Food Waste Auf in den Kampf! - Food Waste Auf in den Kampf: Teil 3

Foodsharing-Boxen auf Supermarktparkplätzen, neue Verkaufsformate für abgelaufene Ware und krummes Gemüse, optimierte Einkaufs- und Produktionsverfahren: Engagement und Allianz gegen Lebensmittelverluste waren nie so groß. Und so nötig. An welchen Lösungen Lebensmittelhandel und -industrie arbeiten.

Donnerstag, 21. September 2017 - Management
Bettina Röttig
Artikelbild Auf in den Kampf! - Food Waste Auf in den Kampf: Teil 3

Am Hebel „Wiederverwerten“ arbeitet auch die Lebensmittelindustrie. Viel erreicht hat hierbei z. B. Nestlé Deutschland. „In unserer Produktion sind wir bereits seit Jahren aktiv und haben entsprechende Commitments abgegeben und unseren Abfall seit 2005 um 60 Prozent reduziert“, sagt Anke Stübing, verantwortlich für den Bereich Nachhaltigkeit bei Nestlé Deutschland. So habe man im Schokoladenwerk in Hamburg in diesem Jahr durch sogenannte Rework-Prozesse mehr als 30 t Lebensmittelverluste einsparen können. Dort werden Kit-Kats, die maschinell nicht verpackt werden können, dem Prozess neu zugeführt. „Sie verlassen das Band nicht und werden direkt in eine neue Station geleitet, um in der Füllung der sogenannten Praline des Riegels weiterverarbeitet zu werden“, führt Stübing aus.

Die Conditorei Coppenrath & Wiese investierte rund 150.000 Euro in den Bau einer Anlage zur Herstellung von Apfelmark aus den Schälresten. Für die Herstellung der tiefgekühlten Kuchen, Torten, Strudel und Desserts spielen Äpfel eine wichtige Rolle. Diese werden in der eigenen Apfelschälanlage verarbeitet. „Dabei hatten wir stets das Problem, dass bis zu 25 Prozent der verarbeiteten Äpfel – vor allem Schalen und kleine Stücke, die für die Weiterverarbeitung in Kuchen und Torten zu klein waren – nicht verwendet werden konnten“, erklärt Dorothee Reiering-Böggemann, Marketingleitung der Conditorei Coppenrath & Wiese. Mithilfe der neuen Anlage konnten die Schälreste auf im Schnitt 5 Prozent reduziert werden. Die Gewinnung des Apfelmarks, das für Füllungen benötigt wird, war so effektiv, dass nicht nur der jährliche Bedarf an Apfelmark von ca. 900 t vollständig abdeckt, wird, sondern Coppenrath & Wiese mit der Herstellung eigener Konfitüre begann.

Feintuning der Prozesse
Doch zurück zum Tagesgeschäft des Handels zur Reduzierung von Lebensmittelverlusten und Abschriften. Hier hat es sich bewährt, Waren, die den optischen Erwartungen der Verbraucher weniger entsprechen, qualitativ aber einwandfrei sind, für frisch zubereitete Convenience-Produkten zu verwenden – für Obstbecher oder die Salatbar etwa. Auch die Single-Banane hat ihre Liebhaber gefunden. Setzen andere Händler bei Produkten, deren MHD in Kürze abläuft, auf Resteecken, werden diese bei Tegut hingegen an der Stelle im Regal rabattiert (30 bis 50 Prozent), wo jeder Kunde sie sucht. „Wenn man beispielsweise am Abend Tortellini alla Panna kochen möchte, freut man sich, Sahne mit geringem MHD zu kaufen. Man würde aber nicht extra in der Resteecke schauen, ob es dort reduzierte Sahne gibt“, so die Erklärung von Gutberlet.

Wichtig ist jedoch die Vorstufe, von der optimierten Planung der Bestellmengen bis zur Warenpflege auf der Fläche, um einen Überbestand und somit abgelaufene MHD zu vermeiden. „Um eine dem Kundenbedarf gerechte Menge an Waren im Markt präsentieren zu können, nutzen wir weitgehend das Hilfsmittel der automatischen Disposition, die sogar wetterbezogene Nachfrageabhängigkeiten berücksichtigt“, sagt Gutberlet.

Die Rewe Group setzt neben modernen Warenwirtschaftssystemen, kurzen Transportwegen oder lückenloser Kühlung nach eigenen Angaben vor allem auf regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter. Diese prüfen nach marktindividuell festgelegten Intervallen täglich die Mindesthaltbarkeitsdaten der Produkte. „Mittlerweile verkaufen Rewe-Supermärkte und Penny-Filialen im Jahresdurchschnitt bis zu 99 Prozent ihrer Lebensmittel“, sagt Dirk Heim, Bereichsleiter Bio & Nachhaltigkeit der Rewe Group. Das Gros des verbleibenden Prozents sind Lebensmittel, die nicht mehr verkauft, aber bedenkenlos verzehrt werden können. Sie gehen an die Tafel-Initiativen.

Nachfrage besser abschätzen
Neben Investitionen in moderne Warenwirtschaftssysteme, effiziente Lagerstandorte und Logistikprozesse betont Edeka vor allem die Erfahrung der selbstständigen Kaufleute, die dabei helfen, die Nachfrage genau abzuschätzen, und durch fachgerechten Umgang mit den Produkten, Lebensmittelabfälle zu vermeiden. Einen Schritt weiter im Verbund ist die Edeka Südwest: Seit 2015 gibt es die Warenbörse, ein Online-Shop im Intranet der Regionalgesellschaft, über den die angeschlossenen Märkte der Regionalgesellschaft gezielt Artikel mit verkürztem MHD, Restanten, Sonderposten, Bestandsüberhänge und Kleinstmengen regionaler Lieferanten zu vergünstigten Bezugspreisen bestellen können.

Ihre Verantwortung sehen die Handelsunternehmen auch in der Aufklärung des Konsumenten, der laut Studien den größten Teil der Lebensmittelabfälle auf dem Gewissen hat. Tegut gibt in der eigenen Broschüre „Weniger Wegwerfen“, auf der Website und über die sozialen Medien Tipps für den Alltag, erklärt den Unterschied zwischen MHD und Verbrauchsdatum und rät, bei einem Produkt mit überschrittenem MHD auch den eignen Sinnen vertrauen. Die Edeka vermittelt diese Informationen über den eigenen Ernährungsservice sowie die Kundenzeitschrift „Mit Liebe“. Darin geben die Genossen Tipps zur Lagerung von Lebensmitteln, erläutern das MHD oder geben Anregungen für die Resteküche, heißt es aus Hamburg.