Kreislaufwirtschaft Mehrweg-Mutation aus Hessen

Vorweg: Eine Revolution ist das Mehrwegsystem des hessischen Start-ups Circolution nicht. Den Ritterschlag für das ausgeklügelte System hat es dennoch schon gegeben, weil Nestlé an Bord ist.

Dienstag, 21. Februar 2023 - Verpackung
Matthias Mahr
Artikelbild Mehrweg-Mutation aus Hessen
Bildquelle: Nestlé Deutschland AG

Umstürze haben es in sich, weil sie das Geschehen meist sehr maßgeblich und radikal verändern. Vier junge Gründer aus Frankfurt am Main haben jetzt angekündigt, für eine „Mehrweg-Revolution im Supermarktregal“ sorgen zu wollen. Die Ansage von Maximilian Bannasch, Kirils Jegorovs, Alessandro Marchiaro und Jan Störkel ist weitreichend, aber sicher nicht leicht umzusetzen: Gemeinsam wollen sie aktiv gegen die Vermüllung des Planeten ankämpfen. In Zusammenarbeit haben die vier Gründer ein neues, nachhaltig skalierbares Pool-Mehrwegsystem für alle Lebensmittelsegmente geschaffen, um Einwegverpackungen zu reduzieren und den Weg in eine Welt ohne Verpackungsmüll zu beschleunigen.

Ihr Mehrwegsystem funktioniert nach Angaben von Maximilian Bannasch ähnlich wie die Infrastruktur des bekannten Pfandsystems für Getränke. Um ihre Ziele zu erreichen, entwickelten sie modulare Mehrwegbehälter aus Edelstahl und bildeten Partnerschaften mit Unternehmen aus der Verpackungswertschöpfungskette bis hin zu Tomra Systems, dem skandinavischen Rücknahmeautomaten-Hersteller. Circolution wurde 2021 als Ausgründung der Frankfurt University of Applied Sciences mit dem „Hessen Ideen Stipendium“ ausgezeichnet. Das war ein erster Erfolg, jetzt muss sich das Konzept in der Pilotphase beweisen, um anschließend bundesweit ausgerollt werden zu können.

Pilotphase beginnt im Raum Frankfurt
Nestlé ist von Beginn an dabei und hat die unterschiedlichsten Aspekte wie das Geschäftsmodell oder die Ökobilanzierung auf Herz und Nieren geprüft. Mit seiner großen Erfahrung in globalen Mehrwegpiloten hat Nestlé das Circolution-Team bei der Verpackungsentwicklung sowie der Produktion der Verpackungslösung unterstützt. Das Nestlé Produkt- und Technologiezentrum für Milch in Konolfingen in der Schweiz hat die Edelstahlbehälter mit den Frankfurter Gründern zusammen entwickelt. Dabei war Nestlé für den Produktschutz, die Labortests und die Vorbereitung der Produktion verantwortlich.
Bernd Büsing, Leitung Verpackung bei Nestlé Deutschland, glaubt an das ausgefeilte System und wirbt dafür, dass sich weitere Markenhersteller dem offenen System anschließen. Dass Nesquik als erste Marke für die Pilotierung gewonnen werden konnte, darf die junge Mannschaft um Maximilian Bannasch als Ritterschlag betrachten, unterstreicht die Teilnahme des Lebensmittelriesen doch auch, wie sehr das Thema Nachhaltigkeit bei Verpackungen bei den Markenherstellern priorisiert ist. Jetzt läuft die Testphase bei Händlern im Rhein-Main-Gebiet an. Rewe scheint hierfür der Handelspartner zu sein. Die große Frage lautet: Wie nehmen die Verbraucher das neue Angebot an?

Kreislauf wie bei Pfandflaschen
„Unser System setzt auf Standardisierung und ist offen für alle Lebensmittelproduzenten. Das ist sehr wichtig, sonst macht Mehrweg keinen Sinn“, sagt Maximilian Bannasch.

Das Businessmodell dahinter: Circolution vermietet die Mehrwegbehälter gegen eine Gebühr an die Lebensmittelhersteller, kümmert sich um Reinigung, Inspektion und Transport und stellt Daten für die Bemessung der ökologischen Auswirkungen zur Verfügung. Offen für neue Formen und Größen arbeite Circolution an vielen Verpackungsmodulen, um Mehrwegalternativen da anzubieten, wo es sinnvoll sei. Kein Unternehmen könne diesen massiven Wandel allein bewältigen. „Deshalb haben wir eine Partnerkoalition mit technischen Unternehmen wie dem Verpackungsmaschinenhersteller Optima aufgebaut, die für die Umstellung auf Mehrweg nötig sind“, betont Bannasch.

„Anita in Steel“ heißt die erste Verpackungslösung, die sich mit gasdichter Versiegelung von Amcor für Lebensmittel mit langer Haltbarkeit bestens eigne. Dank großflächiger Etiketten können sich Marken nach Angaben des Gründers gut differenzieren, während die Konsumenten über das neue Mehrwegsystem informiert werden. Die Abläufe im Handel gleichen jenen für Pfandflaschen. Konsumenten kaufen ein Kaffee- oder Kakaoprodukt in der neuen Mehrwegverpackung, zahlen an der Kasse Pfand (2,50 Euro) und geben den Behälter sowie den Deckel am Leergutautomaten im teilnehmenden Supermarkt ab und erhalten ihr Pfand zurück. Lediglich eine Alufolie muss im Gelben Sack entsorgt werden. Nach der Rückgabe werden die Behälter automatisiert gereinigt, kontrolliert und für einen neuen Lebenszyklus ausgeliefert.