Die Übernahme der Weinkellerei Zimmermann-Graeff & Müller (ZGM) durch den französischen Marktführer Les Grands Chais de France (GCF) ist vollzogen. Der Verkauf einer der größten deutschen Weinkellereien hat viele Hersteller aufhorchen lassen. Wer nicht zum Übernahmekandidaten werden will, muss die Wertschöpfung verbessern. Mächtiger Türsteher in diesem Szenario: der Handel.
Es gibt wechselseitige Abhängigkeiten zwischen Herstellern und Händlern. Ohne Frage. Allerdings beobachten Experten eine deutliche Verschiebung in diesem Machtverhältnis. Prof. Dr. Rainer Lademann hat sich damit in seinem Buch „Marktbeherrschung im Lebensmitteleinzelhandel?“ auseinandergesetzt: „Der Handel ist stärker geworden. Die Industrie hat sich nicht mitverändert“, fasst Lademann zusammen. Der Handel sei in der Lage, die Margen der Industrie so zu beschneiden, dass die Hersteller zu wenig Rendite machen, um dann in Innovationen zu investieren. Zu beobachten sei ein Einbruch im Hinblick auf die Bereitschaft, neue Produkte auf den Markt zu bringen.
Rückläufige Weinverkäufe und steigender Kostendruck verlangen von Herstellern jedoch nun mehr Kreativität. Trends wie alkoholfreier oder alkoholarmer Wein werden von allen großen Kellereien bespielt. Alternative Verpackungen nehmen zu. Heinz Hein Weinhandel in Wiesbaden hat bei Edeka und Rewe als erster Anbieter Weine in Papierflaschen auf den deutschen Markt gebracht. Reh-Kender-mann versucht es mit einem Riesling Müller-Thurgau im Tetra Pak, zunächst für den skandinavischen Markt. Ob die Innovationskraft der Marken aber reicht, ist fraglich.
Die Konzentration auf der Absatzseite – durch immer weniger und größere Märkte – und die Differenzierung des Sortiments durch Handelsmarken schaffen laut Lademann Wechselbarrieren. Die Verbraucher wechseln also seltener die Einkaufsstätte, was es möglich mache, die Preise zu erhöhen. „So bekommt der Handel höhere Margen“, sagt Lademann. Davon profitieren die Hersteller jedoch immer seltener. „Ein Hersteller hat vielleicht drei oder vier große Kunden und kann oft auf keinen dieser drei verzichten“, sagt Lademann. Im Handel habe man, vereinfacht berechnet, mit 2.000 bis 3.000 Lieferanten zu tun. Im Durchschnitt sei der Umsatz des einzelnen Lieferanten nicht größer als drei Prozent des gesamten Umsatzvolumens eines Händlers. Nimmt ein Händler also ein Produkt aus dem Regal, ist der Schaden oft gering. „Wenn es gut läuft, verliert der Händler sogar keinen Umsatz, da die Kunden auf Ersatzprodukte zurückgreifen“, so Lademann.
Hohe Wechselbarrieren
Ein Lieferstopp eines Herstellers kann trotzdem Wirkung zeigen: Die Württemberger Weingärtner Zentralgenossenschaft (WZG) und ihre Mitgliedsbetriebe stellten im April 2022 die nationale und regionale Belieferung der Rewe-Gruppe ein. Grund: gescheiterte Verhandlungen über eine Preiserhöhung. Die Genossenschaft konnte sich mithilfe des Lieferstopps durchsetzen. Geholfen hat der WZG dabei sicher ihre Größe. „Es gibt sicherlich Branchen, in denen Hersteller eine kritische Mindestgröße brauchen, um überhaupt am Wettbewerb teilnehmen zu können“, ordnet Lademann ein.