Trend 2023 Preise und Verfügbarkeit sind die Themen 2023

Der Ernährungssektor gilt als systemrelevant, steht aber auch vor besonderen Herausforderungen. Der Lebensmitteleinzelhandel hat sowohl in der Corona-Krise als auch in den Wochen und Monaten nach Ausbruch des Russland-Ukraine-Krieges unter Beweis gestellt, dass er gemeinsam mit seinen Lieferanten die Lebensmittelversorgung sicherstellen kann, sagt Franz-Martin Rausch (Bild), Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH).

Mittwoch, 11. Januar 2023 - Management
Lebensmittel Praxis
Artikelbild Preise und Verfügbarkeit sind die Themen 2023
Bildquelle: Santiago Engelhardt

Wie ist das Fazit des Verbandes für 2022 und wie sieht der Ausblick auf 2023 aus?
Die Menschen sind 2022 mit Lebensmittelpreissteigerungen bisher kaum gekannten Ausmaßes konfrontiert worden. Verantwortlich dafür waren Lieferengpässe und eine Kosteninflation, die vor allem durch die Energiepreise getrieben wurde. Der Handel hat viel unternommen, um die Lebensmittelpreise für seine Kunden bezahlbar zu halten. Wie sie sich 2023 entwickeln, wird entscheidend von zwei Fragen abhängen: Wie entwickelt sich der Russland-Ukraine-Krieg weiter, und wie schafft es Deutschland, sich aus der Energieabhängigkeit von Russland zu lösen.

Wo sieht der Verband die größten Herausforderungen für 2023 in der Branche?
Die Entwicklung der Lebensmittelpreise aber auch die Warenverfügbarkeit werden 2023 im Mittelpunkt stehen. In diesem schwierigen wirtschaftlichen Kontext parallel die Transformation der Lebensmittellieferkette hin zu mehr Nachhaltigkeit und nachhaltigem Konsum sowie den Kampf gegen den Klimawandel fortzuführen, stellt eine besondere Herausforderung dar.

Mitarbeitermangel ist ein großes Thema: Welche Maßnahmen sind aus Verbandssicht wichtig und wie unterstützt hier der Verband die Branche?
Wir brauchen im Lebensmittelhandel gut qualifiziertes Personal. Hier gilt es, frühzeitig auf der Ausbildungsebene anzusetzen und künftigen Mitarbeitern interessante und vielseitige Karrieren zu bieten, um den Einzelhandel als attraktiven Arbeitgeber bei der Berufswahl heraus zu stellen. Mit der vom BVLH unterstützten Arbeit der food akademie in Neuwied und ihrem vielfältigen Ausbildungsangebot wird hierfür ein entscheidender Grundstein gelegt.

Sind die möglichen Konsequenzen eines weiter bestehenden Mitarbeitermangels (Öffnungszeiten, Bedientheken, Service, Kompetenz) eine Gefahr für den vollsortierten Handel?
Der Fachkräftemangel ist für viele Bereiche der deutschen Wirtschaft eine große Herausforderung – auch für den Handel. Qualifizierte Mitarbeiter, sei es auf der Fläche oder hinter der Bedientheke, um Kunden kompetent und freundlich zu beraten, sind eine wettbewerbsrelevante Größe. Mit der Eröffnung des „Kompetenzzentrums Supermarkt“ durch die food akademie Neuwied wurde 2022 ein wichtiger Schritt getan. Für fast 13 Millionen Euro wurden ein moderner Lehrsupermarkt, Seminarräume und Unterkünfte für Schülerinnen und Schüler errichtet.

„Systemrelevant“ war ein Stichwort für den LEH in den letzten Jahren. Stützt die aktuelle Politik diese Systemrelevanz oder gibt es Defizite? Wenn letzteres, wo liegen die?
Der LEH hat sowohl in der Corona-Krise als auch in den Wochen und Monaten nach Ausbruch des Russland-Ukraine-Krieges unter Beweis gestellt, dass er gemeinsam mit seinen Lieferanten die Lebensmittelversorgung sicherstellen kann. Zur Versorgungslage stand  der BVLH in ständigem Austausch mit der Politik. Sie kann den Handel unterstützen, seine Leistungen bestmöglich zu erbringen, indem bürokratische Hemmnisse möglichst abgebaut und keine neuen Lasten aufgebürdet werden. Die Ernährungsbranche wurde als kritische Infrastruktur in die betreffende EU-Richtlinie aufgenommen. Jetzt wird die Herausforderung darin liegen, eine entsprechende überarbeitete Strategie für Deutschland zu entwickeln und einen einheitlichen Vollzug zwischen Bund und Ländern im föderalen System zu gewährleisten.

Was sind Forderungen des Verbandes für 2023 an die Politik?
Die Ampelkoalition hat einige wichtige lebensmittelpolitische Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag angestoßen. Der Entwurf für ein Tierhaltungskennzeichnungsgesetz wurde auf den Weg gebracht. Eckpunkte für eine Ernährungsstrategie wurden verabschiedet. Über eine Zielvereinbarung zur Reduktion der Lebensmittelverschwendung befinden wir uns in Gesprächen mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Auf europäischer Ebene werden 2023 ebenfalls einige neue Initiativen erwartet, von den umweltbezogenen Angaben (green claims), über die Überarbeitung der Lebensmittelkennzeichnung bis hin zur Rahmenregelung für nachhaltige Lebensmittelsysteme. Zu all diesen Punkten fordern wir, dass die dahinterstehenden Maßnahmen praxisgerecht sein müssen, alle Unternehmen unabhängig von ihrer Größe sowie die Verbraucher auf dem Weg mitgenommen werden müssen und dass Gebote und Verbote in einer bürgerlich-liberalen und marktwirtschaftlich verfassten Gesellschaft stets nur das letzte Mittel der Wahl sein dürfen.

Was gibt der Verband den Lebensmittelhändlern für 2023 mit auf den Weg? Was macht Mut für das neue Jahr?
Unternehmergeist, Entschlossenheit, Tatkraft und hohe Kundenorientierung zeichnen seit je her die Lebensmittelhandelsunternehmen aus. Mit Hilfe dieser Stärken werden sie auch die neuen liegenden Herausforderungen meistern. Der Umgang mit den multiplen Krisen der vergangenen Monate und Jahre zeigt, dass die Branche widerstandsfähig ist und funktioniert, wenn es drauf ankommt. Für den Wandel des Lebensmittelsystems hin zu mehr Nachhaltigkeit hat sich in den letzten Jahren auch gezeigt, dass gute Lösungen dann entstehen, wenn man über den Tellerrand schaut und mit anderen Akteuren der Lieferkette gemeinsam neue Wege beschreitet. Diesen Dialog gilt es auch im kommenden Jahr weiterzuführen. Der BVLH wird die Handelsunternehmen dabei mit großem Engagement und Fachwissen nach Kräften unterstützen.