Chemisches Recycling Verölen statt Verbrennen

Das chemische Recycling ist eine Glaubensfrage. Die Gegner sagen, es sei ein klimaschädlicher Energiefresser. Die Befürworter sehen darin den Weg, die Kreisläufe für Kunststoffe endlich zu schließen.

Freitag, 10. März 2023 - Verpackung
Matthias Mahr
Artikelbild Verölen statt Verbrennen
Bildquelle: Südpack

Wenn von chemischem Recycling die Rede ist, dann gibt es nur schwarz oder weiß, dafür oder dagegen. Südpack ist für Lebensmittelproduzenten aller Warengruppen, in der FMCG-Industrie sowie bei Medizinanwendungen ein anerkannter Hersteller von Hochleistungsfolien. Das inhaber-geführte Unternehmen sieht in der nachhaltigen Unternehmensausrichtung schon immer einen echten Mehrwert.

Standort des Unternehmens ist Ochsenhausen an der Oberschwäbischen Barockstraße. Das klingt für viele Ohren konservativ. Ist es auch. Aber nur im besten Sinne: Die Unternehmerfamilie Remmele denkt schon immer nachhaltig, nämlich in Folgegenerationen. Und das schließt die Mitarbeiter und die heimische Region stets ein. Johannes Remmele sagt es so: „Als Unternehmer und auch als Familienvater ist es für mich wichtig, dass Südpack ein Zero-Waste-Unternehmen wird und die Kunden beim Schließen von Kreisläufen sowie bei der Reduzierung des Verbrauchs fossiler Rohstoffe unterstützt. Wir möchten den Generationenvertrag einlösen und unseren Nachkommen einen lebenswerten Planeten hinterlassen.“

Remmele denkt beim Thema Nachhaltigkeit technologieoffen. Gemeinsam mit Clean Cycle Investments hat der Verpackungshersteller vor annähernd einem Jahr in die Carboliq-Technolo-gie investiert, um die verfügbaren Kapazitäten des chemischen Recyclings weiter auszubauen und bisher nicht recyclingfähige Kunststoffe kreislauffähig machen zu können. Carboliq ist eine Unternehmenseinheit des Anlagenbauers Recenso aus Remscheid. Um es vorwegzunehmen: Südpack erachtet das chemische Recycling als wichtigen und unabdingbaren Baustein für eine zirkuläre Wirtschaft in der Kunststoffindustrie. Und zwar immer dann, wenn das mechanische Recycling trotz weitreichendem „Design for Circularity“ an seine Grenzen stößt.

„Trotz aller Nachhaltigkeitsbestrebungen wird es auch weiterhin Materialien geben, deren Aufbau aus unterschiedlichen Polymeren besteht. Denn diese Strukturen sind für viele Anwendungen auch künftig nicht verzichtbar – und zugleich die materialeffizienteste Art und Weise, die gewünschten Funktionalitäten einer Verpackung herzustellen“, betont Unternehmer Remmele. Als Beispiele nennt er Folien für die Herstellung von Reifepackungen, die hohe Barriere- und mechanische Eigenschaften aufweisen müssen, um einen entsprechenden Produktschutz zu gewährleisten. Diese Eigenschaften können seinen Aussagen folgend nach heutigem Stand der Technik nicht materialeffizient durch Monostrukturen erzielt werden. Deshalb werde unter anderem auch für diese Materialien eine geeignete Recyclingtechnologie benötigt, damit diese Fraktionen im Kreislauf geführt und nicht der thermischen Verwertung zugeführt werden müssten.

44

Prozent beträgt die Recyclingquote von Kunststoffverpackungen aus den dualen Systemen.

1,2

Millionen Tonnen Leichtverpackungen werden im Jahr in Deutschland gesammelt. 0,7 Millionen Tonnen davon werden verbrannt.

Quelle: BKV

Kunststofffolien sind Problemlöser
Heutige Kunststofffolien sind weitaus materialeffizienter als andere Werkstoffe. Im Zeitalter des Kunststoff-Bashings geht dieser Aspekt meist unter. Zudem zeichnen sich Kunststofffolien durch einen weitaus geringeren Fußabdruck und Umwelteintrag aus. „Zu Müll werden Folien nur dann, wenn es nicht gelingt, geeignete Systeme aufzubauen, mit denen diese Materialien im Kreislauf geführt werden können. Und genau hierfür ist das chemische Recycling als komplementäre Technologie ein essenzieller Baustein“, so Remmele.

Das Carboliq-Verfahren eignet sich für verunreinigte, gemischte oder andere Kunststoffe, aber ebenso für flexible Verpackungen und hochkomplexe Mehrschichtfolien aus mehreren Kunststoffarten. Im Vergleich zum mechanischen Recycling bietet das Verfahren nach Meinung des Carboliq-CEO, Christian Haupts, deutlich mehr Möglichkeiten zur Schließung des Materialkreislaufs als das mechanische Recycling, da es auf die Rückgewinnung der Wertstoffbauteile durch thermische Zersetzung abziele. Ein weiterer Vorteil sei: „Der Prozess findet bei einer niedrigeren Temperatur von unter 400 °C statt. So ist die Verkokung ausgeschlossen, und es bilden sich keine giftigen Pyrolysegase bei relativ geringem Energieeinsatz“, entkräftet Haupts die Argumentation der Gegner des chemischen Recyclings.

Damit könnte das Carboliq-Verfahren auch einen der größten Nachteile des mechanischen Recyclings ausräumen: Aktuell ist der Einsatz von Rezyklaten aus dem mechanischen Recycling in flexiblen Folien aus regulatorischen Gründen für Lebensmittel nur bedingt möglich. Nur aus Rohstoffen in Primärqualität dürfen derzeit flexible Folien für Lebensmittelverpackungen hergestellt werden. Das chemische Recycling könnte ein Beitrag zur Schließung der Verpackungskreisläufe werden.