Milchpreisvergleich Sturmerprobt

Einmal im Jahr können Milchbauern in Deutschland sehen, was „ihre“ Molkerei im Vergleich zu anderen so zahlt. Ein Milchpreisvergleich schafft Transparenz und bringt ein Nord-Süd-Gefälle für Milchpreise zu Tage. Und wie wird wohl 2020?

Sonntag, 26. April 2020 - Molkereiprodukte
Friederike Stahmann, Elke Häberle, Heidrun Mittler
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Bildquelle: Friederike Stahmann

Zweimal im Jahr – im Mai und November – müssen sich Händler wie Kunden an neue Preise für Trinkmilch gewöhnen. Wenn Land auf, Land ab neue Etiketten gedruckt oder digital umgestellt werden, ist das ein sicheres Zeichen: Aldi Nord und Aldi Süd haben sich mit den großen Molkereien für das Preiseinstiegssegment geeinigt.

Was im März dieses Jahres aufgeheizt mit Traktorendemos vor Aldi-Zentrallagern begann, endet kurz darauf versöhnlich: Der neue Einkaufspreis für frische und haltbare Vollmilch (3,5 Prozent und 1,5 Prozent) liege über den letzten Runden, heißt es seitens der Unternehmensgruppen Aldi Süd und Aldi Nord. „Wir zahlen somit mehr, als wir gemäß der Marktlage hätten akzeptieren müssen“, so Jürgen Schwall, verantwortlich für den internationalen Einkauf bei Aldi Nord.

Warum der Streit? Warum der Bauernprotest? Die Angst, der Erzeugermilchpreis könnte sinken, ging um. Grund dafür waren negative Marktentwicklungen auf internationaler Bühne. Solche Tendenzen wirken sich bis auf die Milchauszahlungs- und Endverbraucherpreise aus. Mit der Kurzformel: wird weltweit viel Milch erzeugt, sinkt in Deutschland der Preis für die Tüte Milch und damit auch der Erzeugerpreis für den Bauern.

Von den rund 70 Cent, den Kunden für einen Liter Milch im Handel im Preiseinstiegssegment bezahlen, bekommt der Landwirt um die 30 Cent. Im vergangenen Jahr lag der genau genommen bei 33,6 Cent (nach Angaben des Fachmagazins Top Agrar). Und zwar als Grundpreis netto für konventionelle Milch von 4 Prozent Fett und 3,4 Prozent Eiweiß inklusive aller Zuschläge. Unterm Strich kein besonders gutes Jahr (2014 lag der Preis bei 37,5 Cent) und kein besonders schlechtes Jahr (2016: 26,7 Cent) für Milchbauern.

Als Top-Auszahler stehen 2019 die Milchwerke Berchtesgadener Land mit einem Preis von 37,3 Cent je Kilogramm ganz oben. Schlusslichter unter den großen Milchverarbeitern zahlen rund sechs Cent weniger. Über alle Molkereien gesehen, zeigt sich, dass besonders gut auszahlende Molkereien ihren Sitz in Süddeutschland haben. Lediglich FrieslandCampina, die sowohl über ein Milcheinzugsgebiet in Nordrhein-Westfalen, als auch eines in Baden-Württemberg verfügen, mischen in beiden Gebieten in der oberen Liga mit.

Bio-Milch bringt mehr
Für Bio-Milch zahlten die Molkereien 2019 durchschnittlich 47,6 Cent, mit einer Spanne von 50,7 bis 45,4 Cent. Die beiden Spitzenauszahler mit über 50 Cent sind die Berchtesgadener Land und die Molkerei Schrozberg. Die unterschiedlichen Auszahlungspreise resultieren aus den verschiedenen Sortimenten und Absatzmöglichkeiten der Molkereien.

Bedeutet dies, dass hohe Erzeugermilchpreise durch eine hohe Wertschöpfung des Endproduktes „refinanziert“ werden müssen? Umgekehrt werde ein Schuh draus, meint man bei der DMK in Bremen: „Als Molkereigenossenschaft gehen die Erträge, die wir am Markt erwirtschaften, in zwei Kanäle: Der größere Teil geht als Auszahlungspreis an unsere Landwirte. Der kleiner Teil wird genutzt, um Innovationen zu entwickeln oder wird für Investitionen getätigt.“

Nach dem Jahrzehnt der Nuller-Jahre, das im Mopro-Bereich mit Innovationen bei Milchmischerzeugnissen einherging, steht das neue Jahrzehnt im Zeichen der Nachhaltigkeit. Wer in diesem Bereich Zeichen setzt, kann Pioniergewinne einstreichen. Angefangen beim Verzicht auf Gentechnik und Totalherbiziden wie Glyphosat, der Förderung von mehr Tierwohl oder der Ausweitung der Bio-Landwirtschaft. „Letztlich haben diese Maßnahmen dazu beigetragen, dass Mehrwerte in der Verbraucheransprache ehrlich kommuniziert werden können. Und so war es uns auch 2019 wieder möglich überdurchschnittliche, faire Milchpreise an die Landwirte auszuzahlen“, freut man sich bei der Molkerei Berchtesgadener Land.

Bei Friesland Campina drückt man es so aus: „Sowohl in der Strategie unseres Unternehmens („Nourishing by Nature“) als auch bei unseren genossenschaftlich organisierten Milchviehhaltern ist als Zielsetzung verankert, dass wir Produkte mit hoher Wertschöpfung anbieten wollen.“

Neue Unbekannte
Das Jahr 2020 wird in der Rückschau auf die Milchpreise wohl von ganz anderen Umständen beherrscht worden sein: Corona macht auch vor der Milch nicht halt. Global vernetzte Warenströme vertragen sich nicht mit geschlossenen Grenzen – vom Container über Verpackungsmaterial bis hin zu fehlenden ausländischen Arbeitskräften.

Während die Molkereien Mühe haben, die stark gestiegene Nachfrage im Handel zu bedienen – vor allem haltbare Produkte sind der Renner–, stottert der Export. Das Geschäft mit der Gastronomie und gewerblichen Kunden ist bis auf wenige Ausnahme zum Erliegen gekommen. „Wir haben eine extreme Änderung der Warenströme innerhalb sehr kurzer Zeit“, fasst es Hans-Jürgen Seufferlein, Direktor des Verbands der Milcherzeuger Bayern, zusammen. „Molkereien mit starkem Exportanteil stehen an den Grenzen, und Spediteure sind deutlich länger unterwegs“, so der Sprecher des Bayerischen Bauernverbandes, Markus Drexler. Unbekümmert von alledem erzeugen die Kühe ihre Milch. Was ihre Besitzer dafür 2020 erhalten? Ungewiss. „Bestreben ist es, unseren genossenschaftlichen Milchbauern auch 2020 einen leistungsfähigen und absolut wettbewerbsfähigen Auszahlungspreis zu zahlen“, so das Ziel bei der Schwarzwaldmilch.

In den letzten drei Jahren bewegten sich die Preise für Milch ab Hof kaum. Das Milchjahr 2020 startete stabil – doch wie es weitergehen wird, ist ungewiss.

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