Heikle Hülle Warum umweltfreundliche Verpackung oft versagt

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Nicht immer führen gute Absichten zu guten Ergebnissen. Wer richtig und nachhaltig verpacken möchte, muss sein Produkt im Blick haben. Die Konsumgüterindustrie sollte sich glaubwürdige Ziele setzen.

Mittwoch, 25. September 2024 - Verpackung
Matthias Mahr
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Bildquelle: Capri-Sun

Vorbei ist die Zeit, in der sich vor allem die globalen Konsumgüterriesen mit markigen Ankündigungen zu Lokomotiven in Sachen Nachhaltigkeit machten. 2019 setzten sich große Marken große Selbstver­pflich­tungsziele bis 2025: Unilever wollte beispielsweise seinen Verbrauch von Kunststoff-Neuware in dieser Zeit halbieren. Daraus wird nichts. Mängel in der Recyclingwirtschaft werden nun für das Verfehlen der Ziele angeführt. Unilever ist nicht allein. Auch Pepsico räumte ein, dass es bis 2025 nicht mehr zu schaffen sei, alle Verpackungen so umzustellen, das sie den Zielen der Kreislaufwirtschaft entsprächen und demzufolge zu 100 Prozent recyclingfähig seien.

Diese Liste ließe sich um renommierte Markennamen von L’Oréal bis Henkel erweitern. Ein Manager aus der Packmittelindustrie, der nicht genannt werden möchte, sagt heute lediglich: „Schon damals war klar, dass dieser nachhaltige Umbau bei der Verpackung im globalen Maßstab nicht so banal zu bewerkstelligen ist.“ Und Schnelligkeit führe selten zu guten Ergebnissen.

Nachhaltigkeit frisst Effizienz

Kunststoff war spätestens ab 2020 verpönt, aber die Verpackung aus Papier nicht per se die beste Lösung. Der Branchenkenner, der rund um den Globus unterschiedlichste Packmaterialien und -stoffe verkauft und tiefe Einblicke in die globalen Strukturen der Lebensmittelgiganten hat, erinnert sich: „Plötzlich wurden Nudeln in Papiertüten verpackt und teuer verkauft. Dafür gab es in Deutschland ein zahlungsbereites Publikum. Die Absatzzahlen dieser Produkte gingen durch die Decke.“ Doch die neuen Packmittel führten dazu, dass Maschinen langsamer laufen mussten, da die Packlinien nicht für diese Packstoffe ausgelegt waren. Und wenn die scharfkantigen Nudeln das Papier durchbra­chen, gab es zum Teil beachtliche Nahrungsmittelverluste. Doch das wurde unter den Teppich gekehrt. Auch bei Nestlés beliebten bunten Schokolinsen gingen die Wirkungsgrade der Verpackungsmaschinen nach der Umstellung auf Papier in die Knie. Insider sprechen von Effizienzeinbußen von 30 Prozent und mehr. Die großen Lebensmittelhersteller fordern inzwi­schen die Maschinen- und Packmittellieferanten dazu auf, dass sie sich an den Kosten der Umstellungen beteiligen. Der Branchenkenner betont: „Es wird Jahre dauern, bis Papier weltweit auf den Anlagen so läuft wie die Kunststofffolie.“

Capri Sun will die Uhr zurückdrehen

Inzwischen ist die Papierverpackung bei Produkten angekommen, die Feuchtigkeits- und Fettbarrieren benötigen. Zuletzt testete Mondelez Milka in der Papierverpackung mit „einer minimalen Beschichtung zum Schutz der Schokolade, um sowohl die gewohnte Qualität als auch den zarten Geschmack zu garantieren“. Nach dem Genuss könne die Verpackung in der Papier­tonne entsorgt und anschließend recycelt werden, teilten die Bremer mit. Was die Beschich­tung für die Altpapierqualität bedeutet, ist noch nicht abschließend geklärt. Ein Verpackungsberater hat Milka in der neuen Verpackung einem harten Test unterzogen. Sein Zwischenfazit lautet: „Ich würde Schokolade nicht in beschichtetes Papier verpacken.“

Deutschlands Getränke-Exportschlager Capri Sun hat eine Petition gestartet. Die Rückabwicklung des EU-Verbots von Einweg-Kunststoffartikeln wie Strohhalmen aus dem Jahr 2021 ist das Ziel. Was zunächst abwegig klingt, kann aber mit Argumenten gestützt werden: Kunden stören sich am Papierstrohhalm, der sich schlechter einstecken lässt, weich wird und zu einem Papiergeschmack beim Trinken führt. Und ein Forscherteam aus Belgien hatte vor einem Jahr herausgefunden, dass Papierstroh­halme möglicherweise mit PFAS-Ewigkeits­chemikalien behandelt wurden, um ihnen eine gewisse Festigkeit zu geben.
Capri Sun arbeitet derzeit daran, Trinkbeutel und -halm aus demselben Material herzustellen, aus Polypropylen. Beides könne dann zusammen in den Abfall gegeben werden. Eigentlich eine gute Idee. Für Dogmatiker aber nicht. Diese fordern ein Verbot für das Kultgetränk aus Heidelberg.