Food Waste The Good Food

Lebensmittelverluste möglichst schon beim Hersteller zu vermeiden ist das Ziel von The Good Food. Der Laden bietet krummes Obst und Gemüse sowie abgelaufene Lebensmittel.

Donnerstag, 21. September 2017 - Management
Bettina Röttig

„Woher habt ihr denn das teure Bier?“ Etwas ungläubig steht ein junger Mann im hinteren Verkaufsraum von „The Good Food“ in Köln-Ehrenfeld, eine Flasche kalifornisches Craftbeer in der Hand. Er wirkt, als hätte er einen Schatz gefunden zwischen dem Obst und Gemüse mit optischen Makeln, selbst befüllten Gläsern mit Teeblättern oder Senf und allerlei anderen Waren, die mit Schildern versehen sind, auf denen „MHD abgelaufen“ oder „Abgelaufen & Lecker“ zu lesen ist. Auch das US-amerikanische Bier trägt ein solches Schild. Entgegen der allgemeinen Laden-Regel „Bezahl, was du möchtest“, soll der junge Kunde für die Flasche jedoch einen Mindestpreis von 50 Cent bezahlen, plus 25 Cent Pfand. Dafür kann man auch mal fragen. „Das Bier haben wir von einem Zwischenhändler, im Moment ist es der Renner in unserem Angebot“, erzählt Nicole Klaski, Gründerin von The Good Food.

Die 33-Jährige hat einen Master of Human Rights, arbeitete nach dem Studium für eine Nichtregierungsorganisation in Nepal und hat seitdem eine andere Sicht auf den westlichen Wohlstand. „Fließendes Wasser, Strom und eine Fülle an Nahrungsmitteln sind für uns in Deutschland so selbstverständlich, dass wir sie im großen Stil verschwenden.“ Klaski will etwas verändern, Lebensmittel retten. Zunächst engagierte sie sich bei Foodsharing, dann kam ihr die Idee, dort anzusetzen, wo Die Tafel und andere Konzepte noch nicht aktiv sind: beim Produzenten selbst.

Mit einigen Mitstreitern begann sie, einmal pro Woche auf den Äckern eines Bioland-Bauern einzusammeln, was nach der Ernte liegengeblieben war, zu große Zucchini, zu kleine Kartoffeln, geschossener Fenchel. Das Gemüse bot sie zunächst an einem Marktstand vor einem Kölner Backpacker Hostel an, für einige Sommerwochen zog das Team in einen verfügbaren Laden. Seit Anfang Februar 2017 hat The Good Food eine feste Adresse. Der 30-qm-Laden in der Venloer Straße 414 wurde Klaski von einem Stammkunden zu günstiger Miete angeboten. Die Ladeneinrichtung, bestehend aus Kellerregalen und Apothekerschränken, wurde gespendet oder verliehen.

Das Start-up lebt vom Mitmach-Gedanken. „Die Unterstützung ist überwältigend: Eine Stammkundin macht ab und zu für uns Smoothies, um überreifes Obst zu verwerten, jemand hat uns schon einen Berg bedruckter Jutebeutel überlassen, eine Oma aus der Nachbarschaft bringt regelmäßig ihre leeren Marmeladengläser“, erzählt Klaski mit einem Lächeln. Alle der rund 30 Mitarbeiter sind ehrenamtlich für The Good Food tätig. Viele von ihnen waren vorher bereits Stammkunden und wollen sich selbst einbringen.

Mittlerweile kooperieren auch einige Lebensmittelproduzenten und Zwischenhändler mit den Lebensmittelrettern. So finden sich gerade glutenfreies Knäckebrot, Schokoriegel und Bio-Feinkost bekannter Marken neben Brot und Brötchen vom Vortag einer lokalen Bäckerei – und eben das Stout aus Kalifornien. Was dennoch zu unansehnlich wird, wird eingekocht, reife Bananen werden von der „Eisdielerin“ ein paar Türen weiter verarbeitet.

Wer meint, dass ohne Preisvorgaben nicht einmal die Miete reinkommen kann, muss sich eines Besseren belehren lassen. „Die Zahlungsbereitschaft ist sehr unterschiedlich“, gibt Klaski zu. Wer die Sache unterstützen möchte, der zahle mehr, aber es gebe natürlich auch die Schnäppchenjäger. „Unterm Strich gleicht es sich aus.“ Mittlerweile bleibt sogar so viel hängen, dass in Flyer und andere Marketingmaterialien investiert werden kann. „Mit unserem Steuerberater überlegen wir gerade, ob in absehbarer Zeit auch eine Teilzeitstelle entstehen kann“, agto Klaski, die sich über Mini-Jobs ihre Miete verdient.

Möglichst viele Lebensmittel will sie retten, daher sollen Angebot und Kooperationen ausgebaut werden. Mehr Hersteller und eventuell auch interessierte Einzelhändler möchte die Juristin als Partner gewinnen. Darüber hinaus gibt es Überlegungen zu einer bestellbaren Gemüsekiste und einem Catering-Service. Auch weitere Läden kann sie sich vorstellen. „Das Interesse ist sehr groß. Vielleicht schauen wir uns auf der anderen Rheinseite um.“