Mehrwegangebotspflicht Was Händler wissen sollten

Das Verpackungsgesetz wirft im Hinblick auf das verpflichtende Angebot von Mehrwegverpackungen im To-Go-Bereich einige Fragen auf. Rechtsanwalt Dr. Simon Meyer, Director bei der Ernst & Young Law GmbH, klärt auf.

Mittwoch, 11. Januar 2023 - Management
Hedda Thielking
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Bildquelle: Ernst & Young Law

In welchen Bereichen des LEH und für welche Speisen und Getränke muss es eine Mehrwegalternative geben?
Simon Meyer:
Letztvertreiber sind ab dem 1. Januar 2023 mit wenigen Ausnahmen dazu verpflichtet, Lebensmittel zum unmittelbaren Verzehr in „To-go“- und „Fast-Food“-Einwegverpackungen aus Kunststoff auch in Mehrwegverpackungen anzubieten. Ziel der Regelung ist es, dass bislang eingesetzte Einwegverpackungen aus Kunststoff durch Mehrwegverpackungen verdrängt werden. Wichtig: Das verpflichtende Angebot von Mehrwegverpackungen neben Einwegverpackungen gilt auch für die Letztvertreiber von sämtlichen Einweggetränkebechern, egal aus welchem Material die Becher bestehen. Die Mehrwegangebotspflicht ist somit nicht beschränkt auf Einweggetränkebecher, die ganz oder teilweise aus Kunststoff bestehen. Das Angebot von Pappbechern und biologisch abbaubaren Einwegbechern reicht nicht aus.

Das gilt bei weiter Auslegung der Regelung auch für die Selbstbedienung. Es geht also um Lebensmittel für den Sofortverzehr beispielsweise an der Salatbar, an der Sushitheke, an der Heißen Theke, an der Kaffeebar oder im Bistro.

Für welche Speisen und Getränke gilt das verpflichtende Mehrwegangebot nicht?
Eine Mehrwegangebotspflicht gilt nicht für To-go-Speisen in Aluminiumbehältern, Papiertüten und Pappkartons (z. B. für Pizza), sofern sie keine Kunststoffanteile haben.  

Wie sieht es mit vorverpackter Ware für den Sofortverzehr im (Kühl-)Regal bzw. in der Bedientheke, wie zum Beispiel Obstsalat aus der Schnippelküche, aus?
In der Gesetzesbegründung heißt es lediglich: Wie der künftigen Pflicht auf Seiten der Letztvertreiber nachgegangen wird, kann noch nicht im Einzelnen konkretisiert werden. Nach Ansicht des Lebensmittelverbandes besteht für vorverpackte und etikettierte Ware keine Mehrwegangebotspflicht.

Im Ergebnis ist den Unternehmen deshalb zu empfehlen, sich vorab hierzu mit der zuständigen Abfallbehörde abzustimmen, ob auch der vorgenannte Bereich von der Mehrwegalternativpflicht umfasst ist. Die Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR) hat sich nach Rücksprache für Fragen rund um §§ 33, 34 des Verpackungsgesetzes nicht für zuständig erklärt hat.

Kleine Betriebe (z. B. Kioske) mit einer Verkaufsfläche bis 80 m² plus insgesamt höchstens fünf Mitarbeitern müssen keine Mehrwegalternative anbieten. Beziehen sich die 80 m² ausschließlich auf die Gastrofläche?
Nein. Die 80 m² beziehen sich auf die gesamte Verkaufsfläche. Unter den Begriff fallen auch sämtliche für Kunden frei zugängliche Flächen wie etwa Sitz- und Aufenthaltsbereiche sowie – falls vorhanden – alle Lager- und Versandflächen. Kleine Betriebe müssen den Kunden aber die Möglichkeit anbieten, dass Lebensmittel oder Getränke in von Kunden mitgebrachten Behältern befüllt werden können.

Wer ist für die Sicherheit von Lebensmitteln in kundeneigenen Gefäßen verantwortlich?
Hierzu enthält die Gesetzesbegründung keine Angaben. Es sind die lebensmittelrechtlichen Regelungen zu beachten. Insbesondere muss der Letztvertreiber die baulichen und technischen Voraussetzungen vorweisen, um eine unmittelbare Befüllung mitgebrachter Behältnisse in hygienisch unbedenklicher Weise vornehmen zu können.

Dürfen Händler mit Gastroangeboten (mehr als 80 m² Verkaufsfläche und mehr als fünf Mitarbeitern) die Speisen und Getränke auch in kundeneigene Behälter füllen?
Das Angebot von Mehrwegbehältern als Alternative zu Einwegverpackungen ist in jedem Fall verpflichtend. Im Verpackungsgesetz ist nicht explizit aufgeführt, ob auch kundeneigene Behälter befüllt werden können – so wie es die Ausnahmeregelung für kleinere Betriebe beschreibt.

Es ist den Händlern aber nach dem derzeitigen Wortlaut der Regelung zumindest nicht explizit verboten, zusätzlich zur Mehrwegalternative Speisen und Getränke in kundeneigene Behälter zu füllen. Voraussetzung dafür ist, dass die Märkte alle Hygienevorschriften und lebensmittelrechtlichen Vorschriften erfüllen. Einen gesetzlichen Anspruch haben die Kunden darauf aber nicht.

Welche Eigenschaften müssen die Mehrwegbehälter haben (z. B. Material, Anzahl der möglichen Spülvorgänge, …?)
Das Verpackungsgesetz schreibt nicht vor, aus welchem Materialien die Mehrwegbehältnisse bestehen müssen. Nach der Begriffsdefinition im Verpackungsgesetz sind Mehrwegverpackungen Verpackungen, die dazu konzipiert und bestimmt sind, nach dem Gebrauch mehrfach zum gleichen Zweck wiederverwendet zu werden und deren tatsächliche Rückgabe und Wiederverwendung durch eine ausreichende Logistik ermöglicht sowie durch geeignete Anreizsysteme, in der Regel durch ein Pfand, gefördert wird.

Betroffene Händler müssen an der Salatbar, im Bistro usw. auf das Mehrwegangebot hinweisen. Wie muss dieser Hinweis aussehen?
Der Hinweis auf das Mehrwegangebot muss auf deutlich sicht- und lesbaren Informationstafeln oder -schildern erfolgen. Genauere Vorgaben stehen auch dazu nicht im Gesetz. Möglich könnte der Wortlaut „Hier gibt es Speisen und Getränke in Mehrweg“ oder „Wir bieten Mehrwegbehälter für To-Go-Produkte an“ sein. Die Schrift sollte mindestens genauso groß wie die Preisangabe sein. Anbieter von Lieferservices können den Hinweis in den jeweils verwendeten Darstellungsmedien wie Katalog, Internetseite usw. geben.

Gibt es Sanktionen, wenn Händler bis zum Jahreswechsel die Mehrwegpflicht nicht umgesetzt haben?
Verstoßen Unternehmen gegen die vorgenannte Mehrwegalternativpflicht, kann dies als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 10.000 Euro geahndet werden. Eine Ordnungswidrigkeit liegt auch dann vor, wenn Händler die jeweiligen Lebensmittel in Mehrweg teurer verkaufen oder zu schlechteren Bedingungen als in Einweg. Erfolgt der Hinweis auf das Mehrwegangebot nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht in der vorgeschriebener Weise, muss man ebenfalls mit einer Geldbuße in vorgenannter Höhe rechnen.

Ein bundesweit einheitliches Mehrwegsystem wäre für Händler und Verbraucher vermutlich am einfachsten. Ist das aus juristischer Sicht überhaupt möglich?
Eine bundesweit einheitliche Lösung wäre aus Verbrauchersicht sicherlich am einfachsten. So könnte er die Behälter überall dort, wo Mehrwegbehälter angeboten werden, auch wieder abgeben. Mit Blick auf die Praxis gibt es bundesweite Mehrwegpfandanbieter wie „ReCup“, „ReBowl“ und „Recircle“, aber insbesondere auch in deutschen Großstädten haben sich regionale Systeme etabliert (z. B. FairCup, CupForCup, FreiburgCup, Con-Cup, CupCycle). Ein bundesweit einheitliches Mehrwegsystem ist derzeit rechtlich im Verpackungsgesetz nicht vorgesehen und auch künftig nicht zu erwarten.

Was geben Sie den Händlern mit auf den Weg?
Wenn noch nicht geschehen, sollten sich die Händler zeitnah umgehend mit dem Thema befassen. Es dauert schließlich eine Weile, bis alles organisiert ist, die Mitarbeiter geschult sind und sich der Prozess eingespielt hat. Sie sollten sich vergewissern, dass auf die Mehrwegalternative korrekt hingewiesen wird. Sofern die Händler zusätzlich kundeneigene Gefäße befüllen möchten, sollten sie sich vorab mit den hygienischen Anforderungen vertraut machen.

Zur Person:

Dr. Simon Meyer ist seit über 15 Jahren im Umweltrecht tätig. Mit seinem Team betreut er seit vielen Jahren Unternehmen bspw. zu Fragen rund um das Thema Verpackungen. Zudem sitzt er seit vielen Jahren in verschiedenen Umweltausschüssen und ist intensiv in aktuelle europäische und nationale Gesetzgebungsverfahren eingebunden, bspw. zu Regelungen rund um das Thema Verpackungen.