 100 Millionen Euro. „Die kontinuierlich positive Entwicklung der letzten Jahre bestätigt eindrucksvoll den 2019 eingeschlagenen, zukunftsweisenden Kurs des Familienunternehmens“, resümiert daher auch Jürgen Herrmann, Geschäftsführer der Fine-Food-Sparte.
Doch nicht alles ist Gold, was glänzt. So scheiterte das Züricher Unternehmen beispielsweise vor einigen Jahren mit Lizenzen für Fertiggerichte, Schokolade, Gebäck und Feinkostsalate. Geknickt ist man deswegen nicht. Solche Erfahrungen seien Teil eines ständigen Lern- und Entwicklungsprozesses, der letztlich zu langfristigem Erfolg führe, ist sich der CEO der Sparte sicher. Nachgefragt, was gelernt worden sei, antwortet Hermann so: Man wisse jetzt, dass die Marktgröße einer neuen Kategorie entscheidend sei, „damit wir uns nicht in Nischen bewegen“. Zudem sei es wichtig, sich im Bereich Massen-Premium zu positionieren, „damit der Preis-Leistungs-Anspruch fair ist“.
Milliarden US- Dollar betrug der weltweite Umsatz mit lizenzierten Waren und Dienstleistungen 2023.
Quelle: Brandar Consulting
Millionen Euro kamen 2023 aus dem Mövenpick- Fine-Food- Geschäft.
Quelle: Mövenpick Holding
Produkte tragen aktuell das V-Label für lizenzierte, vegane und vegetarische Lebensmittel.
Quelle: V-Label International
Was die Lizenz dem Hersteller bringt
Aber wie sieht es mit der anderen Seite aus, den Lizenznehmern. Wie zufrieden sind sie? Sind die Lizenzen vielleicht gar eine Erfolgsgeschichte? „Absolut“, lässt Tim Schwertner, Chief Commercial Officer und verantwortlicher Geschäftsführer für Marketing, Vertrieb, Nachhaltigkeit und Innovation der Bauer Gruppe, keine Zweifel aufkommen. Das sei eine langfristige (seit 1996) Partnerschaft, „in der beide Seiten vom gegenseitigen Know-how und von der jeweiligen Unternehmensstärke“ profitierten. Und zwar „stark“, so Schwertner. Auch Mövenpick bestätigt das sehr partnerschaftliche Verhältnis. Die Zusammenarbeit nennt Jürgen Hermann „intensiv und sehr kooperativ“.
Vor allem die etablierten Produktsegmente Feinjoghurt, Pudding Intense und Iced Coffee seien Leuchttürme der Zusammenarbeit. „Die Marke Mövenpick nimmt in unserem Gesamtportfolio eine zentrale Rolle ein, mit ihr besetzen wir die Bereiche Genuss, Premium und Qualität“, beschreibt Tim Schwertner. Wie groß konkret die Rolle in Cent und Euro ist, darüber „möchten wir an dieser Stelle nicht berichten“.
Einen Teil des Rezepturgeheimnisses gibt er dagegen preis. „Jedes Produkt, egal ob Bauer oder Mövenpick, hat eine ganz eigenständige Rezeptur“, sagt Schwertner. So zeichneten sich die Joghurts mit dem blauen Deckel beispielsweise durch eine hohe Cremigkeit und eine besondere intensiv fruchtige Fruchtkombination ganz ohne Zusatz von Aromen aus. Das gilt auch für Neuentwicklungen. Die fänden „in sehr engem, direktem Austausch bezüglich des Gesamtkonzepts inklusive Design und auch der Produktattribute“ zwischen Mövenpick und Bauer statt, so Schwertner.
Wozu in die Ferne schweifen: Die US-amerikanische Mondelēz International gilt als Meister des konzerninternen Co-Brandings. Sie kombiniert beispielsweise die beiden Süßigkeitenmarken Milka und Oreo mit ihrem hauseigenen Frischkäse Philadelphia. Die Verknüpfung sorgt für doppelte Wahrnehmung und führt letztendlich zur Wertsteigerung des Kombi-Produkts. Und all das ohne Lizenzgebühren.
Für manche Produktkategorie sucht sich Mondelēz aber auch außerhäusliche Partner. So startete Arla, die Molkereigenossenschaft mit Hauptsitz im dänischen Viby, im Juni auf dem deutschen Markt mit Schokoladenmilchdrinks als Milka-Lizenzmarke von Mondelēz International. Weiteres Wachstum in der Kategorie der Milchmischgetränke gelte es zu generieren, „nachdem die Molkereigenossenschaft mit den gekühlten Kaffeegetränken von Starbucks als Lizenzmarke bereits sehr erfolgreich ist“, so die Presseabteilung in ihrem Halbjahresbericht 2024.
Markenlizenzen im Eisgeschäft
Deutschlands größte Molkerei, das Deutsche Milchkontor (DMK), setzt schon seit geraumer Zeit auf Lizenzpartnerschaften, nicht im Molkereiprodukte-Segment, dafür aber im Eisbereich. Nachdem man bereits einige Top-Marken lizenziert hat, sind im vergangenen Jahr nun mit „Manner“ (Waffel-Schnitten mit Haselnusscreme-Füllung) und „PEZ“ (Bonbons) zwei weitere Marken dazugekommen. Der strategische Kurs, mit Kooperationspartnern und Lizenzgebern das Markeneis-Geschäft weiter auf- und auszubauen und starke Marken in Eisvarianten zu übersetzen, werde weiterverfolgt, gibt Marcus-Dominic Hauck, COO des Geschäftsbereichs Eis beim DMK, die Marschrichtung vor.
Und genau das steckt auch beim Co-Branding von DMK und Ehrmann dahinter. Nachdem DMK im vergangenen Jahr mit Ehrmann Grand Dessert Deutschlands beliebteste Puddingmarke in die Eistruhen gebracht hat, kamen in diesem Jahr gleich drei weitere Varianten hinzu. „Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass starke Marken die Konsumenten besonders ansprechen“, erklärt Marcus-Dominic Hauck, COO des Geschäftsbereichs Eis.
Eine andere Lizenz hat Ehrmann kürzlich an Schwarzwaldmilch vergeben. „Ab Oktober werden wir frische Proteinmilch der Marke Ehrmann produzieren und vertreiben“, verkündete Geschäftsführer Andreas Schneider bei der Vorstellung der Bilanz für 2023, dass man sich die Lizenz für dieses Produkt gesichert habe. „Dies ist für uns ein weiterer wichtiger Schritt im Sinne der wertschöpfenden Veredelung der kostbaren Rohmilch unserer Schwarzwaldmilch-Erzeuger“, freut sich Schneider. Nicht zuletzt unterstreiche die hinzugewonnene Lizenz die überzeugende Qualitäts- und Vermarktungskompetenz, die Schwarzwaldmilch verkörpere, so der Molkereichef.