Drogerieartikel Mit Beispiel voran

Hersteller von Beauty- und Reinigungsprodukten arbeiten mit Projektpartnern daran, Transparenz und soziale Verbesserungen am Anfang der Lieferkette durchzusetzen. Um welche Herausforderungen es geht.

Freitag, 25. September 2020 - Drogerieartikel
Bettina Röttig
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Bildquelle: Getty Images

Die großen Markenhersteller im Drogeriebereich haben sich schon vor Jahren dazu verpflichtet, Sozialstandards entlang ihrer Lieferketten zu etablieren und zu kontrollieren. In Projekten arbeiten sie an verschiedenen „Hot Spots“. Doch ob jedes Engagement auch im Rahmen eines Lieferkettengesetzes honoriert werden würde, darüber herrscht Unsicherheit.

„Im Rahmen der Risikoanalyse haben wir zum Beispiel menschenrechtliche Risiken in unserer Lieferkette für Rohstoffe auf der Basis von Palm- und Palmkernöl identifiziert“, gibt Henkel-Nachhaltigkeitsexperte Uwe Bergmann ein Beispiel. Palmöl wird aufgrund seiner vielfältigen positiven Eigenschaften in zahlreichen Produkten eingesetzt. In der Kritik steht der Rohstoff, weil der Anbau zur Rodung tropischer Wälder beiträgt und Menschen zum Teil die Lebensgrundlage und die Rechte auf ihr Land entzogen werden. Für einen nachhaltigen Palmöl-Anbau setzen sich die Mitglieder des „Roundtable on Sustainable Palm Oil“ (RSPO) ein - darunter auch Hersteller für Kosmetik und Reinigungsmittel.

Um die Risiken für Henkel zu mindern, hat sich der Konzern laut Bergmann drei Ziele gesetzt: Das gesamte in Henkel-Produkten verwendete Palm- und Palmkernöl soll bis Ende 2020 aus nachhaltiger Bewirtschaftung entsprechend dem RSPO-Massenbilanzmodell stammen. Zusätzlich strebt Henkel an, dass die vom Unternehmen bezogenen Palmöle, Palmkernöle und Derivate zu bekannten Quellen – zunächst bis zur Ölmühle und dann bis zur Plantage – zurückverfolgt werden können. Aufgrund der Länge und Komplexität der Wertschöpfungsketten laut Bergmann ein extrem mühsames Unterfangen.

Unterstützung von Kleinbauern
Um mehr greifbare Fortschritte zu erzielen, engagiert sich Henkel gemeinsam mit der Entwicklungsorganisation Solidaridad in Projekten. Diese ermöglichen es Kleinbauern, ihre Ernten als nachhaltig zertifizieren zu lassen, ihre Produktivität zu steigern und ihre Existenzgrundlage zu verbessern. Mit diesen Projekten fördere Henkel jährlich mehr nachhaltiges Palm- und Palmkernöl, als in den eigenen Produkten als Rohstoff eingesetzt wird. Bisher seien rund 30.000 Kleinbauern erreicht worden, die rund 300.000 Hektar Anbaufläche bewirtschafteten.

Ob dieses Engagement den Anforderungen einer „Sorgfaltspflicht“ genügt, ist allerdings nicht sicher. „So haben wir von Menschenrechtsexperten die Einschätzung bekommen, dass Zertifizierungssysteme „unterstützend“ sein könnten, Unternehmen aber nicht von ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht entbinden“, erklärt Bergmann. Das gelte umso mehr für die eigenen Kleinbauernprojekte, die nicht notwendigerweise Teil der Henkel-Lieferkette sind.
Daher meint der Manager: „Der reine Blick auf die Vermeidung von Risiken in unseren Liefer- und Wertschöpfungsketten wird nicht ausreichen, um die Lebensbedingungen vor Ort in der Breite zu verbessern und kann sogar dazu führen, dass sich Unternehmen mit ihrem Engagement zurückziehen.“ Bergmann hält es für wichtiger, konkrete Herausforderungen, wie die Arbeitsbedingungen der Kleinbauern in den Fokus zu stellen, dafür passende Lösungen zu finden und Unterstützer zu mobilisieren.

Mica: Kampf Gegen Kinderarbeit
Ein Hot Spot für die Kosmetikindustrie ist der Rohstoff Mica. Mica ist ein zentraler Bestandteil aller Produkte, die einen Schimmereffekt mitbringen. Der größte Abnehmer ist die Farbindustrie. Als Inhaltsstoff für Kosmetik, die direkt auf die Haut aufgetragen wird, sei Mica jedoch „emotionaler aufgeladen und stärker im Fokus“, erklärt Maximilian Peters, Senior Manager Corporate Responsibility bei Cosnova.

Mica aus nordindischen Minen weist die besten Eigenschaften auf, es glitzert am schönsten und lässt sich gut verarbeiten. „In diesem Gebiet haben wir das Problem, dass für diese schwere Arbeit leider Menschen aus den untersten Kasten eingesetzt werden, die ihren kompletten Lebensunterhalt dort verdienen müssen und nicht selten auch ihre gesamte Familie mitbringen. Die Gefahr, dass auch Kinder in den Minen mithelfen, ist relativ hoch – vor allem wenn es sich um inoffizielle Minen handelt“, führt der Nachhaltigkeitsexperte aus.

Das Problem ist schon länger bekannt. In der RMI, der Responsible Mica Initiative, haben sich die großen Konzerne der Beauty- und Lackindustrie sowie Zwischenhändler zusammengeschlossen, um diesem Problem Herr zu werden und vor Ort Ausbildungs- und Lobbyinitiativen auf den Weg zu bringen.
„Heute können wir durch die RMI 99 Prozent unserer Mica-Lieferkette abdecken. Das bedeutet, dass nahezu das komplette von uns bezogene Mica aus offiziellen und kontrollierten Minen stammt; wir also bestmöglich versuchen, Sozialstandards zu sichern“, betont Peters. In den relativ strukturschwachen Gebieten ließe sich jedoch nicht zu 100 Prozent ausschließen, dass doch einmal Mica aus anderen Minen einfließe. Um vor Ort mehr bewegen zu können, hat sich Cosnova mit der Andheri-Hilfe zusammengeschlossen. So startete 2016 ein Projekt zur integralen Entwicklung und Stärkung von Dorfgemeinschaften, die im indischen Distrikt Koderma vom Mica-Abbau leben. Nach einer Evaluierungs- und Pilotphase erreicht das Projekt jetzt neun Dörfer. Es geht um Kinderkrippenschulen, die Kontaktpflege mit den lokalen Regierungsmitarbeitern sowie die Förderung von Familien, um ein besseres Leben führen zu können, Kindern eine Schulbildung zu ermöglichen. Seit Start des gemeinsamen Projektes mit Cosnova konnten rund 816 Familien von der Unterstützung profitieren.

Grenzen des Einflusses
Wie viele andere Beauty-Unternehmen auch hat Cosnova keine eigenen Produktionsstätten. Das Unternehmen bestellt bestimmte Produkte bei seinen Lieferanten, definiert zum Beispiel, welche Inhaltsstoffe nicht enthalten sein sollen, die Rohstoffe kauft Cosnova jedoch nicht selbst ein. „Daher haben wir bisher wenig unmittelbaren Einfluss auf Produktion oder Herkunft der Rohstoffe. Da wo wir Einfluss nehmen können, möchten wir diesen auch geltend machen,“ so Peters. Für Analysen zu Risiko-Priorisierung, Nachhaltigkeitsperformance der Lieferanten, Sozialstandards und Arbeitsbedingungen arbeitet Cosnova seit Jahren mit Ecovadis zusammen und setzte 2019 zusätzlich ein Onsite-Audit-Programm auf. Vor rund drei Monaten hat das Unternehmen damit begonnen, seine Lieferkette auch jenseits der direkten Lieferanten und der nächsten Stufe (Tier1 und Tier2) zu erforschen. Mit dem Partner TrusTrace hat Cosnova einen Piloten gestartet. „Wir sammeln über eine digitale Plattform Informationen der Lieferanten bis hin zu den Rohstoffen, damit wir wissen, aus welcher Kooperative, Mine oder von welcher Farm ein Rohstoff kommt.“ Mithilfe eines Dienstleisters werden die Vorlieferanten auf die Plattform gehoben, können sogar per E-Learning-Tools geschult werden.

Artenvielfalt und Frauenförderung
Die aktiven Extrakte von Centella Asiatica - auch Tigergras genannt - werden in Hautpflegeprodukten verwendet. Im Jahr 2016 startete L‘Oréal in Partnerschaft mit seinen Lieferanten und der Union for Ethical BioTrade (UEBT) ein Projekt mit dem Ziel, diese Wildpflanze zu erhalten und gleichzeitig Rückverfolgbarkeit, Qualität, eine gerechte Bezahlung der Frauen, die die Centella-Blätter sammeln, und die Achtung der Menschenrechte zu gewährleisten. Bis Ende 2019 hatten 3.366 Frauen von einer gerechten Bezahlung profitiert und an einer Schulung über gute Sammelpraktiken teilgenommen, berichtet der Kosmetik-Konzern.

Das Projekt ist nur eines der L‘Oréal-Gruppe. Als Unterzeichner des Global Compact der Vereinten Nationen hat sich das Unternehmen zur Einhaltung der international anerkannten Menschenrechte seit 2003 verpflichtet. Die Einkaufsteams des Beauty-Konzerns wählen, unterstützen und bewerten die Lieferanten auf der Grundlage der Menschenrechtspolitik, des Globalen Ethik-Kodex und der verantwortungsvollen Einkaufspolitik des Konzerns. So werden die Lieferanten und Subunternehmen dazu verpflichtet, sich an die Regeln der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sowie die lokalen Gesetze und Normen einzuhalten. „Wir kämpfen speziell gegen Kinderarbeit, indem wir unsere Zulieferer zur Einhaltung eines Mindesteinstellungsalters von 16 Jahren verpflichten, besonders Nacht- und gefährliche Arbeit für Mitarbeiter unter 18 Jahren verbieten und sie zur Einhaltung verschiedener und spezifischer Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften auffordern“, führt das Unternehmen aus. Der „Ethical Commitment Letter“ bezieht sich auch auf die Arbeitszeiten und das Verbot von harter Behandlung und Diskriminierung.

Um dies zu überwachen, wurden in der gesamten Lieferkette Audits der Sozial- und Sicherheits-, Hygiene- und Umweltstandards durchgeführt, die jeden einzelnen Lieferanten weltweit betreffen. Diese Audits, die von unabhängigen Unternehmen durchgeführt werden, bieten eine strenge Überwachung der Verpflichtungen der Lieferanten vor Ort und ihrer Mitarbeiter. Seit 2006 wurde eine Gesamtzahl von mehr als 12.400 Audits gezählt.

Um auch Inklusion weiter zu fördern, hat L‘Oréal 2010 das Programm „Solidarity Sourcing“ ins Leben gerufen. Von einem Teil der weltweiten Einkäufe der Gruppe profitieren Lieferanten, die Menschen aus unterprivilegierten Gemeinschaften beschäftigen, Firmen, die typischerweise keinen Zugang zu großen internationalen Ausschreibungen haben sowie Kleinstunternehmen. Bis Ende 2019 haben rund 71.000 Menschen aus unterprivilegierten Gemeinschaften durch dieses Programm Zugang zu Beschäftigung erhalten.

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