Meinl Wachsen im LEH

Die österreichische Rösterei Julius Meinl expandiert in den deutschen Lebensmittel-Einzelhandel. Ein guter Zeitpunkt?

Donnerstag, 18. August 2022 - Getränke
Elena Kuss
Artikelbild Wachsen im LEH
Bildquelle: Julius Meinl

Der Lebensmittelhandel zählt seit Beginn der Corona-Pandemie als systemrelevante Branche zu den wenigen Gewinnern der Krise. Ein guter Zeitpunkt zur Expansion in diesen erfolgreichen Vertriebskanal? Der österreichische Kaffeeröster Julius Meinl will es versuchen. Ela Saleh (Foto), Geschäftsführerin bei Julius Meinl Deutschland, erklärt im LP-Interview, warum Meinl eigens eine Kaffeebohnenlinie für den deutschen Markt kreiert hat und welches Produkt als nächstes in den Regalen landen könnte.

Julius Meinl wird weltweit in mehr als 70 Ländern vertrieben. Schwerpunkt ist die Gastronomie. Jetzt expandiert die Marke im deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Warum?
Ela Saleh: Auch in Österreich, Rumänien und Kroatien sind wir mit Julius Meinl bereits erfolgreich im Lebensmittelhandel vertreten. Deutschland ist einer der größten Einzelhandel-Kaffeemärkte Europas und Kaffee ist das am meisten konsumierte Getränk der Deutschen. In rund 1.200 deutschen Cafés, Restaurants und Hotels ist Julius Meinl bereits erfolgreich vertreten. Wir wollen die Wiener Kaffeehauskultur – die übrigens als immaterielles Weltkulturerbe der Unesco anerkannt ist – nun auch in die privaten Haushalte der Deutschen bringen. Und sehen da auch einige Synergieeffekte.

Meinl startet mit einer komplett neuen Linie. Die Synergieeffekte liegen also vor allem im Marketing?
Ja, aber nicht nur. Die eigens für den deutschen Markt kreierte Kaffeebohnenlinie „Vienna Collection“ aus Rainforest-Alliance-zertifizierten Qualitätsbohnen hat natürlich auch eine sensorische Differenzierung. Julius Meinl röstet seit 160 Jahren nach Wiener Art. Diese Röstexpertise steckt in jedem Produkt der Marke.

Kaffee und Verbraucher

  • 33,8 Prozent genießen regelmäßig ihren Kaffee aus einem Vollautomaten.
  • 48,9 Prozent trinken Filterkaffee.
  • 20,9 Prozent setzen auf die Kapselmaschine.
  • 17,3 Prozent auf löslichen Kaffee.

Warum brauchte es für den deutschen LEH ein eigenes Produkt?
Wir wollten ein den Bedürfnissen und dem Geschmack des deutschen Verbrauchers perfekt angepasstes Produkt schaffen: von der Verpackung bis zur Röstung. Gleichzeitig wissen wir als österreichisches Unternehmen mit 160-jähriger Geschichte, wie man die Wiener Röstung am besten auslebt.

Warum kommt der Launch jetzt?
2019 habe ich die Geschäftsführung in Deutschland angetreten. Schon zu diesem Zeitpunkt gab es erste Überlegungen dazu. Durch den Trend im Markt zur Premiumisierung und die steigende Anzahl an Kaffeevollautomaten in deutschen Haushalten war es daher nur eine Frage der Zeit, wann wir den Schritt in den Einzelhandel wagten. Vor etwa einem Jahr haben wir dann die Entscheidung getroffen, nach Deutschland zu gehen.

Welche Rolle spielte die Pandemie?
Der Launch hat unabhängig von der Pandemie stattgefunden.

Meinl startet mit etwa 300 Listungen in Deutschland. Wie geht es weiter?
Aktuell sind wir bei Tegut, V-Markt und Globus in Bayern gelistet. Das wollen wir bis Ende 2022 ausbauen.

Wie sieht es mit Discountern aus?
Aktuell ist keine Listung geplant.

Das Premium-Segment wächst zwar, ist jedoch auch hart umkämpft. Warum sollten die Händler auf die Marke Julius Meinl setzen?
Wir haben uns den deutschen Markt sehr genau angeschaut: Viele Deutsche wechseln gerade auf die ganze Bohne, investieren in einen Vollautomaten. Die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Kaffeeprodukten im Handel liegt bei über 20 Prozent Marktanteil und wächst stetig weiter. Während die italienische Art, Kaffee zu trinken, sich eher im schnellen Espresso widerspiegelt, steht die Wiener Kaffeehauskultur für genussvolles Trinken. Das Motto: Nimm dir diesen Moment! Und genau hier sehen wir im deutschen LEH noch Potenzial.

Wie sieht es mit anderen Zubereitungsarten aus?
Komplett ausschließen möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt keine der Zubereitungsarten. Besonders gut vorstellen können wir uns, als Nächstes mit unserer Zero-Waste-Kapsel aus 100 Prozent abbaubarem Material auf der Grundlage erneuerbarer Rohstoffe im deutschen LEH zu starten.

Kompostierbare Kapseln haben in Deutschland in letzter Zeit viel Kritik einstecken müssen.
Ich sage immer: Jeder Schritt in die richtige Richtung ist ein richtiger Schritt. Wenn Julius Meinl ein Produkt launcht, kann sich der Konsument darauf verlassen, dass die Kapsel hält, was sie verspricht. Dazu gehört dann zum Beispiel auch, dass der Korpus zukünftig auf dem Heimkompost verrottet.

Warum ist die Verpackung für die deutsche Kaffeebohnenlinie aus Kunststoff?
Wir wollen keine Kompromisse beim Geschmack eingehen. Bei keinem unserer Produkte. Da drehen wir lieber eine Extra-Runde und bringen nur dann ein Produkt auf den Markt, wenn wir den vollen Geschmack unserer Wiener Röstung garantieren können. Trotzdem ist es unser langfristiges Ziel, nachhaltige Verpackungsmaterialien flächendeckend für alle unsere Produkte einzusetzen, und verwenden daher bereits jetzt die bestmögliche Lösung, die alle Kriterien vereint.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für Julius Meinl?
Eine große. Unsere Produkte sind zum Großteil Rainforest-Alliance-zertifiziert, auch die Kaffeebohnenlinie für den deutschen Lebensmittel-Einzelhandel. Bis 2025 wollen wir die volle Rückverfolgbarkeit unserer Rohstoffe garantieren. Wir arbeiten daran, unsere Produktion auf erneuerbare Energien umzustellen. Um nur einige Punkte zu nennen. Einzelheiten veröffentlichen wir in unserem Nachhaltigkeitsbericht.

Um den Erfolg in Deutschland voranzutreiben, soll das Vertriebs- und Marketingteam ausgebaut werden. In welchem Umfang?
In unserem Headquarter in Düsseldorf gibt es schon länger ein erfahrenes Außendienst-Team, das jetzt um LEH-erfahrene Mitarbeiter ergänzt wurde. Mit mir sind es 24 Personen, die in Deutschland am Erfolg der Marke arbeiten. Mit Unterstützung aus Österreich natürlich!

Wird es Aktionen am PoS geben?
Ja, es gibt bereits Verkostungen, denn wir möchten die Wiener Röstung direkt vor Ort erlebbar machen. Das werden wir intensivieren. Zusätzlich planen wir gerade ein Cash-back-Programm.

Foto: Ela Saleh formierte 2017 die erste Niederlassung von Julius Meinl im asiatischen Raum. 2019 übernahm sie die Geschäftsführung in Deutschland.

Röstkaffee: läuft gut im Lebensmittelhandel

Nach einem starken Jahr 2020 verzeichnete der deutsche Kaffeemarkt laut Deutschem Kaffeeverband 2021 ein erneutes Wachstum. Die positive Entwicklung ist vor allem das Ergebnis gestiegener Röstkaffeeverkäufe im LEH. So ließen Homeoffice und Lockdown den Konsum im eigenen Zuhause um 2,1 Prozent (plus 7.900 Tonnen) steigen.

Das Gesamtsegment Out of Home verlor 5,7 Prozent (minus 5.800 Tonnen Röstkaffee) gegenüber dem Vorjahr. Die größten Einbußen verzeich- neten (Hotel-)Restaurants (minus 25 Prozent), Cafés (minus 15 Prozent) und Kioske (minus 14 Prozent).

Einen detaillierten Einblick in die Gewohnheiten der Verbraucher gibt auch der Tchibo Kaffeereport 2022: 73,5 Prozent der Befragten kaufen im Vollsortimenter normalerweise ihren Kaffee. Der Discounter ist mit 40,4 Prozent deutlich weniger beliebt. Im Café trinken lediglich 9,3 Prozent üblicherweise ihre Tasse Kaffee.

Viele Hersteller sehen Potenzial vor allem im stetig wachsenden Premiumbereich. 21,2 Prozent der im Tchibo Kaffeereport Befragten gaben an, dass sie für Kaffee einer bekannten Marke bereit sind, einen höheren Preis beim Einkaufen zu bezahlen. Doch dreht 2022 der Wind durch die hohe Inflation und die steigenden Energiekosten? Marco Atzberger, Mitglied der Geschäftsleitung beim EHI, erwartet eine Veränderung: „Es ist davon auszugehen, dass einige Verbraucherinnen und Verbraucher nun wohl vermehrt die Discounter ansteuern werden.“

 

Mehr zum Thema „Expansion in den LEH“ im LP-Podcast in Episode 22.

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