Getränke Sprint oder Marathon?

Wenn ein tradiertes Unternehmen, ein Start-up-Star und ein Discounter in die gleiche Getränkekategorie investieren, dann kann man mit Sicherheit sagen: Ein neuer Hype steht vor der Tür. Dabei droht der Fiskus bereits, dem Siegeszug von Hard Seltzer einen Dämpfer zu verpassen (Anka Metzner, Bimmerle/Buzz, Dominik Wojcik, Zelos Genuss GmbH/Fox).

Freitag, 06. November 2020 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Sprint oder Marathon?
Bildquelle: Bimmerle, Fox

Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: Hard Seltzer (frei übersetzt: „hartes Selters“) ist eine Getränkekategorie, die sich in den USA über viele Jahre zu einem Milliarden-Markt entwickelt hat. Das Getränk setzt sich aus kohlensäurehaltigem Mineralwasser und Alkohol zusammen und wird in der Regel in einem echten Brauprozess hergestellt: Aus Wasser und Malz oder Rohrzucker wird unter Verwendung von Hefe Alkohol gewonnen. Der relativ geringe Kaloriengehalt macht es möglich, das Getränk (in der Regel mit um die fünf Volumenprozent Alkohol) als Wellness-Produkt zu verkaufen.

Welche Größe hat der Markt? Eine Aussage zum deutschen Markt zu treffen ist kaum möglich, da die Kategorie Hard Seltzer hier noch viel zu jung ist. Der Markt in den USA hingegeben hat in den vergangenen Jahren enorm an Potenzial gewonnen. 2019 konnten 2,1 Milliarden Dosen Hard Seltzer abgesetzt werden. Die drei vorherigen Jahre war ein stetiges dreistelliges Prozentwachstum zu verzeichnen. „Diese Potenziale erhoffen wir uns natürlich auch für den deutschen Markt, wobei man bei realistischer Betrachtung, aufgrund der aktuellen Situation und der hiesigen Bevölkerung vorerst von einem geringeren Volumen ausgehen muss“, erklärt Anka Metzner, Head of Marketing beim Schwarzwälder Spirituosenhersteller Bimmerle, der mit der Marke Buzz früh eingestiegen ist.

Wer sind die wichtigen Akteure? Als Pionier bei der Erfindung der Kategorie gilt die Coors Brewing Company in Colorado. Hier hat man schon seit den 1990er-Jahren mit alkoholhaltigem Wasser experimentiert. Die aktuell erfolgreichste Marke ist White Claw. Das amerikanische Unternehmen hat für 2019 einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden US-Dollar ausgewiesen. In Deutschland sorgten vor allem die Listungen bei Rewe (Eigenmarke, hergestellt von Peter Mertes), Globus (Holy Hard Seltzer) und Lidl (Eigenmarke Sunrise) für Aufsehen. Impulse für den hiesigen Hard-Seltzer-Markt können vor allem von tradierten Herstellern wie Bimmerle (Buzz) und Start-ups wie Fox, vom ehemaligen Rocket-Internet-Manager Dominik Wojcik, erwartet werden.

Wie wird es derzeit vermarktet? Viele Hersteller gehen den Weg der sogenannten „Bottom-up-Strategie“. Das heißt, über Social Media, Szenegastronomie und Mundpropaganda soll so viel Begehrlichkeit beim Handel geweckt werden, dass dieser das Produkt unbedingt listen will. Diesen Weg verfolgt auch Dominik Wojcik, der in der Gründerszene für seine Arbeit bei Rocket Internet/Zalando bekannt ist, mit seiner neuen Marke Fox: „Wir verkaufen einen großen Anteil online“, so der Gründer gegenüber der Lebensmittel Praxis. „Darüber hinaus sind für uns die Spätis und Bars interessant. Letztere besonders, weil wir unser Hard Seltzer auch im Fass produzieren und verkaufen. Aus dem Zapfhahn ist das noch einmal ein ganz anderes Erlebnis, das die Qualität und das Besondere des Getränks hervorhebt“, so der Manager. Auch mit dem LEH sei man im Gespräch, allerdings stehe der qualitative Aufbau der Marke vor jeglichem Volumeninteresse. „In der Kategorie wird nicht derjenige Sieger sein, der schnell läuft, sondern der, der den Marathon gewinnt“, glaubt Wojcik. Dass auch der LEH am Hard-Seltzer-Hype partizipieren sollte, findet Anka Metzner von Buzz: „Um eine allgemeine Distribution und Verfügbarkeit zu schaffen, ist eine Platzierung im Lebensmittel-Einzelhandel für uns essenziell.“ Bimmerle konnte für seine Neuheit schon Listungen bei diversen EdekaRegionen erzielen. Zusätzlich lief bereits eine deutschlandweite Aktion in den großen Märkten der Drogeriekette Müller.

Wie ist die rechtliche Bewertung? Ob die Kategorie eine ähnliche Entwicklung wie in den USA hinlegt, hängt auch von den deutschen Zollbehörden ab. Der aktuelle Stand: „Die Zollverwaltung beobachtet den Hard-Seltzer-Markt aufmerksam und wird eine bestehende Alkohol- und Alkopopsteuerpflicht entsprechend vollziehen“, heißt es bei der Generalzolldirektion Bonn. Die Beamten sind der Meinung, dass Hard Seltzer genauso besteuert werden muss wie die Alkopops. Das käme einer Vervierfachung der Steuerlast gleich. Damit wäre die Euphorie über eine neue, innovative Getränkekategorie wahrscheinlich schnell wieder Geschichte. Im Gegensatz zu Alkopops, die in der Regel reine Mischgetränke sind, enthält Hard Seltzer übrigens keinen Destillationsalkohol wie Rum oder Wodka, sondern Gärungsalkohol aus fermentiertem Zucker.

Wie wird Seltzer positioniert? Die Gattung Hard Seltzer wird als neue Kategorie neben Bier, Wein und Spirituosen platziert. Hard Seltzer soll den wachsenden Drang zu bewusster Ernährung mit Genusscharakter bedienen. Attribute wie Zuckerreduktion, Low Carb, vegan und glutenfrei verbinden eine bewusst entwickelte Generation und Hard Seltzer. Auch die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit wird bei Hard Seltzer nicht außer Acht gelassen. „Hard Seltzer haben das Potenzial, neben Feierabendbier und Gin Tonic aus der Dose zu bestehen – dies können wir nach ausgiebigen Verkostungen mit Konsumenten sagen“, erklärt Metzner von Bimmerle zu den Erfolgsaussichten.

Neuer Dosenboom? Auffallend ist, dass alle relevanten Hard-Seltzer-Anbieter auf die Dose setzen. Die Dose wächst derzeit insbesondere im Discount wieder stark. Trotz des Einwegpfands. Dennoch passt das Gebinde nicht zum Zeitgeist. Wojcik, der neben Fässern zum Zapfen und in begrenzter Anzahl auch mit Glas experimentieren will, erklärt die Vorteile der Dose: „Bei längeren Transportwegen sehen wir eine bessere Ökobilanz. Sowohl Voll- als auch Leergut sind einfacher zu transportieren und das Produkt ist besser geschützt.“ Die Dose sei nicht wirklich „Einweg“, ergänzt Metzner. „Die Dose ist eine der wenigen Verpackungen im deutschen Handel, die auf einem fast zu 100 Prozent wiederverwertbaren Material basiert. 98 Prozent der Dosen in Deutschland werden im Pfandautomaten abgegeben.“

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