Auf den ersten Blick sieht er nicht gerade so aus wie jemand, der den Planeten oder zumindest doch die Natur in seiner südenglischen Heimat Somerset retten will: Richard Clothier, 53 Jahre alt und Managing Direktor von Wyke Farms. Wenn Clothier an schönen Sommertagen in seinem Land Rover auf die grünen Felder und Wiesen rund um seinen Betrieb fährt, merkt man sofort: Dieser Mann ist stolz auf das, was er und seine Familie sowie die Mitarbeiter geschaffen haben.
Wyke Farms ist nämlich keine gewöhnliche Molkerei. „Wir sind, soweit ich weiß, die einzige Molkerei Großbritanniens und Europas, die ihre Herstellung komplett auf Nachhaltigkeit und grüne Energie umgestellt hat.“ Der gesamte Strom und das gesamte Gas stammen aus Solar- und Biogas-Anlagen. 7 Millionen Kubikmeter Gas werden aufbereitet und in das Netz eingespeist. Das bedeutet: Wyke Farms spart pro Jahr bis zu 15 Millionen Kilogramm CO2 ein. Zwei Blockheizkraftwerke werden mit Biogas betrieben und erzeugen über 8 Millionen Kilowattstunden Strom – was wiederum mehr als 5 Millionen Kilogramm CO2 einspart. Selbstredend, dass auch Abfälle und Verpackungen minimiert werden und die bei der Produktion entstehende Wärme zurückgewonnen wird. „Unterm Strich streben wir einen Netto-Positiv-Effekt an“, so Clothier zur Lebensmittel Praxis, als wir ihn und seine grüne Molkerei in Somerset besuchen. Von Greenwashing ist hier keine Spur.
So viel Rücksicht auf Natur und Umwelt in einem Milch verarbeitenden Betrieb – das sorgt mittlerweile auch außerhalb Großbritanniens für Aufmerksamkeit. Food-Exporteure und der ausländische LEH zeigen zusehends Interesse an den Cheddar-Spezialitäten von Wyke Farms. „Deutschland ist ein sehr wichtiger Exportmarkt für uns geworden“, berichtet CEO Richard Clothier. „Die deutschen Verbraucher schätzen hochwertige Molkereiprodukte, Deutschland ist ein wohlhabendes Land und liegt noch dazu quasi vor unserer Haustür.“ Seit etwas mehr als zwei Jahren finden sich daher auch in deutschen Kühltresen die Käsespezialitäten der Wyke Farms, allen voran die Premium-Traditionsmarke „Cheddar London 1856“. Die reift je nach Variante zwischen 10 und 18 Monate. Das Produkt ist inzwischen so erfolgreich und beliebt, dass weitere Varianten, darunter mit grünem Pfeffer und mit Chili und Jalapeño veredelte Sorten, im Handel sind – „alle mit einem Wachsmantel umhüllt“, wie Clothier sagt.
Apropos Wachsmantel: Besonders bei deutschen Verbrauchern sind diese optisch attraktiven Käsespezialitäten beliebt, wie sich Clothier freut. Aktuell sind der Cheddar London 1856 als 200-Gramm-Block und die drei Wyke-Spezialitäten in Wachs – Vintage Reserve Cheddar, Chilli Cheddar sowie Black Pepper Cheddar – jeweils in 100-Gramm-Packungen bei Kaufland und in verschiedenen Edeka-Regionen im deutschen LEH gelistet. Wyke Farms exportiert heute in 160 Märkte weltweit, und die Exportverkäufe machen inzwischen rund 40 Prozent des Gesamtumsatzes aus.
Es beginnt mit der Milchkuh
Ein Besuch der Wyke Farms rund zweieinhalb Zugstunden von London entfernt zeigt schnell, warum das Unternehmen in vielerlei Hinsicht besonders ist. Das beginnt bereits bei der Auswahl der Milchkühe. Mit dem „Net Positive Farming Pillar“-Programm fördert Wyke Farms nachhaltige Milchviehhaltung in Schlüsselbereichen wie Futtermittel, Boden und Land sowie Wirtschaftsdünger und Energiemanagement. Bemerkenswert: In Zusammenarbeit mit den Landwirten kofinanziert Wyke Farms Energieerhebungen und Verbesserungspläne. Im Jahr 2021 wurden zum Beispiel 35 Zulieferbetriebe befragt, um den Kohlenstoff-Fußabdruck der Milchproduktion zu ermitteln. Ergebnis: Die befragten Unternehmen lagen rund 20 Prozent unter dem britischen Durchschnitt.
Stichwort Methan. „Nicht alle Rassen produzieren dieselbe Menge an Methan“, so Firmenchef Clothier. „Vieles hängt von den Genen ab, und wir ermuntern die Bauern, die mit uns zusammenarbeiten, solche Rassen zu bevorzugen, die bis zu 30 Prozent weniger Methan produzieren als andere.“ Im internationalen Vergleich der Methan-Bilanz schneiden die für Wyke Farms Milch produzierenden Kühe bis zu 2,5-mal günstiger ab, erklärt er.
Um möglichst schonend mit der kostbaren Ressource Wasser umzugehen, wird Regenwasser gesammelt und das in der Molkerei verwendete Wasser in die eigene Wasseraufbereitung geleitet. Mehr als 90 Prozent des Wassers wird somit wiedergewonnen. Last, but not least: Anstelle von Kunstdünger werden die Reststoffe aus der anaeroben Gärung als wertvoller weil nährstoffreicher Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt. Befragt, warum er sich so stark für Nachhaltigkeit einsetzt, antwortet Clothier mit einem Schmunzeln: „Weil ich möchte, dass die Konsumenten auch weiterhin Cheddar genießen können, ohne dabei ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.“