Haltungsstufen Aus für die Anbindehaltung

Die ganzjährige Fixierung von Kühen soll gesetzlich auslaufen. Händler und Molkereien setzen schon jetzt auf Milch aus höheren Haltungsstufen. Für nicht wenige Betriebe in Deutschland wäre das das Ende.

Mittwoch, 20. März 2024 - Molkereiprodukte
Dr. Friederike Stahmann
Artikelbild Aus für die Anbindehaltung
Bildquelle: Friederike Stahmann

Das Thema Tierwohl ist ein wichtiges Thema für uns und für unsere Kunden, daher setzen wir es konsequent um“, erklärte Christoph Graf, Geschäftsleiter Ware bei Lidl, schon vor Monaten. Folgerichtig steht in den Regalen des Discounters seit Beginn des Jahres nur noch Frischmilch und laktosefreie Milch (Eigenmarken) der Haltungsformen 3 und 4. Seit Mitte Februar ist das auch Realität bei Aldi. Die Bereitschaft der Landwirte, ihre Betriebe entsprechend umzubauen, so Graf, sei Voraussetzung dafür. Und er fügt hinzu, dass nur so die Transformation zu mehr Tierwohl gelänge.

Auch der Gesetzgeber feilt derzeit genau an diesem Punkt. Das Tierschutzgesetz soll ein Update bekommen. Schon seit 2002 ist der Schutz von Tieren als Staatsziel im Grundgesetz verankert. Getan hat sich seitdem wenig. Das sieht auch das zuständige, Grünen-geführte Landwirtschaftsministerium so und handelt: Der Entwurf zum neuen Tierschutzgesetz liegt auf dem Tisch. Verbände wie Länder haben nun Zeit, sich zum 77-seitigen Referentenentwurf zu äußern.

Für viele Milcherzeuger, vor allem in Süddeutschland, ist Stein des Anstoßes das drohende Aus der Anbindehaltung. Um die Folgen eines Verbotes abschätzen zu können, hat das Bundeslandwirtschaftsministerium im Vorfeld beim Thünen-Institut eine Status-quo-Erhebung in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: In Deutschland betreiben 17.300 melkende Betriebe oder anders gesagt 35 Prozent aller Milchviehhalter Anbindehaltung. Was viel klingt, bedeutet aber in Tierzahlen, dass von den 3,76 Millionen Milchkühen in Deutschland nur 11 Prozent am Platz fixiert sind. Davon wiederum leben 70 Pro-
zent (291.474 Kühe) ganzjährig angebunden, 
30 Prozent bekommen in der Saison Weidegang. Überproportional vom Anbindehaltungs-Aus wäre Bayern betroffen, da hier die Anbindehaltung noch weit verbreitet ist.

Im nun vorliegenden Referentenentwurf steht unter Artikel 2b, dass kein Tier mehr angebunden gehalten werden darf. Die Übergangsfrist bis zum Verbot – im Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Bundesregierung stehen zehn Jahre – soll auf fünf Jahre verkürzt werden.

Bayern gegen gesetzliche Zwänge
Dass die andauernde Fixierung von Rindern keine Zukunft hat, sieht man auch in Bayern. „Die ganzjährige Anbindehaltung ist ein Auslaufmodell“, lässt die Agrarministerin Kaniber wissen. Man setze aber im Freistaat auf den Strukturwandel. So sei in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Anbindeplätze in Bayern um 60 Prozent gesunken, unter anderem mithilfe staatlicher Förderung bei neuen Ställen.

Sicher nicht zuletzt aber auch, weil die Molkereien im Süden – egal ob privatwirtschaftlich oder genossenschaftlich organisiert – seit Jahren Tierwohl in den Ställen ihrer Lieferanten fördern. „Wir honorieren mehr Bewegung der Tiere in konventioneller Haltung im Rahmen eines zusätzlichen Prämiensystems mit Laufstall-, Weide- und Bewegungsprämien“, erläutert Barbara Steiner-Hainz, Pressespre­che­rin der Milchwerke Berchtesgadener Land. Milch aus ganzjähriger Anbindehaltung landet schon seit geraumer Zeit nicht mehr in Produk­ten der grünen Marke aus dem Berchtesgadener Land.

Die „Käse-Größe“ Hochland ist seit 2021 mit einem Programm für Weidehaltung am Start. Die Molkerei Zott fördert unter anderem herausragende Leistungen im Hinblick auf Milchqualität sowie nachhaltiges und vorausschauendes Handeln mit einem Best-Practice-Wettbewerb um die „Goldene Milchkanne“.

Und so haben nicht wenige Landwirte ihre Betriebe in den letzten Jahren zur Kombi­hal­tung weiterent­wickelt – Fixierung im Winter, Weidegang im Sommer. Diese Haltungsart soll, so steht es im Referentenentwurf, weiter erlaubt bleiben. Wenn auch modifiziert: Zum Weidegang im Sommer müssen Kühe auch im Winter mindestens zweimal pro Woche Zugang zu einem Freigelände (Laufhof) haben. Diese Art der Kombihaltung ist jedoch auf kleine Betriebe beschränkt und auch nur bis zur Hofübergabe.

„Nach wie vor und völlig unverständlich sollen diese Ausnahmen nur für den aktuellen Betriebsleiter und eben nicht für den Betrieb gelten, was zu einem Ende bei der Betriebsübergabe und somit zu einem schleichenden Tod auch der Kombihaltung für kleinere und eigent­lich politisch und gesellschaftlich gewünschte Betriebe führen würde“, fasst Dr. Jürgen Seufferlein, Geschäftsführer des Verbandes der Milcherzeuger Bayern, die Konsequenzen zusammen.

Ob und mit welchen Abschmelzungen das Gesetz kommen wird, bleibt dahingestellt. Aber die Transformation kostet, so die Berechnungen, die Landwirte 873 Millionen Euro. Ohne Förderung oder höhere Milchgeldeinnahmen schwer stemmbar.

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