Food Waste Auf in den Kampf! - Food Waste Auf in den Kampf: Teil 2

Foodsharing-Boxen auf Supermarktparkplätzen, neue Verkaufsformate für abgelaufene Ware und krummes Gemüse, optimierte Einkaufs- und Produktionsverfahren: Engagement und Allianz gegen Lebensmittelverluste waren nie so groß. Und so nötig. An welchen Lösungen Lebensmittelhandel und -industrie arbeiten.

Donnerstag, 21. September 2017 -
Bettina Röttig
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So charmant und erfolgreich die neuen Konzepte sein mögen, die Hauptarbeit und -verantwortung im Kampf gegen Lebensmittelverluste liegt darin, die Wertschöpfung entlang der Lieferkette zu erhalten. Dabei liegt aktuell auch auf Seiten der großen Lebensmittelhändler ein Fokus auf der Vermarktung von Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern. Das Potenzial ist groß: 86 Prozent der von You-Gov befragten Verbraucher würden nicht genormtes Gemüse zum gleichen Preis kaufen. Sogar 95 Prozent würden bei ermäßigten Preisen (mindestens 20 Prozent) zugreifen.

Ganz neu gestartet ist Aldi Süd mit der Vermarktung der „Krummen Dinger“, Bio-Karotten und Äpfel der Klasse II. Mit dem Angebot will der Discounter ein Zeichen gegen Lebensmittelverschwendung in der Lieferkette setzen, erklärt Group Buying Director Philipp Skorning. Dabei handelt es sich nicht um eine Wochenaktion. „Wir werden die ,Krummen Dinger‘ anbieten, solange die Erzeugnisse Saison haben bzw. verfügbar sind“, sagt Skorning. „Die Fachhochschule Münster begleitet das Projekt und wird analysieren, was die Abnahme in der gesamten Lieferkette bewirkt.“ Vorrangiges Ziel dabei sei, die Ursachen für Lebensmittelverluste zu erkennen und weitere Reduktionspotenziale zu identifizieren.

Mehr Erfahrung mit den sogenannten Ugly Fruits hat die Rewe Group. Bereits seit April 2016 vermarktet Penny unter dem Namen „Naturgut Bio-Helden“ deutschlandweit Obst und Gemüse, das äußerlich nicht immer makellos ist. „Ein Jahr nach der Einführung erfreuen sich die Naturgut Bio-Helden großer Beliebtheit bei den Penny-Kunden“, sagt Dirk Heim, Bereichsleiter Bio und Nachhaltigkeit der Rewe Group. Die verkauften Mengen seien um beinahe 7,5 Prozent gestiegen, daher habe Penny die Anzahl der Bio-Helden-Produkte in diesem Jahr von 13 Artikeln auf aktuell 21 erhöht, inklusive regionaler und saisonaler Artikel.

Für Tegut ist es bei Bio-Obst und -Gemüse seit 30 Jahren selbstverständlich, es mit Schönheitsfehlern wie z. B. einem höheren Schorfanteil auf Äpfeln oder leichten Vernarbungen bei Tomaten, anzubieten. Ein besonderes Projekt stellt die Zusammenarbeit mit den Remlinger Rüben dar. Tegut bietet zum Beispiel acht verschiedene Sorten Kartoffeln des Erzeugers an, um auch kleine oder sehr große Knollen vermarkten zu können: Lose, mittlere Kartoffeln für den bedarfsgerechten Einkauf, verschiedene Kilo-Packungen nach Kocheigenschaften, sowie kleine Schwenkkartoffeln oder zu große Back-&-Grill-Kartoffeln.

Zu neuem Wert verhelfen
Großen Zuspruch findet die Idee des Food-Upcyclings, also der Verarbeitung von übrig gebliebenen Lebensmitteln zu neuen Produkten wie Brot-Bier oder Obst-Chutneys. 82 Prozent der Verbraucher würden solche Produkte kaufen. Ein Potenzial, das Handel und große Markenhersteller bisher nur bedingt nutzen. Vor allem Food-Start-ups wie die Brotretter von Knödelkult sorgen mit Konzepten für Aufsehen, die überschüssige Lebensmittel in Form neuer Produkte haltbar machen.

Tool gegen Food Waste

Das Portal www.lebensmittelabfall-vermeiden.de stellt Instrumente zur Reduzierung von Lebensmittelabfall zur Verfügung. Es richtet sich insbesondere an kleine und mittelständische Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft.

Die Rewe Group beobachtet den Trend aufmerksam. „Noch sehen wir keine Relevanz zur Vermarktung in der Breite. Aber grundsätzlich finden wir die Idee sehr interessant und sind bereit, innovative, nachhaltige Ideen zu unterstützen“, sagt Rewe-Nachhaltigkeits-Experte Dirk Heim.

Auch die Einkaufs-Experten von Tegut sind noch auf Beobachtungsposten. „Wichtig zu bedenken sind in dem Fall logistische Prozesse und gesetzliche Regelungen“, erklärt Tegut-Chef Thomas Gutberlet die Zurückhaltung. Ein Projekt gibt es jedoch bereits, auf das die Fuldaer stolz sind. „Wenn die Qualität eines Produktes auf dem Lieferweg stark beeinträchtigt, versucht man bei Tegut, eine Möglichkeit der sinnvollen Weiterverwendung zu finden. Ein Beispiel dafür ist unsere enge Zusammenarbeit mit dem Hersteller und Samenlieferanten der festen Rodelika-Möhren. Wir haben einen Safthersteller gefunden, der die Exemplare, die sich im Handel nicht verkaufen lassen, zu Saft verarbeitet“, sagt Gutberlet.