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Ende Mai/Anfang Juni geht es in Holland darum, das erste Fass des Jahres mit Matjes in Scheveningen anzulanden. Die erste Tonne mit den „Hollandse Nieuwe“ geht traditionsgemäß an die Königin. Gleichzeitig ist das der Start für die Matjessaison, die bis Anfang Juli geht. In Deutschland startet in dieser Zeit die Tour de Matjes, bei der ebenfalls mit vielen Events, teilweise Stadtfesten, und PoS-Aktivitäten der Matjes zelebriert wird. Unabhängig davon, ist der Saisonstart ein umsatzträchtiges VkF-Thema, das heute an vielen Fischtheken umgesetzt wird. Dabei ist der Matjes ein Ganzjahresprodukt. Denn um sicher zu gehen, dass im Fleisch keine lebenden Nematoden (kleine Fadenwürmer, die bei Verzehr auf den Menschen übertragen werden können) auftauchen, regelte die niederländische Regierung in den 70er-Jahren per Gesetz, dass Matjeshering einmal in der Verarbeitung bis auf minus 45 Grad tiefgefroren werden muss. Dadurch werden die Nematoden abgetötet und Matjes durch die TK-Lagerung das ganze Jahr über verfügbar.
Aber trotzdem ist Saison: Im Frühjahr erwärmt sich das Meer, das Plankton (Kleinstlebewesen, die Nahrung des Herings) vermehrt sich rasend schnell, und die über den Winter abgemagerten Heringe finden ein überreiches Nahrungsangebot, nehmen schnell an Gewicht zu und ihr Fettgehalt steigt. Das Fleisch wird schmackhaft (leicht buttrig) und zart.
Der Begriff Matjes hat seinen Ursprung in der friesischen Fischerfangtradition und bedeutet soviel wie „junges Mädchen“. Auch heute noch wird Matjes als jungfräulicher Hering bezeichnet, was nicht ganz korrekt ist. Der Hering kann durchaus schon ein oder mehrmals gelaicht haben, entscheidend ist der Ernährungszustand: Die Fische haben noch keinen Ansatz von Rogen (Eier der Weibchen) oder Milch (Sperma der Männchen), aber schon einen für die anstehende Fortpflanzungsphase passenden hohen Fettgehalt (12 bis 25 Prozent). Matjes zählt somit zu den Fettfischen, ist reich an wertvollen Omega-3-Fettsäuren und einfach-ungesättigten Fettsäuren. Das erklärt auch die relativ kurze Fangzeit von Ende Mai bis Ende Juli. Das Hauptfanggebiet ist die zentrale Nordsee. Aber auch andere Gebiete werden befischt, z. B. die schottische Nordküste.
Nach dem Fang werden die Heringe direkt an Bord verarbeitet. Erster Schritt ist der sogenannte Kehlschnitt unterhalb des Mauls und zwischen den Kiemenbögen. Über diese Öffnung werden die Eingeweide entnommen. Danach wird mild gesalzen und der ganze Fisch in Fässern eingelagert. Rund eine Woche dauert das Ganze. Dabei bildet sich eine Salzlake, die zum Geschmack beiträgt. Früher wurde weitaus stärker gesalzen, um so den Fisch länger haltbar zu machen. Zum Verzehr musste er gewässert werden, um das Salz zu reduzieren.
Nach dem Kehlschnitt bleibt allein die Bauchspeicheldrüse im Fisch zurück. Sie enthält eiweißspaltende (proteolytische) Enzyme, die maßgeblich für Reifung und Aromabildung verantwortlich sind. Man spricht auch von biologischer bzw. natürlicher Reifung.