To-Go-Produkte Mehrweglösung gesucht

Seit Januar muss es für To-go-Produkte eine Mehrwegalternative geben. Eine Herausforderung für die Handelsgastronomie des LEH, denn die neuen Vorgaben lassen noch viele Fragen offen.

Mittwoch, 11. Januar 2023 - Management
Hedda Thielking
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Bildquelle: Recup

Einwegprodukten aus Kunststoff geht es weiter an den Kragen. Nachdem seit Juli 2021 zum Beispiel Plastikteller, -besteck, -trinkhalme und -wattestäbchen verboten sind, sieht die Novelle des Verpackungsgesetzes (§§ 33, 34) eine weitere Regelung vor: Seit dem 1. Januar müssen viele gastronomische Betriebe in Deutschland – dazu gehört auch die Handelsgastronomie des LEH – für Lebensmittel in Einwegverpackungen aus Kunststoff im To-go- und Fast-Food-Bereich eine Mehrwegalternative anbieten. Das Gleiche gilt für Einweggetränkebecher – und zwar materialunabhängig. Ausgenommen sind kleine Betriebe. Auch wenn der Handel die Notwendigkeit der Müllvermeidung nicht infrage stellt. „Die größte Hürde für den Lebensmittelhandel und die Handelsgastronomie ist sicherlich die fristgerechte Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben und der Aufbau der entsprechenden Logistik im Hintergrund“, sagt Antje Gerstein, HDE-Geschäftsführerin Europapolitik und Nachhaltigkeit.

„Baustelle“ in Handelsunternehmen
Kein Wunder, dass Anfang Dezember bei einigen von der LP befragten Händlern und Handelszentralen diesbezüglich noch „Baustelle“ herrschte. „Die Rewe Group, und hier insbesondere Rewe, prüft zurzeit die Teilnahme an einem offenen System, über das Kunden zukünftig an teilnehmenden Partnerakzeptanzstellen Mehrwegbecher und -schalen ausleihen und wieder zurückgeben können“, teilt Thomas Bonrath, Pressesprecher der Rewe Markt GmbH, mit. So hatten auch einige befragte Rewe-Händler noch keine Mitteilungen dazu erhalten. Bei Famila tangiert die Mehrwegpflicht nur ein, zwei einzelne Standorte jeweils in einem Bereich. „Wir stellen dort zunächst eigene Mehrwegbehältnisse zur Verfügung und werden beobachten, wie hoch die Nachfrage danach ist“, berichtet Pressereferentin Solveig Hannemann. Bei Globus wollte man dazu aktuell nicht Stellung nehmen.

Edeka kommt mit „regood“
Der Edeka-Verbund startet mit „regood“, einem von Edeka selbst entwickelten Pfandsystem, an dem alle Regionalgesellschaften beteiligt sind. „Die Bestellung und Belieferung der Behälter erfolgen über die regionalen Großhandlungen. Auf die teilnehmenden Märkte beziehungsweise selbstständigen Kaufleute kommen durch die Einführung des ,regood‘-Systems keine zusätzlichen Kosten zu“, heißt es aus der Edeka-Zentrale. Details rund um das Pfand möchte man mit den Teilnehmern direkt kommunizieren, Einzelheiten nannte Edeka dazu nicht. Dieses Mehrwegsystem sehe zudem vor, dass die Kaufleute die Behälter selbst reinigen. Ihnen stehe es aber auch offen, einen externen Dienstleister zur Reinigung einzubeziehen.

Edeka Stengel in Fürth wird sich der „regood“-Lösung anschließen. Doch bis Anfang Dezember lagen dem Markt noch keine Informationen von der Zentrale beziehungsweise ihrer Regionalgesellschaft vor. „Deshalb überlegen wir, vorübergehend mit Weber Packaging, ein Handelsunternehmen für Lebensmittelverpackungen, zu kooperieren. Dort sind wir ohnehin Kunde“, sagt Geschäftsführerin Lara Stengel. Weber Packaging bietet nun auch Mehrwegbehälter an und ist sofort lieferfähig. Ihre Prognose für die Akzeptanz der Kunden: „Ich rechne anfangs mit einer Nutzungsquote von 5 Prozent, da sich die meisten Kunden aus Bequemlichkeitsgründen vermutlich doch für Einwegbehälter entscheiden.“

Keine einheitliche Lösung
Viele befragte Händler scharren mit den Hufen und warten auf klare Ansagen von oben. Manche selbstständigen Kaufleute sind dem Gesetz einen Schritt voraus und bieten schon länger Mehrwegbehälter für To-go-Produkte an. Sie arbeiten dafür mit unterschiedlichen Anbietern von Mehrwegsystemen zusammen. So kooperieren Edeka Struve in Hamburg und Rewe Richrath in Köln mit Vytal, Rewe Quermann in Bielefeld mit Recup. Hinter unserem QR-Code lesen Sie die Erfahrungen der Händler mit diesen Systemen.
„Für die Verbraucher wäre es am einfachsten, wenn es ein einheitliches System gäbe, aber das scheint sich nicht anzubahnen. Stattdessen sieht es danach aus, dass jedes Handelsunternehmen eine individuelle Lösung einsetzen wird. Je einfacher die Lösung ist, desto schneller und besser wird sie angenommen“, erklärt Olaf Hohmann, Mitglied der Geschäftsleitung EHI Retail Institute.

Verpackungsgesetz in der Diskussion
Laut Lebensmittelverband Deutschland lassen die Paragrafen 33 und 34 des Verpackungsgesetzes noch viele Fragen offen. Zudem gebe es unterschiedliche Rechtsauffassungen der Lebensmittelwirtschaft und des Umweltbundesamtes (UBA). Ein Diskussionspunkt ist zum Beispiel der Umgang mit vorverpackter Ware. Der Lebensmittelverband vertritt folgenden Standpunkt: „Vorverpackte Lebensmittel, wie in der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) definiert, fallen nicht unter die Mehrwegangebotspflicht, auch wenn diese Ware in den Räumen beziehungsweise vom Unternehmen selbst hergestellt, verpackt und angeboten wird.“ Gemeint sind unter anderem vorverpackte Salate, Obstsalate oder Joghurt mit Früchten aus der Schnippelküche, die mit einem Etikett und allen kennzeichnungspflichtigen Angaben versehen sind.

Um solche Fragen zu klären, werde derzeit unter Federführung des UBA ein zwischen Bund und Ländern abgestimmter Leitfaden zur Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht erarbeitet. Mit einer Veröffentlichung sei frühestens im Februar 2023 zu rechnen, erklärt der Lebensmittelverband. „Wir werden die Vollzugsbehörden deshalb auffordern, diese Unsicherheit nach dem Stichtag 1.1.2023 durch maßvolle Vorgehensweise beim Vollzug der Vorschriften zu berücksichtigen“, informiert Dr. Sieglinde Stähle, wissenschaftliche Leiterin beim Lebensmittelverband (Infomaterial dazu gibt’s online).

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