Deutschland und sein Lebensmitteleinzelhandel gehen anscheinend noch kartoffeligeren Zeiten entgegen. Das belegen Zahlen und Neuheiten von Herstellerseite.
Nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung erhöhte sich der Pro-Kopf-Verbrauch von Kartoffelerzeugnissen merklich. 2021/22 lag der noch bei 35,8 Kilogramm. Ein Jahr später waren es 37,9 Kilogramm. Gleichzeitig vergrößerte sich die Kartoffelanbaufläche 2022 auf 266.400 Hektar und übertraf somit die Anbaufläche des Vorjahres um 8.100 Hektar. Im Vergleich zu 2017 nahm die Anbaufläche um 15.900 Hektar zu. Das bedeutet: Der Kartoffel-Bedarf wächst hierzulande.
Mehr Geld verdienen lässt sich mit den sogenannten Erdäpfeln ebenfalls: Laut Statistischem Bundesamt kletterte der Umsatz der Kartoffelverarbeiter zwischen Dezember 2022 und Dezember 2023 von 252,0 auf 271,7 Millionen Euro. Allerdings spielen dort Preiserhöhungen mit hinein.
Dass Kartoffelprodukte populärer werden, bestätigen auch die im Nutrition Hub zusammengeschlossenen Ernährungsexperten. In ihrem Bericht „Convenience Food & Essen to go – Expert Insights 2024“ verknüpfen sie diese Erkenntnis mit neuem Wissen rund um das Thema Darmgesundheit. Ballaststoffe stehen hoch im Kurs, wissen die Fachleute. Und Kartoffeln gelten als gute Quelle für lösliche und unlösliche Ballaststoffe. Eine durchschnittliche gekochte Kartoffel (90 Gramm) liefert zwei bis drei Gramm Ballaststoffe. Bei Männern sollten es täglich 38, bei Frauen 25 Gramm Ballaststoffe sein.
Mit dem Gesundheitsaspekt alleine kann sich Michael Greve die steigende Nachfrage nach Kartoffelprodukten jedoch nicht erklären. Auch der Marketingleiter LEH und Key Account Manager LEH der Emsland Group als Mutter der Mecklenburger Kartoffelveredlung beobachtet sie. Bei Convenience-Angeboten im Allgemeinen hat sich einiges getan, und Kartoffelprodukte fügen sich dort ein. Früher – so erklären es zum Beispiel die Ernährungsexperten aus dem Nutrition Hub – sollten Convenience-Produkte schnell sättigen; Abstriche beim Geschmack nahmen die Esser in Kauf. Heute müssen Gesundheit, Nachhaltigkeit und Genuss überzeugen. Der Nutrition-Hub-Bericht: „Die Kriterien der Sättigung und Versorgung mit Kalorien treten bei den Verbrauchern mehr und mehr zugunsten einer ausgewogenen Rundumversorgung mit allen Nährstoffen in den Hintergrund.“ Ebenfalls absatzfördernd: Schnelle und unkomplizierte Lösungen für den Essalltag haben mittlerweile ein wesentlich besseres Image.
„Kartoffeltrockenprodukte wie etwa Kartoffelpüree waren vom Handel nahezu abgeschrieben“, stimmt Michael Greve im LP-Gespräch zu. Doch: „Seit ungefähr drei Jahren performen sie wieder gut.“ Die Industrie wiederum habe das Segment in der jüngeren Vergangenheit „eher vernachlässigt“, so Greve. Diese negative Wechselwirkung ist anscheinend aufgehoben. Entsprechend motiviert will die Mecklenburger Kartoffelveredlung ihre neue Marke „Echt vom Feld“ nun im bundesweiten Lebensmitteleinzelhandel platzieren.
„Echt vom Feld“ mit zwölf Produkten
Weil viele Verbraucher Regionalität und Transparenz wertschätzen, sieht sich die Mecklenburger Kartoffelveredlung für ihren Sprung von der regionalen auf die nationale Ebene bestens aufgestellt. Schließlich sei das Unternehmen im Eigentum der Bauern und Rohstofflieferanten in Personalunion: „Die Landwirte liefern also ihre Kartoffeln in ihr eigenes Unternehmen.“ Aktuell sind unter dem Markendach „Echt vom Feld“ zwölf Produkte zu Hause. Darunter: vier Püree-Produkte, die typisch norddeutsche Stampfkartoffel, zwei Kloßteige, drei verschiedene Klöße im Kochbeutel, der Semmelknödel und zwei Bratkartoffelvariationen.
Große Stücke auf die „tolle Knolle“ setzt ebenfalls die Kartoffelmanufaktur Pahmeyer (siehe Interview). Sie hat im März zwei Zugänge aus der mediterranen Küche präsentiert. Zum einen handelt es sich hier um gewürzte, vorgebackene Kartoffelwürfel mit Aioli-Dip. „Die Patatas Bravas sollen als spanischer Tapas-Klassiker ein authentisches Geschmackserlebnis bieten“, sagt Geschäftsführerin Marion Pahmeyer. Zum anderen wird das Sortiment durch einen gebackenen Kartoffelauflauf mit Tomaten und Paprika ergänzt. Gratiniert ist er mit Hirtenkäse.
Auch Homann vermeldet Neues in Sachen Kartoffeln. Der Marktführer bei Kartoffel- und Nudelsalaten führt ab April den Kartoffelsalat Zaziki ein. Bis Ende Juni 2024 soll ein reichweitenstarkes On-pack-Gewinnspiel das Sortiment der 400-Gramm-Beilagensalate unterstützen. Und die McCain-Tochter Lutosa macht auf ihr Crispy-Flavoured-Sortiment aufmerksam, das auf der Anuga im Oktober erstmals präsentiert wurde. Dahinter stecken Kartoffelprodukte, die mit einem gewürzten Coating überzogen sind.
Fest steht: Im Kartoffelland Deutschland, in dem rund 200 verschiedene Sorten verarbeitet werden können, haben neue Kartoffelprodukte grundsätzlich eine echte Chance – und zurzeit besonders. Innerhalb des Convenience-Marktes sind sie ein Geschäftetreiber.
Hartes Ringen um Wiederkaufsrate
Letzteres lässt sich jedoch auch von anderen Produkten sagen. Erst recht, wenn sie die Bedürfnisse von Nicht-Fleischessern erfüllen. Das bestätigt Vertriebsgeschäftsleiter Christian Werner von der Firma Tante Fanny Frischteig gegenüber LP. „Die veganen Sortimente“, sagt er, „stehen seit einigen Jahren im Fokus des Handels und können nicht mehr ignoriert werden.“ Inzwischen ist rund zwei Drittel des Frischteigsortimentes von Tante Fanny vegan. Zunehmend sei zwar die Markenkonzentration spürbar. Den Kampf um die Konsumenten nennt Werner „hart“ und das Ringen um die Wiederkaufsrate nach der anfänglichen Neugierde der Erstshopper eine „große Herausforderung“. Aber nach den Beobachtungen des Vertriebsgeschäftsleiters hat die „Preisreduktion der Fleischersatzprodukte auf das Niveau von frischem Fleisch“ einen „weiteren Boom im Absatz“ gebracht und das Ansehen dieser Kategorie eindeutig aufpoliert.
In diesem Jahr will Tante Fanny für einige Aha-Effekte im Lebensmitteleinzelhandel sorgen. Zum Beispiel sollen im April die 100 % Dinkel Flammkuchenböden gelistet werden und im Juli der 100 % Dinkel Quiche- & Tarteteig folgen. Ab September startet die Kommunikationskampagne zum 25. Geburtstag des Unternehmens. Und im Oktober kommt der Blätterteig Klassik, ein Produkt der ersten Stunde, mit einer verbesserten Rezeptur in die Regale.
Von dem Kundenwunsch nach fleischloser Kost kann ebenso Finn Naujoks, Marketingleiter der Bohlsener Mühle, ein Lied singen. Nach seiner Auffassung trifft plant based Food in mehrfacher Hinsicht den Nerv der Zeit. Schließlich sei sie „fester Bestandteil einer gesunden und genussreichen Ernährung sowie eines umweltbewussten Lebensstils“.
Orientierung „Für Dich klimatransparent“
Sein Unternehmen hat speziell mit Blick auf die Grillsaison eine pflanzenbasierte Convenience-Linie in hundertprozentiger Bio-Qualität entwickelt. Diese besteht aus sieben Schnellgerichten. Darunter sind drei würzige Couscous-Salate in den Geschmacksrichtungen Taboulé, Orient und Linsen. Sie sollen mit den vier BBQ-Bratlingen aus Favabohnen, Erbsen, Linsen oder Kichererbsen harmonieren. Zu jedem Produkt werden laut Naujoks die CO2-Emissionen ermittelt, die in der gesamten Lieferkette vom Feld bis zum Produkt entstehen. Mit dem Verpackungshinweis „Für Dich klimatransparent“ sollen diese Informationen den Kunden online als Orientierungshilfe dienen – zusammen mit dem Planet-Score.
Doch so beliebt pflanzenbasierte, vegetarische und vegane Ernährung geworden ist – die Zahl der Fleischesser bleibt hoch. Ihre Ansprüche und Bedürfnisse sollten sich im Convenience-Markt widerspiegeln. Und das tun sie auch. Frostkrone zum Beispiel verfrachtet Burger Balls ins Tiefkühlregal. Sie gibt es in den fünf Sorten Cheese Burger, Bacon Burger, BBQ Burger, Fish Burger und Chicken Burger. „Unsere Burger Balls bieten den vollen Geschmack des Originals in einer neuen Fingerfood-Variante.“ Das erklärt Emiel Lommen, Global Commercial Director der Frostkrone Food Group, auf LP-Anfrage.
Und bei Settele zeigt sich Vertriebsleiter Walter Bauer „sehr zufrieden“ mit der Absatzentwicklung der veganen Produktlinie aus Spätzle, Maultaschen, Schupfnudeln, Gnocchi und Suppeneinlagen. Trotzdem will sein Unternehmen nicht nur auf dem einen Bein stehen. Deshalb sind die Wirtshaus-Maultaschen „Rind“ mit „echtem“ Fleisch gefüllt. Ganz im Sinne des Convenience-Themas, das auch für große Vielfalt und Entscheidungsfreiheit der Verbraucher steht.